Hochschulmarketing Wir sind die Tollsten!

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Gewiss, die Flucht der Hochschulen nach vorn ins mediale Scheinwerferlicht hat durchaus auch ihr Gutes: Unis werden zum überwiegenden Teil aus Steuern finanziert, sie sind den Bürgern Transparenz und Rechenschaft schuldig über das, was sie mit ihrem Geld anfangen. "Die Wissenschaft muss sich erklären, warum sie für die Gesellschaft, in der sie wirkt, wichtig ist", sagt Luise Dirscherl, Sprecherin der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Tatsächlich verweigerte mancher Professor noch vor wenigen Jahren Presseanfragen nach der Sinnhaftigkeit seiner Forschungsprojekte mit dem Verweis auf die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Forschung und Lehre. So ein Verhalten gehört zum Glück fast überall der Vergangenheit an – ebenso solche Universitäten, die ihre Studenten wie ungeliebte Antragsteller auf dem Amt behandeln. Stattdessen umwerben sie heute Studenten mit aufpolierten Studienangeboten. Doch was Kritiker wie der Bamberger Soziologieprofessor Richard Münch schon länger als Kommerzialisierung der Hochschulen beklagen, geht denn auch einen Schritt weiter als eine schlichte Öffnung: Das Erscheinungsbild und die Forschungsinhalte werden zunehmend ausgerichtet an dem, was größtmögliche Beliebtheit und die höchsten staatlichen Zuschüsse garantiert. "Die Exzellenzinitiative erzieht zur Aufschneiderei", sagt der frühere Berliner Wissenschaftssenator George Turner. "Alle behaupten von sich, spitze zu sein, jeder will den anderen übertrumpfen."

PR-Agenturen versichern dabei, die kundigsten Helfer zu sein. "Viele Hochschulen denken überhaupt nicht in Zielgruppen", sagt der Berliner Scholz-&-Friends-Mann Christof Biggeleben. "Das ist ihr Hauptproblem." Biggeleben hat im Auftrag von Bund und Ländern die Kampagne "Studieren in Fernost" konzipiert, mit der Weststudenten in die neuen Bundesländer gelockt werden sollen. Die Sache mit den Hochschulen, sagt er, sei folgende: "Meist sollen die Kampagnen den Rektoraten gefallen. Aber der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler." Sein Kollege Kai Panitzki vom für die RWTH zuständigen Düsseldorfer Friends-Büro sekundiert: "Dass britische und amerikanische Universitäten weiter vorn stehen in den internationalen Uni-Vergleichen, liegt nicht zwangsläufig daran, dass sie besser wären, sondern dass sie eine klare Kommunikationsstrategie haben."

Werbekampagnen von gestern

Was nützt der besten Uni ihre herausragende Qualität, wenn keiner sie sieht: Es ist genau diese Argumentation, mit der die vom Erwartungsdruck der Öffentlichkeit zunehmend überforderten Hochschulleitungen überzeugt werden sollen, dass sie ohne professionelle Agenturen nicht auftreten könnten. Am Ende geben sie dann einen immer größeren Anteil ihres Budgets für Marketingmaßnahmen her. Durch Studien nachgewiesen wurde deren Wirksamkeit bislang allerdings äußerst selten.

Was die Angelegenheit noch komplizierter macht: Zu den seriösen Agenturen und Beratern gesellt sich eine Vielzahl windiger Anbieter, die besonders mit Uni-Datenbanken im Internet schnellen Profit machen wollen. Jesco Heyl schätzt ihre Zahl mittlerweile auf über hundert. Einige von ihnen bieten nur eine unvollständige Übersicht über das Studienangebot der jeweiligen Hochschule, zusammenkopiert von verschiedenen Websites und kombiniert mit dem ebenfalls ohne Erlaubnis heruntergeladenen Uni-Logo. Per E-Mail offerieren die Website-Betreiber dann den Hochschulen, ihre Daten korrigieren zu lassen – gelegentlich schon das gegen Gebühr.

Längst ist dadurch eine Art Eskalationsspirale in Gang gekommen: Je mehr Universitäten Agenturen mit der Ausarbeitung einer PR-Strategie beauftragen, je mehr Hochschulen Hochglanzbroschüren für Hunderttausende Euro drucken lassen, je mehr E-Mails seriöser und weniger seriöser Anbieter in den Online-Postfächern eintrudeln, desto größer wird die Erklärungsnot jener Rektoren und Hochschulsprecher, die sich bislang der von den Agenturen viel beschworenen "klaren Kommunikationsstrategie" entzogen haben.

Die Verwirrung der Verantwortlichen in den Hochschulen ist mit Händen zu greifen – und verleitet zu Aktionismus. Warum etwa haben die bereits mit der Exzellenzkrone versehenen Göttinger geschätzte 800.000 Euro in eine Imagekampagne gesteckt, die mit großflächigen Printanzeigen und Online-Werbebannern in Zeiten Sozialer Netzwerke reichlich gestrig daherkommt? Eine Kampagne noch dazu, die mit ihrem Slogan "Freiraum für neues Denken" für alles und nichts zu werben scheint? Man habe sich bewusst für einen "unkonventionellen Weg" entschieden und Menschen "auf besondere Weise" ansprechen wollen, erklärt Uni-Sprecher Bernd Ebeling. "Bei der Konzeption und der Auswahl der Medien haben wir aber auch auf die Einschätzung der Agentur vertraut. Die sind auf dem Gebiet Experten." Die besagte Agentur verweist wiederum auf die Uni: Die Frage nach der Sinnhaftigkeit, wenn Hunderttausende von Euro statt in Lehre und Forschung in Print- und Online-Anzeigen gingen, sei "eine Frage, der sich nur die Universität Göttingen stellen kann", sagt der DDB-Chef Tonio Kröger.

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