Kindheitstraum Warum der Beruf des Kapitän immer noch ein Traumberuf ist

Den Stadttrubel hinter sich lassen, andere Länder und Menschen kennen lernen und ein großes Schiff befehligen – auch wenn sich der Beruf des Kapitäns in den vergangenen Jahren stark gewandelt hat, ist er gerade für Jüngere immer noch ein Traumjob.

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Was Kinder einmal arbeiten möchten
Platz 10Die Automobilbranche dominiert die Top 10. Vier Automobilhersteller zählen zu den zehn beliebtesten Arbeitgebern der Schüler, darunter Daimler / Mercedes Benz. 5,8 Prozent der deutschen Schüler würden hier später gerne einmal arbeiten.Datenquelle: Für das Schülerbarometer hat Trendence rund 13.000 Schüler aus den Klassen 8 bis 13 befragt.Stand: Oktober 2015 Quelle: dpa
Platz 8Audi ist in der Beliebtheitsskala stark nach unten gerauscht: Landete der Autokonzern im Vorjahr auf Platz 4, kann er nun nur noch den achten Rang behaupten. 5,5 Prozent der befragten 10.000 Schüler würden später gerne einmal bei Audi arbeiten. Quelle: dpa
Platz 2Ob sie wohl von der großen Moderatoren-Karriere träumen? Jedenfalls wünschen sich 9,2 Prozent der befragten Schüler einen Job bei der ProSiebenSat.1 Media AG. Quelle: dpa
Platz 7Während bei Informatikstudenten Google und Apple die beliebtesten Arbeitgeber sind, tauchen sie bei Schülern in der Top Ten gar nicht auf. Stattdessen landet der Konkurrent Microsoft auf Rang sieben der Beliebtheitsskala. Der Traumberuf wäre das bei 5,9 Prozent der Kinder. Quelle: dpa
Platz 6Ein Job bei Adidas - davon träumen 6,4 Prozent der Schüler in den Klassen 8 bis 13. Quelle: dpa
latz 5Auch die Lufthansa erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit beim Nachwuchs: 7,6 Prozent der Schüler aus den Klassen 8-13 würden gerne für die Fluggesellschaft mit Sitz in Köln arbeiten. Quelle: dpa
Platz 9Dicht davor steht die Porsche AG: bei 5,3 Prozent der Kinder liegt der Traumjob bei dem Autobauer. Quelle: dpa

Astronaut wollte ich nie werden. Weit weg, irgendwo im Weltall, in einer kleinen Kapsel eingesperrt sein und Experimente ausführen, deren Sinn ich nicht verstehe, schien mir schon als kleiner Junge wenig erstrebenswert. Und dann die höllische Astronauten-Ausbildung, die ich in der Sendung mit der Maus gesehen hatte. In einer Zentrifuge, mit dem mehrfachen des Eigengewichts durch die Gegend geschleudert zu werden und gleichzeitig kryptische Kommandos ins Mikrofon schreien, fand ich wenig attraktiv und auch heute noch beneide ich Astronauten, bis auf ihren Ausblick auf den blauen Planeten wenig. Dann doch lieber Schiffskapitän werden. Am besten auf einem großen Segelschiff und in schicker weißer Uniform gemeinsam mit einer Heerschar von Matrosen Kap Horn umsegeln. Das erschien mir schon als Grundschüler erstrebenswert. Der Berufsalltag als Kapitän auf einem großen Schiff könnte durchaus etwas sein, dachte ich mir.

Doch wie bei allen Traumberufen hat auch der Kapitän mit zunehmendem Alter an Strahlkraft verloren. Los ging es mit den Berichten über die Gorch Fock, über die harte Ausbildung an Bord, den teilweise widerwärtigen Ritualen und der Unterdrückung einzelner Rekruten, die offenbar vom Kapitän geduldet wurden. Ob da der Beruf des Kapitäns auf hoher See wirklich so romantisch ist? Als ich ein wenig später das erste Mal seekrank wurde, zweifelte ich noch stärker an meinem Wunsch, einmal als Kapitän die Weltmeere bereisen zu wollen. Wohl gemerkt: Als ich seekrank über der Reling hing, war ich nicht auf einer Überfahrt auf der Nordsee mit riesigen Wellen und Sturmböen unterwegs sondern auf dem Bodensee, die Wellen nur wenige Zentimeter hoch, der Wind fast nicht zu spüren.

So finden Sie den richtigen Beruf

"Seekrank werden am Anfang der Ausbildung viele, aber das geht nach ein paar Tagen weg", ermutigt mich Uwe Jepsen. Er muss es wissen. Der 64-Jährige begann 1969 seine Ausbildung zum Kapitän und fuhr rund 20 Jahre zur See, bevor er sich für den ruhigeren Job als Lotse an Lübecks Küste entschied. Heute ist Jepsen Lotsenobmann in Lübeck und Präsident des Bundesverband der See- und Hafenlotsen. Anfangs seekrank sein ist also kein Problem, vielmehr spielen andere Eigenschaften eine wichtige Rolle, erklärt Jepsen: "Sie müssen enorm teamfähig sein und echte Führungsqualitäten haben." Was zunächst wie das wenig sagende Anforderungsprofil einer Stellenausschreibung für Nachwuchsunternehmensberater klingt, hat auf hoher See essentielle, überlebensentscheidende Bedeutung. Denn auch wenn Container-und Kreuzfahrtschiffe heute mit allerlei Navigations-und Kommunikationstechnik ausgerüstet sind, trägt in letzter Instanz der Kapitän die volle Verantwortung mit allen Konsequenzen: für das Schiff, die Ladung, die Personen an Bord.

"In einer Gefahrensituation ist man als Kapitän wie der Messias an Bord – alle zählen darauf dass der Kapitän das Richtige tut", erklärt Jepsen. Als in sein Containerschiff bei einer Überfahrt auf dem englischen Kanal einmal Wasser eindrang, brach Chaos an Bord aus. "Die philippinischen Mannschaftsmitglieder an Bord kamen auf die Brücke, legten ihre Rettungswesten an und begannen den Rosenkranz zu beten", erinnert sich Jepsen. In dieser Situation entschied er die geplante Route zu verlassen, umzudrehen und den nächsten Hafen an der Küste der Niederlande anzulaufen – alle überstanden den Wassereinbruch unbeschadet.

Zwei Wege zum Traumjob auf See

Doch wie werde ich eigentlich Kapitän, wie bereite ich mich auf solche Extremsituationen vor? Dazu gibt es zwei Wege, wie Christof Schwaner vom Verband Deutscher Reeder (VDR) erklärt. Der eine Weg führt über die Fachhochschule mit einem Bachelorabschluss in Nautik, der andere über die Fachschule und ist eine Ausbildung an dessen Ende der Absolvent staatlich geprüfter Techniker ist. Anschließend steht das sogenannte Befähigungszeugnisse Nautischer Wachoffizier an. Als nautische Wachoffiziere überwachen die zukünftigen Kapitänsaspiranten dabei die Sicherheitseinrichtungen des Schiffs oder kümmern sich um die Instandhaltung von Navigationsgeräten und Seekarten.

In der nächsten Stufe, als sogenannter nautischer Offizier wird vor allem auf der Brücke, der Kommandozentrale des Schiffs gearbeitet, der nautische Offizier navigiert das Schiff in Vertretung für den Kapitän oder kontrollieren das Be- und Entladen im Hafen. Insgesamt ist der Kapitänsanwärter während diesem Teil der Ausbildung drei Jahre auf See unterwegs. Nachdem er dabei mindestens ein Jahr als nautischer Offizier, sozusagen als Stellvertreter des Kapitäns, zur See gefahren ist, hat er die Befähigung als Kapitän zur See zu fahren. Jedoch braucht, wer Kapitän sein will, zunächst ein Schiff. Wer das führt, entscheiden die Inhaber, die Reedereien. Und die wollen Kapitäne mit Erfahrung, denn gerade das Verhalten in Extremsituation lässt sich nur schwer trainieren.

Die größten Kreuzfahrtschiffe der Welt
Foto der Disney Dream Quelle: REUTERS
Foto der Carnival Dream Quelle: dpa
Platz 8: MSC Fantasia / Splendida / Divina / PreziosaGewicht: 137.936 BRZ Kabinen: 1637 Die vier Schiffe der Reederei MSC Kreuzfahrten sind vor allem auf dem Mittelmeer unterwegs. Als die MSC Fantasia 2008 in Dienst gestellt wurde, war sie  das größte Passagierschiff einer europäischen Reederei überhaupt. Mittlerweile haben andere aufgeholt. Quelle: PR
Foto der Voyager of the Seas" Quelle: dpa
Foto der Royal Princess Quelle: Creative Commons
Foto der "Norwegian Breakaway" Quelle: dpa
Foto der "Queen Mary 2" Quelle: AP

"Auf einem Schiff ist es entscheidend, wie sich die Menschen in Gefahr verhalten. Da brauchen sie Erfahrung, um auch in kritischen Situationen die Ruhe zu bewahren und die richtigen Entscheidungen zu treffen", sagt Christof Schwaner. Deswegen wird kaum ein Seemann, der theoretisch Kapitän sein könnte direkt der Chef eines Schiffes. "Wenn Sie den ‚Führerschein‘ haben, wird Ihnen nicht gleich ein ganzes Schiff übertragen. Sie haben Verantwortung für die Crew, die Umwelt und riesige Werte", sagt Schwaner. Erfahrung ist also, wie in vielen anderen Berufen auch, essentiell. Daher empfiehlt Schwaner vom VDR, vor der Ausbildung zum Kapitän noch eine Lehre zum Schiffsmechaniker zu machen. "Da lernt man das Schiff sozusagen von Grund auf kennen."

von Kristin Rau, Meike Lorenzen

Junge Menschen, die ernsthaft mit dem Gedanken spielen später professionell zur See zu fahren, empfiehlt Christof Schwaner ein Praktikum auf dem Schiff. So bietet beispielsweise der deutsche Reederverband mit dem sogenannten Ferienfahrer-Programm Schülern die Möglichkeit, in den Ferien einige Wochen die professionelle Schifffahrt kennenzulernen. Wer dann immer noch Kapitän werden will, sollte gewisse mathematische Kenntnisse mitbringen, auch die englische Sprache sollte Interessenten nicht fremd sein. Daneben sollte man mit einer gewissen Einsamkeit keine Probleme haben. Heute fahren Kapitäne meist vier bis sechs Monate durchgängig zu See, anschließend haben sie zwei bis drei Monate Urlaub. "Sie leben und arbeiten an einem Ort und haben auf See oft nur per E-Mail Kontakt zu ihrer Familie", gibt Schwaner zu Bedenken. Wer es also gewohnt ist, nach Feierabend mit Freunden bei einem Bier den Berufsalltag hinter sich zu lassen, muss an Bord auf diese Möglichkeit verzichten, das Büro reist sozusagen immer mit.

Ebenso ist Menschenscheu auf einem Schiff fehl am Platz. "Es sind eigentlich immer unterschiedliche Nationen an Bord, Menschen und Kulturen, die sie vorher nicht unbedingt kennen. Es kann sogar vorkommen, dass Sie der einzige Deutsche an Bord sind", sagt Schwaner.

Verlockende Berufsaussichten

Uwe Jepsen kennt das unstete Leben fern von der Familie gut: "Als ich zur See gefahren bin, habe ich meine kleine Tochter oft monatelang nicht gesehen. Als ich zum Urlaub nach Hause kam, hat sie mich oft erst einmal nicht erkannt." Diese Abgeschnittenheit vom bekannten Umfeld sei heute für viele ein Grund, nicht Kapitän werden zu wollen, glaubt er. "Heute ist es nicht mehr wichtig wo die Reise hingeht, sondern ob das Schiff eine gute Internetverbindung hat." Außerdem seien dank Billigairlines und Co. die Möglichkeiten die Welt zu bereisen heute viel einfacher und günstiger als noch vor dreißig Jahren. "Der Anreiz als Kapitän fremde Länder kennen zu lernen ist also nicht mehr da." Außerdem sei heute oft gar keine Zeit mehr die bereisten Länder wirklich kennen zu lernen, dank moderner Verladetechnik mit Containern blieben die meisten Schiffe nur wenige Stunden im Hafen. Mehr als ein kurzer Hafenspaziergang sei da meist nicht drin.

Gleichzeitig steckt die deutsche Seefahrt in einer Krise, seit 2008 müssen Reedereien um Aufträge und gegen die erstarkende Konkurrenz aus dem Ausland kämpfen. Gleichzeitig werden Frachtschiffe immer größer und können dank moderner Technik mit immer weniger Personal betrieben werden. Waren nach Angaben des VDR 1970 noch rund 2600 Schiffe unter deutscher Flagge unterwegs, so sind es heute nur noch knapp 450 die aber gleichzeitig wesentlich höhere Gütermengen als noch vor 40 Jahren transportieren. Dennoch ist die Anzahl der Berufseinsteiger in der Seeschifffahrt in den vergangenen Jahren recht stabil. Nach Auskunft des VDR haben sich in den vergangenen zehn Jahren alljährlich zwischen 300 und 400 junge Männer und Frauen für einen Berufseinstieg in der Seeschifffahrt entschieden. Dabei dürfte die Vergütung für Kapitäne eine auch nicht unerhebliche Rolle spielen. Der Tarifvertrag für die deutsche Seeschifffahrt schreibt ein Bruttogehalt von monatlich mehr als 6000 Euro vor.

Außerdem locken die Berufsaussichten nach einigen Jahren auf See. "Viele Kapitäne, die einige Jahre zur See gefahren sind, landen anschließend in attraktiven leitenden Jobs in Reedereien, Hochschulen, bei Dienstleister, den Losten oder in der Schifffahrtsverwaltung", erklärt Christof Schwaner. Der Landbetrieb komme ohne erfahrene Seeleute gar nicht aus, so seine Einschätzung. Denn gerade die hohe Teamfähigkeit, gepaart mit interkultureller Erfahrung und einer hohen Stressresistenz sind Eigenschaften, die Arbeitgeber hoch schätzen. Uwe Jepsen vom Bundesverband der See-und Hafenlotsen ergänzt: "Ich kenne viele Berufseinsteiger, die bewusst einige Jahre das unstete Leben auf See in Kauf nehmen wegen der Aussicht später in einen vergleichbar dotierten Job, wie den der Hafenlotsen zu wechseln, bei dem man abends nach Hause kommt."

Für Jepsen hat sich das Berufsbild des Kapitäns in den letzten Jahren enorm gewandelt. "Aufgrund all der modernen Geräte ist der Job heute viel technischer als vor noch rund 40 Jahren." Er findet dennoch, dass trotz aller Veränderung, trotz Schifffahrtskrise und weniger Landgängen, Kapitän ein Traumberuf ist: "Wenn sie als junger Mensch bereit sind Verantwortung zu übernehmen ist die Arbeit als Kapitän eine sehr schöne Aufgabe mit vielen Herausforderungen." Wer sich für solch eine Aufgabe bereit fühle, könne schnell aufsteigen und in der Seefahrt Karriere machen. Außerdem ist seiner Meinung nach die hohe See das letzte, unberührte Stück Erde "und Sie als Kapitän müssen ihr Schiff sicher von Hafen zu Hafen bringen, das ist wirklich erfüllend." Denn auch wenn sich die Technik beständig verbessert, Abläufe optimiert und der Zeitdruck immer größer wird: "Das Gefühl, wenn Sie den letzten Hafen eines Kontinents hinter sich lassen und die Reise über See antreten, wird wohl bei allen Veränderungen immer gleich bleiben", freut sich Jepsen.

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