Astronaut wollte ich nie werden. Weit weg, irgendwo im Weltall, in einer kleinen Kapsel eingesperrt sein und Experimente ausführen, deren Sinn ich nicht verstehe, schien mir schon als kleiner Junge wenig erstrebenswert. Und dann die höllische Astronauten-Ausbildung, die ich in der Sendung mit der Maus gesehen hatte. In einer Zentrifuge, mit dem mehrfachen des Eigengewichts durch die Gegend geschleudert zu werden und gleichzeitig kryptische Kommandos ins Mikrofon schreien, fand ich wenig attraktiv und auch heute noch beneide ich Astronauten, bis auf ihren Ausblick auf den blauen Planeten wenig. Dann doch lieber Schiffskapitän werden. Am besten auf einem großen Segelschiff und in schicker weißer Uniform gemeinsam mit einer Heerschar von Matrosen Kap Horn umsegeln. Das erschien mir schon als Grundschüler erstrebenswert. Der Berufsalltag als Kapitän auf einem großen Schiff könnte durchaus etwas sein, dachte ich mir.
Doch wie bei allen Traumberufen hat auch der Kapitän mit zunehmendem Alter an Strahlkraft verloren. Los ging es mit den Berichten über die Gorch Fock, über die harte Ausbildung an Bord, den teilweise widerwärtigen Ritualen und der Unterdrückung einzelner Rekruten, die offenbar vom Kapitän geduldet wurden. Ob da der Beruf des Kapitäns auf hoher See wirklich so romantisch ist? Als ich ein wenig später das erste Mal seekrank wurde, zweifelte ich noch stärker an meinem Wunsch, einmal als Kapitän die Weltmeere bereisen zu wollen. Wohl gemerkt: Als ich seekrank über der Reling hing, war ich nicht auf einer Überfahrt auf der Nordsee mit riesigen Wellen und Sturmböen unterwegs sondern auf dem Bodensee, die Wellen nur wenige Zentimeter hoch, der Wind fast nicht zu spüren.
So finden Sie den richtigen Beruf
Eine große Karriere beginnt bereits in der Schule und in der Universität. Doch junge Menschen finden sich im Dickicht der Berufswahl oft nicht gut zurecht. Svenja Hofert hat einen sehr nützlichen Ratgeber geschrieben, um die Probleme zu umschiffen („Am besten wirst du Arzt“, Campus Verlag). Die Expertin für neue Karrieren hat bereits zahlreiche Bestseller geschrieben. Es folgen einige ihrer Ratschläge in der Kurzfassung.
Immer mehr Deutsche haben Angst vor einer (zu) niedrigen Schulbildung ihrer Kinder. Doch die Expertin rät: „Es macht keinen Sinn, einen jungen Menschen durch das Gymnasium zu prügeln.“ Es gibt Lerntypen, die dort nicht hinpassen und auf anderem Weg eine tolle Karriere starten.
Eine junge Persönlichkeit muss lernen, was sie kann – und was (noch) nicht. Feedback ist in der Erziehung extrem wichtig, sowohl Lob als auch Kritik. Stellen Sie Fragen wie „Was hast du richtig gern gemacht?“ oder „Warum hast du die Zeit vergessen?“ und fordern Sie genaue Antworten ein. Kinder sollten auch die Dinge tun, die ihnen schwerfallen und ihr Können aufschreiben. Die tatsächlichen Interessen finden sich am besten durch viel Lesen und intensive Gespräche.
Kinder sind manchmal einfach faul. Kaum eines übt freiwillig jeden Tag auf einem Instrument oder engagiert sich erheblich über das minimale Maß hinaus. Geld oder sonstige extrinsische Anreize haben oft nur kurzfristige Wirkung. Besser ist, gesunde Neugier zu wecken oder schlicht das Kind zu fragen, wie man es motivieren könnte.
Wenn junge Menschen eine feste, möglichst dauerhafte Position in einem Unternehmen anstreben, sollten sie eher auf das duale Pferd setzen als auf eine reine Ausbildung. Nicht ratsam ist das duale Studium, wenn ein starkes thematisches Interesse vorhanden ist. Dann lieber studieren und sich währenddessen beruflich orientieren.
Es gibt immer mehr Studiengänge und immer mehr, die nichts taugen. Durch die Umstellung auf Bachelor und Master ist es grundsätzlich flexibler geworden – bei allen Nachteilen ist die Kombinierbarkeit ein großer Vorteil. In Zukunft wird es eine stark steigende Anzahl von Biografien geben mit zwei oder drei Studiengängen. Vorsicht vor dem Schweinezyklus: Einige Studiengänge werden nach einer Phase von zu wenig Nachfrage gern rasch überlaufen.
Da gibt es keine einheitliche Antwort. Einige Studenten sollten nach dem Bachelor – also dem Grundlagenstudium – eher Erfahrungen im Berufsleben machen, andere direkt noch den Master folgen lassen. Entscheidend ist die intrinsische Motivation, also die persönliche Neigung zum Lernen. Studien belegen, dass Bachelor-Absolventen immer bessere Einstiegschancen haben.
Studenten haben viele Möglichkeiten, sich nebenbei weiterzuentwickeln. Ein Auslandssemester lohnt sich umso mehr in einem Land, in das nicht alle gehen und wo nicht nur unter Deutschen gefeiert wird. Der Nebenjob sollte nicht nur Geld bringen, sondern auch etwas für den eigenen Berufswunsch. Ein Ehrenamt macht sich immer gut und ein Praktikum sollte es während des Bachelor-Studiums mindestens sein. Dabei wäre es gut, wenn das Unternehmen Relevanz am Arbeitsmarkt hat.
Jobs an sich kann man in der Regel nicht zukunftssicher bezeichnen, denn es hängt allzu sehr vom Individuum ab. Also davon, was er oder sie kann und bereit ist, zu investieren. Grundsätzlich sollte man bei der Auswahl Wunsch und Wirklichkeit strikt trennen. Wie das genau geht, lesen Sie weiter unten! Bei neuen Berufen sollten Sie nachschauen, ob es sich um einen anerkannten Ausbildungsberuf handelt.
"Seekrank werden am Anfang der Ausbildung viele, aber das geht nach ein paar Tagen weg", ermutigt mich Uwe Jepsen. Er muss es wissen. Der 64-Jährige begann 1969 seine Ausbildung zum Kapitän und fuhr rund 20 Jahre zur See, bevor er sich für den ruhigeren Job als Lotse an Lübecks Küste entschied. Heute ist Jepsen Lotsenobmann in Lübeck und Präsident des Bundesverband der See- und Hafenlotsen. Anfangs seekrank sein ist also kein Problem, vielmehr spielen andere Eigenschaften eine wichtige Rolle, erklärt Jepsen: "Sie müssen enorm teamfähig sein und echte Führungsqualitäten haben." Was zunächst wie das wenig sagende Anforderungsprofil einer Stellenausschreibung für Nachwuchsunternehmensberater klingt, hat auf hoher See essentielle, überlebensentscheidende Bedeutung. Denn auch wenn Container-und Kreuzfahrtschiffe heute mit allerlei Navigations-und Kommunikationstechnik ausgerüstet sind, trägt in letzter Instanz der Kapitän die volle Verantwortung mit allen Konsequenzen: für das Schiff, die Ladung, die Personen an Bord.
"In einer Gefahrensituation ist man als Kapitän wie der Messias an Bord – alle zählen darauf dass der Kapitän das Richtige tut", erklärt Jepsen. Als in sein Containerschiff bei einer Überfahrt auf dem englischen Kanal einmal Wasser eindrang, brach Chaos an Bord aus. "Die philippinischen Mannschaftsmitglieder an Bord kamen auf die Brücke, legten ihre Rettungswesten an und begannen den Rosenkranz zu beten", erinnert sich Jepsen. In dieser Situation entschied er die geplante Route zu verlassen, umzudrehen und den nächsten Hafen an der Küste der Niederlande anzulaufen – alle überstanden den Wassereinbruch unbeschadet.
Zwei Wege zum Traumjob auf See
Doch wie werde ich eigentlich Kapitän, wie bereite ich mich auf solche Extremsituationen vor? Dazu gibt es zwei Wege, wie Christof Schwaner vom Verband Deutscher Reeder (VDR) erklärt. Der eine Weg führt über die Fachhochschule mit einem Bachelorabschluss in Nautik, der andere über die Fachschule und ist eine Ausbildung an dessen Ende der Absolvent staatlich geprüfter Techniker ist. Anschließend steht das sogenannte Befähigungszeugnisse Nautischer Wachoffizier an. Als nautische Wachoffiziere überwachen die zukünftigen Kapitänsaspiranten dabei die Sicherheitseinrichtungen des Schiffs oder kümmern sich um die Instandhaltung von Navigationsgeräten und Seekarten.
In der nächsten Stufe, als sogenannter nautischer Offizier wird vor allem auf der Brücke, der Kommandozentrale des Schiffs gearbeitet, der nautische Offizier navigiert das Schiff in Vertretung für den Kapitän oder kontrollieren das Be- und Entladen im Hafen. Insgesamt ist der Kapitänsanwärter während diesem Teil der Ausbildung drei Jahre auf See unterwegs. Nachdem er dabei mindestens ein Jahr als nautischer Offizier, sozusagen als Stellvertreter des Kapitäns, zur See gefahren ist, hat er die Befähigung als Kapitän zur See zu fahren. Jedoch braucht, wer Kapitän sein will, zunächst ein Schiff. Wer das führt, entscheiden die Inhaber, die Reedereien. Und die wollen Kapitäne mit Erfahrung, denn gerade das Verhalten in Extremsituation lässt sich nur schwer trainieren.
"Auf einem Schiff ist es entscheidend, wie sich die Menschen in Gefahr verhalten. Da brauchen sie Erfahrung, um auch in kritischen Situationen die Ruhe zu bewahren und die richtigen Entscheidungen zu treffen", sagt Christof Schwaner. Deswegen wird kaum ein Seemann, der theoretisch Kapitän sein könnte direkt der Chef eines Schiffes. "Wenn Sie den ‚Führerschein‘ haben, wird Ihnen nicht gleich ein ganzes Schiff übertragen. Sie haben Verantwortung für die Crew, die Umwelt und riesige Werte", sagt Schwaner. Erfahrung ist also, wie in vielen anderen Berufen auch, essentiell. Daher empfiehlt Schwaner vom VDR, vor der Ausbildung zum Kapitän noch eine Lehre zum Schiffsmechaniker zu machen. "Da lernt man das Schiff sozusagen von Grund auf kennen."
Junge Menschen, die ernsthaft mit dem Gedanken spielen später professionell zur See zu fahren, empfiehlt Christof Schwaner ein Praktikum auf dem Schiff. So bietet beispielsweise der deutsche Reederverband mit dem sogenannten Ferienfahrer-Programm Schülern die Möglichkeit, in den Ferien einige Wochen die professionelle Schifffahrt kennenzulernen. Wer dann immer noch Kapitän werden will, sollte gewisse mathematische Kenntnisse mitbringen, auch die englische Sprache sollte Interessenten nicht fremd sein. Daneben sollte man mit einer gewissen Einsamkeit keine Probleme haben. Heute fahren Kapitäne meist vier bis sechs Monate durchgängig zu See, anschließend haben sie zwei bis drei Monate Urlaub. "Sie leben und arbeiten an einem Ort und haben auf See oft nur per E-Mail Kontakt zu ihrer Familie", gibt Schwaner zu Bedenken. Wer es also gewohnt ist, nach Feierabend mit Freunden bei einem Bier den Berufsalltag hinter sich zu lassen, muss an Bord auf diese Möglichkeit verzichten, das Büro reist sozusagen immer mit.
Ebenso ist Menschenscheu auf einem Schiff fehl am Platz. "Es sind eigentlich immer unterschiedliche Nationen an Bord, Menschen und Kulturen, die sie vorher nicht unbedingt kennen. Es kann sogar vorkommen, dass Sie der einzige Deutsche an Bord sind", sagt Schwaner.
Verlockende Berufsaussichten
Uwe Jepsen kennt das unstete Leben fern von der Familie gut: "Als ich zur See gefahren bin, habe ich meine kleine Tochter oft monatelang nicht gesehen. Als ich zum Urlaub nach Hause kam, hat sie mich oft erst einmal nicht erkannt." Diese Abgeschnittenheit vom bekannten Umfeld sei heute für viele ein Grund, nicht Kapitän werden zu wollen, glaubt er. "Heute ist es nicht mehr wichtig wo die Reise hingeht, sondern ob das Schiff eine gute Internetverbindung hat." Außerdem seien dank Billigairlines und Co. die Möglichkeiten die Welt zu bereisen heute viel einfacher und günstiger als noch vor dreißig Jahren. "Der Anreiz als Kapitän fremde Länder kennen zu lernen ist also nicht mehr da." Außerdem sei heute oft gar keine Zeit mehr die bereisten Länder wirklich kennen zu lernen, dank moderner Verladetechnik mit Containern blieben die meisten Schiffe nur wenige Stunden im Hafen. Mehr als ein kurzer Hafenspaziergang sei da meist nicht drin.
Gleichzeitig steckt die deutsche Seefahrt in einer Krise, seit 2008 müssen Reedereien um Aufträge und gegen die erstarkende Konkurrenz aus dem Ausland kämpfen. Gleichzeitig werden Frachtschiffe immer größer und können dank moderner Technik mit immer weniger Personal betrieben werden. Waren nach Angaben des VDR 1970 noch rund 2600 Schiffe unter deutscher Flagge unterwegs, so sind es heute nur noch knapp 450 die aber gleichzeitig wesentlich höhere Gütermengen als noch vor 40 Jahren transportieren. Dennoch ist die Anzahl der Berufseinsteiger in der Seeschifffahrt in den vergangenen Jahren recht stabil. Nach Auskunft des VDR haben sich in den vergangenen zehn Jahren alljährlich zwischen 300 und 400 junge Männer und Frauen für einen Berufseinstieg in der Seeschifffahrt entschieden. Dabei dürfte die Vergütung für Kapitäne eine auch nicht unerhebliche Rolle spielen. Der Tarifvertrag für die deutsche Seeschifffahrt schreibt ein Bruttogehalt von monatlich mehr als 6000 Euro vor.
Außerdem locken die Berufsaussichten nach einigen Jahren auf See. "Viele Kapitäne, die einige Jahre zur See gefahren sind, landen anschließend in attraktiven leitenden Jobs in Reedereien, Hochschulen, bei Dienstleister, den Losten oder in der Schifffahrtsverwaltung", erklärt Christof Schwaner. Der Landbetrieb komme ohne erfahrene Seeleute gar nicht aus, so seine Einschätzung. Denn gerade die hohe Teamfähigkeit, gepaart mit interkultureller Erfahrung und einer hohen Stressresistenz sind Eigenschaften, die Arbeitgeber hoch schätzen. Uwe Jepsen vom Bundesverband der See-und Hafenlotsen ergänzt: "Ich kenne viele Berufseinsteiger, die bewusst einige Jahre das unstete Leben auf See in Kauf nehmen wegen der Aussicht später in einen vergleichbar dotierten Job, wie den der Hafenlotsen zu wechseln, bei dem man abends nach Hause kommt."
Für Jepsen hat sich das Berufsbild des Kapitäns in den letzten Jahren enorm gewandelt. "Aufgrund all der modernen Geräte ist der Job heute viel technischer als vor noch rund 40 Jahren." Er findet dennoch, dass trotz aller Veränderung, trotz Schifffahrtskrise und weniger Landgängen, Kapitän ein Traumberuf ist: "Wenn sie als junger Mensch bereit sind Verantwortung zu übernehmen ist die Arbeit als Kapitän eine sehr schöne Aufgabe mit vielen Herausforderungen." Wer sich für solch eine Aufgabe bereit fühle, könne schnell aufsteigen und in der Seefahrt Karriere machen. Außerdem ist seiner Meinung nach die hohe See das letzte, unberührte Stück Erde "und Sie als Kapitän müssen ihr Schiff sicher von Hafen zu Hafen bringen, das ist wirklich erfüllend." Denn auch wenn sich die Technik beständig verbessert, Abläufe optimiert und der Zeitdruck immer größer wird: "Das Gefühl, wenn Sie den letzten Hafen eines Kontinents hinter sich lassen und die Reise über See antreten, wird wohl bei allen Veränderungen immer gleich bleiben", freut sich Jepsen.