Wohin nun mit dem Kind? Erzieherinnen und Erzieher in kommunalen Kindertagesstätten haben bundesweit die Arbeit niedergelegt. Sie fordern eine bessere Bezahlung. Beteiligen wollen sich auch Erzieher und Heilpädagoginnen in Heimen für Kinder und Jugendliche sowie Beschäftigte in Einrichtungen der Behindertenhilfe.
„Keine Frage, das wird Eltern hart treffen“, hatte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske bei der Ankündigung des Streiks eingeräumt. Zugleich verwies er aber darauf, dass viele Eltern durchaus Verständnis dafür gezeigt hätten, dass der Erzieher-Beruf aufgewertet werden müsse. „Und Wertschätzung drückt sich nun mal auch im Gehalt aus“, sagte Bsirske.
Fragen und Antworten zum Kita-Streik
Gewerkschaften und kommunale Arbeitgeber verhandeln nicht über eine prozentuale Tariferhöhung. Es geht darum, wie die Arbeit von Erzieherinnen und Sozialarbeitern bewertet und bezahlt wird. Die Gewerkschaften wollen durchsetzen, dass die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst mehrere Tarifstufen höher eingruppiert werden. Nach ihren Angaben hätte dies im Durchschnitt eine Gehaltserhöhung um zehn Prozent zur Folge.
Die Verhandlungen laufen nur für die bei den Kommunen beschäftigten Erzieher. Das ist laut Verdi etwa ein Drittel - zwei Drittel arbeiten für freie Träger wie Kirchen oder die Arbeiterwohlfahrt. Bei den freien Trägern orientieren sich die Arbeitgeber der Gewerkschaft zufolge am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, allerdings häufig mit Eingruppierungen unterhalb des Niveaus bei den Kommunen.
Mit dem Ausbau der frühkindlichen Bildung seien die Anforderungen an die Erzieherinnen stark gestiegen, betont Verdi. Eine entsprechende Bezahlung sei aber ausgeblieben. Auch die Bertelsmann Stiftung streicht die gewachsenen Ansprüche an Erzieherinnen heraus. „Das Anforderungsprofil entspricht dem von Grundschullehrern“, sagt Anette Stein, die bei der Stiftung Direktorin des Programms Bildungsinvestitionen ist. Die Bezahlung bleibe aber „deutlich“ hinter der von Grundschullehrern zurück.
Die Einstufung im Tarifsystem erfolgt nach Tätigkeit und Berufserfahrung. Eine Kinderpflegerin erhält als Anfangsgehalt 2043 Euro brutto im Monat, die Leiterin einer Kita kann, bei besonders großen Einrichtungen, bis zu 4749 Euro im Monat verdienen. Eine Erzieherin mit achtjähriger Tätigkeit bekommt nach Angaben von Verdi derzeit 2946 Euro im Monat, nach den Vorstellungen der Gewerkschaft soll sie künftig 3387 Euro erhalten.
Die meisten Erzieherinnen seien bereits jetzt in die höchste Erfahrungsstufe eingruppiert und hätten damit ein Monatsgehalt von 3289 Euro. Die kommunalen Arbeitgeber vergleichen die Bezahlung der Erzieherinnen mit der von Handwerkern im öffentlichen Dienst oder Brandmeistern bei der Feuerwehr. Das Einkommen des Ausbildungsberufs Erzieherin liege oberhalb dieser Gruppen.
Viele Kita-Beschäftigte haben in einer aktuellen Befragung eine schlechte Bezahlung und fehlende Wertschätzung beklagt. Das Vorurteil „wir spielen, basteln und betreuen die Kinder nur“ sei noch weit verbreitet. In einer beim Kitaleiter-Kongress am Mittwoch in Dortmund vorgestellten repräsentativen Umfrage gaben fast 88 Prozent der Befragten an, ihre Bezahlung entspreche nicht den gestiegenen Anforderungen an ihre Arbeit.
Die Einstufung im Tarifsystem der Erzieherinnen erfolgt nach Tätigkeit und Berufserfahrung. Eine Kinderpflegerin erhält als Anfangsgehalt 2043 Euro brutto im Monat, die Leiterin einer Kita kann, bei besonders großen Einrichtungen, bis zu 4749 Euro im Monat verdienen. Eine Erzieherin mit achtjähriger Tätigkeit bekommt nach Angaben von Verdi derzeit 2946 Euro im Monat, nach den Vorstellungen der Gewerkschaft soll sie künftig 3387 Euro erhalten.
Die Arbeitgeber erklären, die meisten Erzieherinnen seien bereits jetzt in die höchste Erfahrungsstufe eingruppiert und hätten damit ein Monatsgehalt von 3289 Euro. Die Arbeitgeber vergleichen die Bezahlung der Erzieherinnen mit der von Handwerkern im öffentlichen Dienst oder Brandmeistern bei der Feuerwehr. Das Einkommen des Ausbildungsberufs Erzieherin liege oberhalb dieser Gruppen. Auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, wies die Gehaltsforderungen zurück. „Derartige finanzielle Spielräume haben die Kommunen nicht, zumal die Eltern nicht mehr, sondern am besten gar keine Kindergartenbeiträge zahlen wollen“, sagte er der Oldenburger „Nordwest-Zeitung“.
Kinder sollen immer mehr lernen, aber niemand will bezahlen
Und hier liegt der Hase im Pfeffer: Die Kommunen können nicht zahlen, die Eltern wollen oder können es genauso wenig. Dafür verlangen beide, dass die Erzieherinnen und Erzieher aus den ihnen anvertrauten Kindern nicht nur wichtige Mitglieder der Gesellschaft machen, sondern sie auch in Mathematik, Naturwissenschaft, Sprache und Technik fördern - zumindest aber das Interesse daran wecken - sie sollen ihre Motorik verbessern, behinderte Kinder in die Gruppe integrieren, die Kinder musisch fördern, ihnen beibringen, wie man lernt und Kinder, die schlecht deutsch sprechen, auf die Schule vorbereiten und den Kindern eine gesunde Ernährung nahe bringen. Nebenher müssen sie Bewertungsbögen ausfüllen, Lernfortschritte dokumentieren, sich mit Eltern austauschen und Säuglinge versorgen.
Denn viele Erzieher und Erzieherinnen betreuen mittlerweile Kinder ab einem Alter von acht Wochen bis sechs Jahren. Sie helfen ihnen, sich in der Gruppe zurechtzufinden, und fördern sie in ihrer Entwicklung.
Schuld an den steigenden Anforderungen an die Erzieher und Pädagogen sind zum Einen die Eltern, die ihre Kinder immer früher in die Obhut anderer geben (müssen) und natürlich wollen, dass ihre Kinder optimal versorgt sind und gefördert werden. Es hängt auch mit der Pisa-Studie zusammen, dass Spielen und Basteln für Kleinkinder nicht mehr als ausreichend empfunden wird. Zwar wurde der Bildungsauftrag für Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe schon im Jahr 1990 im Kinder- und Jugendhilfegesetz KJHG (SGB VIII) verankert. Nach dem Pisa-Schock im Jahre 2001 wurde dann entschieden, dass die Kinder so früh und vor allem so gut wie möglich auf ihr späteres Leben vorbereitet werden müssen - und das funktioniert nur über Bildung.
Wer mit zwei schon lesen, schreiben, rechnen lernt, blamiert sich mit 15 nicht bei Pisa und macht mit 18 ein gutes Abitur. Also führten die Bundesländer Bildungs-und Erziehungspläne für die Kleinsten ein und Malkreide und Bauklötzchen wanderten vielerorts in den Schrank. Stattdessen soll gelernt werden. „Die Kindertageseinrichtungen des Elementarbereichs werden heute als unentbehrlicher Teil des öffentlichen Bildungswesens verstanden“, heißt es im gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen von 2004.
Können Sie diese PISA-Aufgaben lösen?
An Manuelas Schule führt der Physiklehrer Tests durch, bei denen 100 Punkte zu erreichen sind. Manuela hat bei ihren ersten vier Physiktests durchschnittlich 60 Punkte erreicht. Beim fünften Test erreichte sie 80 Punkte. Was ist Manuelas Punktedurchschnitt in Physik nach allen fünf Tests?
a) 64 Punkte
b) 72 Punkte
c) 68 Punkte
Fünf Seiten eines Würfels von drei Zentimetern Kantenlänge werden rot angestrichen, die sechste Fläche bleibt ohne Anstrich. Wie viel Prozent der Würfeloberfläche sind rot?
a) Etwa 60 Prozent
b) Etwa 83 Prozent
Wie tief ist der Tschadsee heute?
a) Etwa 15 Meter
b) Etwa fünfzig Meter
c) Etwa zwei Meter
Wie verändert sich das Gewicht auf der Waage wenn man beim Wiegen schwungvoll in die Knie geht?
a) Es ändert sich gar nichts an der Gewichtsangabe
b) Das Gewicht wird für diesen Moment höher angezeigt
c) Das Gewicht wird kurzzeitig geringer angezeigt
Die Temperatur im Grand Canyon reicht von unter 0 Grad bis über 40 Grad. Obwohl es sich um eine Wüstengegend handelt, gibt es in einigen Felsspalten Wasser. Wie beschleunigen diese Temperaturschwankungen und das Wasser in den Felsspalten die Zersetzung des Gesteins?
a) Gefrierendes Wasser dehnt sich in Felsspalten aus
b) Gefrierendes Wasser löst warmes Gestein auf
c) Wasser kittet Gestein zusammen
Wie wirkt es sich aus, wenn Sie eine dunkle Sonnenbrille ohne UV-Schutz tragen?
a) Es gelangen mehr UV-Strahlen ins Auge als ohne Brille.
b) Es gelangen weniger UV-Strahlen ins Auge als ohne Brille.
c) Es gelangen genau so viele UV-Strahlen ins Auge wie ohne Brille.
Frage 1: a
Frage 2: b
Frage 3: c
Frage 4: c
Frage 5: a
Frage 6: a
Was Erzieher Kindern beibringen müssen
So heißt es im "Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung" (Oktober 2003), dass Erzieherinnen folgende Aufgaben erfüllen müssen:
- Förderung individuumsbezogener Kompetenzen und Ressourcen bei Kindern, also von personalen, motivationalen, kognitiven und physischen Fähigkeiten,
- Förderung von Kompetenzen zum Handeln im sozialen Kontext, also von zwischenmenschlichen Fertigkeiten, von Werten und Orientierungskompetenz, von der Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme und der Bereitschaft zur demokratischen Teilhabe,
- Förderung der lernmethodischen Kompetenz, d.h. Kinder sollen lernen, wie man lernt,
- Förderung von Resilienz (Widerstandsfähigkeit),
- Begleitung des Übergangs von der Familie in die Kindertageseinrichtung und des Übergangs in die Schule,
- interkulturelle Erziehung,
- geschlechtsbewusste Erziehung,
- Förderung von Kindern mit Entwicklungsrisiken und (drohender) Behinderung,
- Förderung von Kindern mit Hochbegabung,
- ethische und religiöse Bildung,
- sprachliche Bildung,
- mathematische Bildung,
- naturwissenschaftliche und technische Bildung,
- Umweltbildung und -erziehung,
- Medienerziehung und elementare informationstechnische Bildung,
- ästhetische, bildnerische und kulturelle Bildung,
- musikalische Bildung,
- Bewegungserziehung,
- gesundheitliche Erziehung,
- Beobachtung und Dokumentation der Lern- und Entwicklungsprozesse des Kindes,
- Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern,
- Kooperation und Vernetzung mit anderen Stellen, Gemeinwesenorientierung,
- Abwendung von Gefährdungen des Kindeswohls
Und in Sachsen-Anhalt heißt es: "Durch die Beschäftigung mit den Inhalten aus den vorgegebenen Bereichen soll das Kind nicht nur bereichsspezifische, sondern vor allem übergreifende und grundlegende Kompetenzen und Persönlichkeitsressourcen erwerben." Aus den Kindergärtnerinnen von einst sind Lehrerinnen, Theologen, Ernährungsberater und Coaches geworden, die zusätzlich noch die Säuglingspflege und die Elternbetreuung übernehmen müssen. Und das alles, damit die Kinder schneller, besser und erfolgreicher lernen und ein perfekter Teil der Optimierungsgesellschaft zu werden.
Diese Sprachen werden am häufigsten in bilingualen Kitas angeboten
In Deutschlands bilingualen Kitas sind 21 verschiedene Sprachen vertreten: Die am häufigsten angebotene Fremdsprache ist Englisch in 437 Kitas (41 Prozent).
An zweiter Stelle steht Französisch in 318 Kitas (30 Prozent).
Es folgen mit Abstand Dänisch (57 Kitas in Schleswig-Holstein) und Spanisch (52 Kitas) mit je fünf Prozent.
Türkisch wird deutschlandweit in 42 Kitas gesprochen. Das entspricht einem Anteil von vier Prozent.
In 3,5 Prozent beziehungsweise 36 bilingualen Kitas wird Russisch gesprochen, in 32 Einrichtungen in Sachsen auch Sorbisch. Das entspricht einem Anteil von drei Prozent.
In 20 Kitas wird Italienisch gesprochen. Das entspricht zwei Prozent. Auch Plattdeutsch kommt auf zwei Prozent. Gesprochen wird es in 19 Kitas in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Mit weniger als einem Prozent sind Polnisch (acht Kitas), Griechisch (sieben Kitas), Tschechisch und Chinesisch (je sechs Kitas), Portugiesisch (fünf Kitas), Arabisch (vier Kitas), Japanisch (drei Kitas) und Niederländisch (zwei Kitas) vertreten. Außerdem gibt es in Deutschland noch je eine Kita mit Persisch, Hebräisch, Rumänisch und Schwedisch.
Die steigenden Anforderungen rächen sich oft auch bei der Gesundheit der Kindercoaches: Im DGB-Index Gute Arbeit bezeichnen nur acht Prozent der befragten pädagogischen Fachkräfte die Arbeits- und Einkommensbedingungen als gut, 63 Prozent als mittelmäßig, 29 Prozent bewerten sie als schlecht. Eine zu hohe Arbeitsintensität, Zeit- und Leistungsdruck prägen den Arbeitsalltag. Der DGB-Index weist vor allem bei Vollzeit-Beschäftigten aus, dass sie unter zu hoher Arbeitsintensität und Leistungsdruck leiden (62 Prozent versus 32 Prozent bei Teilzeit). Andere Studien wie die GEW-Studie (2007) mit 2.000 Befragten bestätigen diese Einschätzung zu psychischen Belastungen. Lärm und das Herumtragen von Kindern sorgen für körperliche Beschwerden. Entsprechend geben nur 13 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher an, während beziehungsweise unmittelbar nach der Arbeit keine gesundheitlichen Beschwerden zu empfinden. Nur 26 Prozent der Befragten glauben daran, gesund das Rentenalter zu erreichen.
Längst rufen Bildungswissenschaftler nach einer Akademisierung des Berufs - inhaltlich wäre das wahrscheinlich nicht unbedingt nötig, aber das Ansehen der Erzieher und deren Gehälter müssten dann wie von selbst steigen. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat deutliche Verbesserungen für Erzieher und Kinderpfleger bei den laufenden Tarifverhandlungen mit den Kommunen angemahnt. „Wir müssen langfristig die Löhne der Erzieherinnen und Erzieher auf das Niveau von Grundschullehrern anheben“, sagte Schwesig dem Deutschlandfunk.
Man werde einen solchen Gehaltssprung nicht mit einem Mal machen können. Schwesig betonte aber, dass die Betreuung von Kleinkindern deutlich mehr Wertschätzung erfahren müsse. Sie fordert: „Wir brauchen eine Debatte in Deutschland, wie viel uns die Arbeit mit Menschen und die frühe Bildung unserer Kinder wert ist.“ Vielleicht sollte man zusätzlich darüber nachdenken, wie viel Mathe, Chinesisch und Tanzunterricht ein Dreijähriger braucht.