MBA Heute Student, morgen Unternehmer

Viele Absolventen des Master of Business Administration träumen von einer Karriere in einer der großen Consultinggesellschaften, doch immer häufiger kommt es anders: Viele MBA-Absolventen gründen ein Unternehmen. An Förderern und Hilfen mangelt es nicht.

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Renate Echtermeyer Quelle: Werner Schüring

Cinto Gersie ist kein Typ, der ziellos durchs Leben streift – was sich auch in seiner Vita ausdrückt. Nach dem Abitur an einer Waldorfschule am Bodensee studiert der Sohn eines Deutschen und einer Niederländerin Betriebswirtschaftslehre an der Universität Maastricht, nach dem Bachelorabschluss bekommt er sofort einen Job im Einkauf des Ferienpark-Betreibers Center Parcs. Doch im Jahr 2006 sieht er dort keine Perspektive mehr – und Stillstand mag Gersie gar nicht. Dafür ist er zu ehrgeizig.

Sicher, der Job macht ihm Spaß, er lernt viel und mag die Kollegen. Allerdings will er die Karriereleiter hochkraxeln – und ihm wird bewusst, dass das bei Center Parcs nicht geht. Also entscheidet er sich dazu, noch einmal in den Hörsaal zurückzukehren – und hängt noch einen Master of Business Administration (MBA) an der Otto Beisheim School of Management in Vallendar (WHU) dran.

Hoffnung auf besseren Job

Bis hierhin klingt Gersies Werdegang zunächst einmal typisch für MBA-Anwärter. Fast alle haben bereits ein Erststudium erfolgreich beendet, viele danach einen festen Job gefunden – doch manche wollen noch mehr. Den einen fehlt es an wirtschaftlichem Wissen, die anderen wollen sich ein Netzwerk aufbauen, wieder andere beruflich umsatteln. Deshalb bewerben sie sich an einer deutschen, englischen oder amerikanischen Business School, in der Hoffnung, danach einen besseren Job zu finden. Einen, der mehr Chancen bietet und im Zweifelsfall vielleicht sogar auch mehr Geld. Nicht wenige landen nach dem MBA-Abschluss bei einer großen Unternehmensberatung oder gehen zu einer Investmentbank.

Vier eigene Mitarbeiter

Auch bei Cinto Gersie sah es danach aus, dass er dieses Klischee erfüllen würde. Als er 2006 mit dem MBA an der WHU begann, stand sein Ziel fest: Er wollte am liebsten zu einem der großen Consultinghäuser. McKinsey hätte ihm damals gefallen, die Boston Consulting Group ebenfalls. Eines jedoch wollte er nicht: sich nach der Weiterbildung selbstständig machen.

Heute ist er Chef seines eigenen Unternehmens – mit vier Mitarbeitern.

DAI-Labor der Technischen Quelle: dpa

So wie Gersie machen es inzwischen immer mehr MBA-Absolventen. Statt nach dem Studium bei einer Unternehmensberatung, einer Investmentbank oder einem internationalen Großkonzern anzuheuern, machen sie sich selbstständig. Und zwar nicht trotz, sondern gerade wegen der Weiterbildung – denn die Business Schools unterstützen den Unternehmergeist zunehmend. Auch in Deutschland.

Vor allem zwei Aspekte sind schuld daran, dass MBA-Absolventen das Gründerfieber packt. Zum einen bemüht sich derzeit die gesamte Hochschullandschaft in Deutschland, den Grundstein für mehr Selbstständigkeit schon während des Studiums zu legen. Staatliche Universitäten bieten Vorlesungen und Seminare zur Existenzgründung, Berater helfen bei Geschäftsplänen.

Sogar der Staat fördert das Unternehmertum: Das Bundeswirtschaftsministerium rief im vergangenen Jahr einen Wettbewerb als Bestandteil der Initiative „Gründerland Deutschland“ aus. Sinn der Sache: die besten Brutstätten für Jungunternehmer ausfindig zu machen.

Drei Sieger

83 Universitäten bewarben sich, im Juli kürte das Ministerium drei Sieger: Die Technische Universität Berlin, die Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg und die Hochschule für angewandte Wissenschaften in München bekommen nun als vorbildliche Gründer-Unis 3,2 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre.

Zugegeben, vielleicht nicht mehr als eine symbolische Summe. Aber eine, die die gestiegene Bedeutung des Unternehmertums verdeutlicht – und dieser Trend wirkt sich auch auf die Business Schools und ihre MBA-Kurse aus. Zumal sie gezwungen sind, aus der Not gewissermaßen eine Tugend zu machen.

Denn: Im Zuge der Finanzkrise litt das Image des MBA gewaltig. Und zwar vor allem deshalb, weil viele Manager einst ebenfalls die eigentlich elitäre Ausbildung absolvierten – und im späteren Berufsleben Großbanken in den Ruin trieben. Zudem sind die Stellen in der Hochfinanz inzwischen dünner gesät. Deshalb wollen sich viele geradezu nach anderen Optionen umsehen.

Andere Prioritäten

„Unternehmerische Fähigkeiten sind den MBA-Studenten zunehmend wichtig“, sagt auch Andrew Crisp, Gründer der auf den MBA-Bereich spezialisierten Marktforschung Carrington Crisp. Er befragte vor Kurzem 476 MBA-Studenten in 79 Ländern nach ihren Erwartungen. Erstmals landete „Entrepreneurship“, also Unternehmertum, unter den fünf wichtigsten Studieninhalten. Gleichzeitig legten die MBA-Anwärter weniger Wert auf einen möglichst hohen Gehaltssprung und achteten eher auf persönliche Weiterbildung.

Darauf hat sich die WHU in Rheinland-Pfalz schon eingestellt. Zwar ist das MBA-Programm wie die meisten anderen ebenfalls auf „General Management“ ausgelegt. Konkret: Die Studierenden sollen einen fundierten Überblick über alle Funktionsbereiche eines Unternehmens bekommen.

Gleichzeitig jedoch bekommen sie „Rüstzeug“ für eine spätere Selbstständigkeit. Die studentische Initiative IdeaLab beschäftigt sich mit Gründungen, Unternehmer berichten im Hörsaal regelmäßig von ihren Erfolgsrezepten, einmal im Jahr veranstaltet die WHU einen zweitägigen Kongress zu dem Thema. Außerdem bietet die Hochschule ein Wahlfach zum Thema „Entrepreneurship“.

Mineralwasser Foto: Jan Woitas Quelle: dpa

Dort wurde Cinto Gersie schon zu ‧Beginn des Studiums „angefixt“, wie er heute sagt. In einem weiteren Kurs sollte er eine Marktstudie erstellen – und beim Brainstorming kam seine Arbeitsgruppe damals spontan auf den Mineralwassermarkt: „Da fiel mir erstmals auf, wie interessant diese Branche ist“, sagt Gersie. Und so begann eine Reise, die ihn vom Hörsaal in Vallendar letztlich in ein Büro nach ‧Langenselbold führte.

In dem hessischen Städtchen hat das Unternehmen Departmentgreen seinen Hauptsitz, berühmt geworden durch das Modelabel „George, Gina & Lucy“ inklusive der beliebten Handtaschen.

Dessen Gründer Nicolas Neuhaus lernte Gersie während des MBA zufällig über einen Bekannten kennen. Neuhaus war damals gerade von einer Geschäftsreise aus den USA zurück und erzählte Gersie, dass es dort Wasser in verschiedenen Geschmacksrichtungen gebe – und so reifte in dem MBA-Studenten langsam die Idee, ein eigenes Unternehmen zu gründen.

Dabei war ihm die WHU durchaus behilflich. Die Auslandsmodule in den USA und China nutzte er gezielt zur Recherche – und seine MBA-Abschlussarbeit schrieb er schließlich über einen Geschäftsplan für „Ganic Water“. So heißt die Firma, die Gersie 2008 ins Leben rief.

Neun verschiedene Geschmackssorten

Dessen Konzept: Aus einer norwegischen Quelle transportieren Lastwagen Wasser in eine Fabrik nach Zwickau. Dort wird es mit Aroma angereichert. Für die Geschmacksrichtung Ingwer werden beispielsweise Ingwerknollen geschreddert, eingekocht und getrocknet. Aus dieser Masse wird dann ein Extrakt gefiltert und dem Wasser hinzugefügt. Dadurch ergibt sich der Geschmack – ohne künstliche Verstärker oder Konservierungsstoffe, ohne Süßstoff und Zucker.

Insgesamt neun verschiedene Geschmackssorten hat Gersie aktuell im Angebot – von Mango über Pflaume bis Preiselbeere. Derzeit gibt es das Wasser vor allem an Bahnhöfen und Flughäfen sowie in Coffeeshops zu kaufen. Auch Karstadt konnte Gersie bereits als Kunden gewinnen, weitere sollen in den kommenden Monaten folgen.

Kein schlechter Start.

Vermutlich wird Ganic Water in diesem Jahr 650 000 Flaschen produzieren, 2012 soll die Grenze von einer Million Flaschen überschritten werden.

Zugegeben, mit seiner Geschäftsidee ist Gersie ein Exot. Häufig betätigen sich MBA-Gründer im Internet. So wie die berühmtesten WHU-Absolventen, die Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer. Die Gründer des Ebay-Vorgängers alando.de und des Klingeltonanbieters Jamba sind heute mehrfache Millionäre.

Von solch einem Erfolg ist Renate Echtermeyer noch weit entfernt. Schon vor Beginn des Executive MBA an der Mannheim Business School im September 2007 hatte sie das feste Ziel, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Und bei der Suche nach einem guten Geschäftsmodell kam ihr ihre Vergangenheit zugute.

Echtermeyer, studierte Designerin, hatte unter anderem sechs Jahre lang als Produktmanagerin beim Modeunternehmen Betty Barclay gearbeitet – ein vielseitiger, aber auch stressiger Job mit zahlreichen Außenterminen, Geschäftsreisen und Überstunden. Zudem war sie nach ihrer Scheidung plötzlich alleinerziehende Mutter von drei Kindern – sie wusste also aus eigener Erfahrung nur allzu gut, wie schwierig es ist, Karriere und Familie miteinander zu vereinbaren.

Nur gut, dass das sogenannte „Entrepreneurial Project“ ein Kernelement des Mannheimer Executive MBA ist, den die Hochschule gemeinsam mit der französischen Essec bei Paris anbietet. Darin sollen die Studierenden in einer Gruppenarbeit ein Konzept für ein Unternehmen erarbeiten. Das Ergebnis, einen fertigen Businessplan, müssen sie vor einem Expertengremium verteidigen.

Vereinbarkeit von Job und Familie

Während dieses Projekts kam Echtermeyer in Kontakt mit der „Metropolregion Rhein-Neckar“. Der Wirtschaftsförderer hat es sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die Vereinbarkeit von Job und Familie zu verbessern. Mit der Organisation erstellte Echtermeyer eine Studie, bei der sie herausfand, dass Mitarbeiter im Durchschnitt 26 Minuten ihrer täglichen Arbeitszeit mit der Organisation privater Angelegenheiten verbringen – hochgerechnet auf ein Jahr sind das etwa elf ganze Arbeitstage.

Diese Zusammenarbeit bestärkte sie darin, dass ihre Geschäftsidee eine Zukunft haben könnte – und so machte sie sich nach ihrem Abschluss mit der Work-Life-Management GmbH selbstständig.

Deren Kernprodukt funktioniert so: Unternehmen, die mit ihr einen Vertrag schließen, bekommen einen Zugangscode zu einem Online-Portal. Darauf finden die Mitarbeiter auf einen Blick alle Dienstleister für die Bereiche Kinderbetreuung, Altenpflege und haushaltsnahe Dienstleistungen. Sie müssen also nicht lange nach einem geeigneten Babysitter, einer passenden Seniorenbetreuung oder einer verlässlichen Putzfrau suchen – sondern finden alle relevanten Angebote in einer Datenbank, die Echtermeyer vorher mit entsprechend seriösen und passenden Ansprechpartner gefüttert hat.

Unternehmerisches Denken

So ist sichergestellt, dass die Angestellten schneller und sicherer das bekommen, was sie für ihre Zwecke benötigen. Außerdem bekommen sie oftmals Sonderangebote für die Dienstleistungen. Echtermeyers Idee kommt bislang gut an. Seit Anfang des Jahres hat sie bereits fünf Unternehmen unter Vertrag genommen und inzwischen zehn Mitarbeiter fest angestellt. Derzeit verhandelt sie mit deutschen Großkonzernen über eine Zusammenarbeit.

Dabei hilft ihr vor allem „das unternehmerische Denken“, das sie an der Mannheim Business School gelernt hat. Offenbar funktioniert das inzwischen ganz gut: Etwa zehn Prozent der Studierenden eines Jahrgangs gründen nach dem Abschluss eine eigene Firma.

Ähnlich sind die Zahlen an der Handelshochschule Leipzig (HHL). Über 120 Unternehmen haben die Absolventen in den vergangenen Jahren gegründet, mehr als 2500 Jobs konnten dadurch geschaffen werden. Davon profitiert auch die Region, denn über 1100 davon entstanden in und um Leipzig herum.

Daniel Gollmann Quelle: DPA

Die MBA-Absolventen sollen die Hochschule ebenfalls mit dem Gründergen verlassen – oder, besser noch: es bereits am Anfang ihres Studiums haben. Im vergangenen Jahr etwa vergab die Uni erstmals ein MBA-Stipendium für passionierte Gründer. Wer seiner Bewerbung eine überzeugende Geschäftsidee beilegte oder bereits ein eigenes Unternehmen ins Leben gerufen hatte, dem erstattete die HHL Studiengebühren in Höhe von 15 000 Euro. Hätte es dieses Stipendium bereits vor sieben Jahren gegeben–Daniel Gollmann hätte gute Chancen gehabt.

Schon während des Mechatronikstudiums an der FH Merseburg in Sachsen-Anhalt tüftelte er an sogenannten Kommissioniersystemen. Dahinter verbergen sich industrielle Ordner und Schränke, wie sie unter anderem im Pharmagroßhandel und in Apotheken eingesetzt werden.

Der Anlass für die passionierte Tüftelei war privater Natur: Gollmanns damalige Freundin arbeitete als Apothekerin, und sie suchte nach einer Lösung, um die Lagerung der Medikamente besser, ordentlicher und schneller zu organisieren.

Lange Tradition

Die Frage ließ Gollmann nicht mehr los – auch nicht, als er sich für den MBA an der HHL einschrieb. Im Gegenteil: Sein Gründergeist wurde dort erst richtig geweckt. Während des Studiums sollte er in einem Kurs einen eigenen Businessplan ‧erstellen – und spätestens da stand für ihn fest, dass er sich nach dem MBA mit seiner Geschäftsidee selbstständig machen wollte.

Das tat er 2006, bereut hat er es nie. Im Gegenteil: Er gehört heute zu einem der erfolgreichsten HHL-Absolventen. Sein Unternehmen Gollmann Kommissioniersystem hat inzwischen 70 Mitarbeiter, Kunden in sieben Ländern und wird in diesem Jahr einen Umsatz von fast sechs Millionen Euro erzielen.

Gollmann reiht sich damit ein in eine ganze Reihe geschickter HHL-Unternehmer – denn die Handelshochschule Leipzig (HHL) hat eine lange Tradition als Gründerschmiede. Über 80 Unternehmen sind in den vergangenen Jahren von HHL-Absolventen gegründet worden, darunter auch die Gewinner des WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerbs 2008, SunCoal Industries.

Businessplan für Expansion in den USA

Gollmann weiß, was er seiner Alma Mater zu verdanken hat. Deshalb hält er den Kontakt mit der HHL. Im vergangenen Jahr war sein Unternehmen Teil eines Kurses. Eine Gruppe von MBA-Studenten entwickelte dort einen Businessplan für eine Expansion in die USA – und den nimmt Gollmann derzeit als Grundlage für den Ausbau des Geschäfts jenseits des Atlantiks.

MBA-Anwärter profitieren also nicht nur während des Studiums – sondern auch noch danach.

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