Hochschulabschlüsse Warum das Studium an Wert verliert

Ein Akademiker zu sein, ist heute nichts besonderes mehr - das war mal anders. Doch die Abschlüsse werden immer bedeutungsloser - und zwingen zu außeruniversitären Zusatzqualifikationen.

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Die besten Universitäten
Technische Universität BerlinDie 1879 gegründete TU Berlin schafft es gleich in fünf Fächern unter die ersten Zehn: Platz zwei in den Naturwissenschaften, Rang vier im Wirtschaftsingenieurwesen, Platz fünf in der Informatik. Sechster wurde die TU Berlin in der Elektrotechnik, siebter im Maschinenbau. Insgesamt konnte sich der Hochschulstandort in diesem Jahr deutlich verbessern und in zahlreichen Kategorien aufsteigen. Quelle: TU Berlin/Dahl
Universität zu KölnIhre Vorgänger-Uni wurde 1388 als vierte Universität im deutsch-römischen Kaiserreich gegründet. 1798 wurde sie unter napoleonischer Besetzung geschlossen. 1919 wurde sie neu gegründet. Auch 625 Jahre nach ihrer ursprünglichen Gründung ist die Hochschule noch auf dem neusten Stand, wie das Uni-Ranking zeigt. Die Volkswirte der Universität zu Köln schaffen es auf den zweiten Platz. Im Fach BWL reicht es diesmal für den dritten Rang. Unter die ersten Fünf gelangt sie außerdem bei dem Wirtschaftsinformatikern. Quelle: dpa
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU München)Doch die bayrische Hauptstadt beherbergt noch eine weitere Spitzenuniversität – die LMU München. Schon Konrad Adenauer, Theodor Heuss und Gustav Heinemann studierten hier. Die 1472 gegründete Hochschule zählt zu den renommiertesten Universitäten Deutschlands. Im internationalen Times-Higher-Education-Ranking wurde sie aktuell als beste deutsche Universität ausgezeichnet. Und auch die deutschen Personaler kann sie von sich überzeugen, vor allem in den Wirtschaftswissenschaften. Rang zwei erreicht sie im Fach BWL, in der Volkswirtschaftslehre reicht es für den dritten Rang. Die Bronzemedaille sicherte sich die LMU außerdem in den Naturwissenschaften. Quelle: Presse
Technische Universität MünchenBereits 1868 gegründet, kann die TU München auf eine fast 150-jährige Geschichte zurückblicken, die von reichlich Erfolgen geprägt ist. So wurden zum Beispiel schon 13 Alumni und Professoren der Universität mit einen Nobelpreis ausgezeichnet. Auch im diesjährigen Hochschul-Ranking der WirtschaftsWoche kann die TU überzeugen. In der Wirtschaftsinformatik belegt sie hinter Darmstadt den zweiten Rang. Platz drei geht an die Informatiker der TU München. Auch im Maschinenbau (5. Platz), in der Elektrotechnik (4. Platz) und den Naturwissenschaften (5. Platz) punktete die bayrische Hochschule. Quelle: Technische Universität München, Albert Scharger
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am MainDie Bankenstadt Frankfurt am Main bleibt auch im Uni-Ranking 2014 ihrem Image treu und punktet vor allem in den Wirtschaftswissenschaften: Sie siegt in der Volkswirtschaftslehre und schafft es im Fach BWL immerhin auf den fünften Rang. Genauso wie bei den Naturwissenschaften. Quelle: dpa
Technische Universität DarmstadtHoheitlich ist ebenfalls der Sitz der TU Darmstadt. Wie in Mannheim, beherbergt auch in Darmstadt ein Residenzschloss die Hochschule. Ihr universitärer Status ist allerdings nochmal 30 Jahre jünger als der Mannheimer. Seit 1877 ist sie eine Technische Hochschule, zur Universität wurde sie erst 1997. Getreu ihrem Namen liegen ihre Stärken im technischen Bereich: In der Wirtschaftsinformatik konnte die Universität ihren Sieg aus dem Vorjahr verteidigen. Im Maschinenbau, der Elektrotechnik und dem Wirtschaftsingenieurwesen belegt sie jeweils Rang drei. Platz vier wurde es in der Informatik. Quelle: Thomas Ott/ TU Darmstadt
Universität MannheimJunge Universität, alter Sitz. Erst 1967 wurde die Mannheimer Handelshochschule zur Universität erhoben. Die im Barockschloss heimische Hochschule gehört damit zu den jüngeren deutschen Unis. Aufgrund ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Ursprünge, zeigt sich in diesem Bereich auch die Kompetenz der Universität. Im diesjährigen Hochschul-Ranking belegt sie in der Betriebswirtschaftslehre weiterhin den ersten Rang. Im Fach Wirtschaftsinformatik reichte es immerhin für Platz zwei, in der VWL für den vierten Rang. Eine weitere TopTen-Platzierung schaffte sie im Bereich Informatik – Platz sechs. Quelle: Norbert Bach - Universität Mannheim

Was ist die Universität? Eine aktuelle, halbwegs konsensfähige Antwort würde heute vermutlich so ähnlich lauten: eine Einrichtung, an der junge Menschen die entscheidende Qualifikation für höhere berufliche Positionen als Fach- oder Führungskräfte erwerben.  

Abiturienten wählen heute ihr Studienfach und die Hochschule meist in einer Abwägung aus räumlicher Nähe und gewünschter beruflicher Zukunft, die der Studiengang verheißt. Zur Orientierung dienen Hochschulrankings wie das der WirtschaftsWoche. Möglichst früh versucht man dann, in den Semesterferien aussichtsreiche Praktika zu absolvieren, um die nötigen Erfahrungen und vor allem Kontakte für das bevorstehende Berufsleben zu gewinnen.

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Das Studium ist also ein Mittel zum beruflichen Zweck, der außerhalb der Universitäten liegt. Die Hochschulen selbst werben heute meist mit den angeblichen Karriereaussichten um Studenten: "Abi. Studium. Karriere" steht beispielsweise auf Plakaten der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Und beim Gang über den Campus fallen nicht, wie noch vor einigen Jahren, linksradikale Aufrufe auf, sondern Ankündigungen von Job-Messen. Die Agentur "Deutsche Hochschulwerbung" macht es möglich.   

Die Universität von heute soll, da sind sich Bildungspolitiker und Hochschulmanager weitgehend einig, vor allem Employability verschaffen: die Fähigkeit, am Arbeits- und Berufsleben erfolgreich teilzunehmen.  

Kein unehrenhaftes Ziel. Aber wenn es das einzige ist, so bedeutet das doch einen Bruch mit der fast 800-jährigen Tradition der europäischen Universität und dem dazugehörigen Ideal. Wilhelm von Humboldt definierte Bildung als "die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen".

Spricht man mit alten Menschen der Erlebnisgeneration, die aus Krieg und Gefangenschaft kamen und im Hungerwinter 1946/47 in den ungeheizten Hörsälen der gerade wieder eröffneten Unis saßen, hört man selten von Praktika und Bewerbungschancen. Die rund acht Prozent Abiturienten dieser Jahrgänge studierten in einer Zeit größter ökonomischer Unsicherheit und materieller Entbehrungen. Doch an den Universitäten gab es keine "Career Services", keine Job-Messen und keinen Recruiting-Tag.

Diese Männer und Frauen der vom Soziologen Helmut Schelsky so genannten "skeptischen Generation" (geboren 1910-26) waren hungrig nach Bildung – obwohl sie selten genug zu essen hatten. Zu diesen durch den Krieg erwachsen gewordenen Ex-Landsern und Trümmerfrauen, die sich selbst später oft "45er" nannten, gehörte Schelsky selbst. Und ein großer Teil der unsterblichen Namen, die in politischen Sonntagsreden und Tagungen auch heute noch fleißig zitiert werden: Niklas Luhmann, Reinhart Koselleck, Margarete Mitscherlich.

Blütezeit des Studiums

 

Diese Blütezeit des Studierens war nicht auf das in Trümmern liegende Deutschland beschränkt. John Williams beschreibt die amerikanischen 45er-Studenten in seinem Campus-Roman "Stoner": "Die ihm eigenartig erwachsen scheinenden Studenten waren ungeheuer ernst und verachteten alles Triviale. Mode und Brauch interessierten sie nicht, und sie gingen ihre Studien an, als wäre ihr Studium das Leben selbst und nicht Mittel zum Zweck."     

In Williams wunderbarem Roman steht das intellektuelle „Entdeckergefühl“ des Titelhelden Stoner im Mittelpunkt. Die Universität verschafft dem auf einer Farm aufgewachsenen Provinzler ein Bildungserlebnis, das ihn in einem erhebenden Augenblick zu einem anderen Menschen macht. Davon ist heute keine Rede mehr. Keine Universität wirbt damit, dass man an ihr ein gebildeter Mensch wird.  

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Doch auch wenn man das Studium rein ökonomisch als Ausbildung und Voraussetzung für eine Karriere betrachtet, muss man einen galoppierenden Wertverfall feststellen. Je mehr Menschen ein Gut besitzen, desto weniger taugt es als Aushängeschild für Status. Selbst ein schwacher Student gehörte selbstverständlich zu einer Elite, als nur acht Prozent seines Jahrgangs studierten. Für heutige Studenten gilt das wohl kaum.

Die Inflation der (Aus-)Bildungsabschlüsse vollzieht sich auf zwei Feldern: Erstens ist der Anteil der Abiturienten und Studierten mit atemberaubenden Tempo gestiegen. Die Studentenquote, also der Anteil der Studienanfänger an der gleichaltrigen Bevölkerung ist in nur fünfzehn Jahren von 28,1 (1996) auf 54,7 Prozent (2012) gestiegen. Seit 2009 gibt es mehr Studenten als Auszubildende in Deutschland. 2012 standen  1,98 Millionen Azubis 2,51 Millionen Studenten gegenüber.

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Der politisch vor allem von der OECD forcierte Anstieg der Studierendenzahlen wird in der Regel dadurch begründet, dass die Arbeitslosigkeit unter Akademikern besonders niedrig ist. Viele Akademiker, so die Unterstellung, bedeuten weniger Arbeitslose. Die Konsequenz aus dieser Ansicht ist die aktuelle Bildungspolitik der totalen Ökonomisierung bei gleichzeitiger totaler Öffnung des Studiums.

Doch diese Politik beruht auf einem Denkfehler, wie der Bildungsphilosoph Julian Nida-Rümelin erklärt. Denn man übersehe den Effekt des Downgrading: „Es ist klar, dass immer die, die etwas höher qualifiziert sind oder scheinen, die Jobs bekommen. Das heißt aber nicht, dass die Gesamtarbeitslosigkeit sinkt, wenn immer mehr die sogenannten höheren Abschlüsse haben.“ Und vor allem: Ein Universitätsstudium mit wissenschaftlichem Anspruch bereitet auf die praktischen, nicht-akademischen Berufsanforderungen, die auf einen Großteil der heutigen Studenten warten, überhaupt nicht vor. 

Noten verlieren an Wert

Mittlerweile schwant auch Politikern, dass diese Politik zu extremen Verwerfungen führen muss. "Während in Zukunft auf jeden scheidenden Akademiker rund 1,5 Hochschulabsolventen kommen, ist das Verhältnis bei den beruflich Qualifizierten umgekehrt", sagt Martin Braun, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Freiburg (MIT). Besonders bei Meistern und Technikern sei mit größeren Engpässen zu rechnen.

Braun fordert daher im Einklang mit Julian Nida-Rümelin (SPD), den Akademisierungswahn zu stoppen. "Wir brauchen vor allem Facharbeiter und Meister in unseren Betrieben, nicht nur Bachelor und Master." Die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt seien für beruflich Qualifizierte heute besser als je zuvor.

Nach Berechnungen des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BIBB) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) werden bis 2030 in Deutschland rund 3,1 Millionen Akademiker aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Dem wird ein Neuangebot von rund 4,7 Millionen Hochschulabsolventen gegenüberstehen. Gleichzeitig scheiden rund 10,5 Millionen beruflich Ausgebildete aus dem Berufsleben aus. Es rückten aber nur 7,5 Millionen jüngere Menschen mit Berufsbildung nach.

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Zum Anstieg der Studentenzahlen, der an keiner Uni mehr zu übersehen ist, kommt als zweite Inflation der wundersame Anstieg der Durchschnittsnoten. Die Noteninflation beginnt an den Schulen und setzt sich an den Hochschulen fort. Kürzlich hat das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) in einer Studie „einen allgemeinen Trend zu einer immer häufigeren Vergabe der Bestnote ‚summa cum laude‘ ("mit höchstem Lob") bei Promotionen festgestellt.

Wurden im Zeitraum von 2001 bis 2003 noch 16 Prozent der Promotionen (ohne Medizin und Pharmazie) mit „summa“ bewertet, waren es von 2010 bis 2012 bereits 21 Prozent. An einzelnen Universitäten ist der Anteil der summa-Promotionen in diesen Jahren geradezu atemberaubend gestiegen: An der als Elite-Schmiede geltenden WHU Otto Beisheim School of Management von 13 auf 59 Prozent oder an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht von 14 auf 51 Prozent.

Darüber hinaus wird für mehr als die Hälfte aller Promotionen in Deutschland noch das zweitbeste Prädikat ‚magna cum laude‘ ("mit großem Lob") vergeben. Nur mit einem einfachen Lob ("cum laude") gehört man als Doktor heute zu denen, die gerade mal so durchgekommen sind. Die Note "rite" (befriedigend) kommt kaum noch vor.

Für Bachelor- und Master-Abschlüsse gilt, so Stefan Hornbostel, Leiter des IFQ, dasselbe: "Die Noten verlieren mehr und mehr an Wert. Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, wenn Arbeitgeber und weiterführende Bildungseinrichtungen verstärkt auf eigene Auswahlverfahren setzen und sich weniger auf die zertifizierenden Einrichtungen verlassen. Schulen und Hochschulen verschenken zunehmend ihre Definitionsmacht über Qualität und Kompetenz."

Für Studenten bedeutet die Universität also zunehmend eine doppelte Enttäuschung: Sowohl in ihrer althergebrachten Funktion als Ort der humanen Bildung, als auch in ihrer Signal-Funktion für diejenigen, die zeigen wollen, dass sie zu den Besten gehören.  

Für diejenigen, die Ersteres suchen, bleiben an den heutigen Massenuniversitäten allenfalls schrumpfende Nischen übrig. Und diejenigen, die die große Karriere in der Wirtschaft machen wollen, müssen sich entweder durch eine als besonders elitär und exklusiv geltende Hochschule oder durch Aktivitäten außerhalb des Studiums auszuzeichnen versuchen. Also auf zum nächsten Praktikum!

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