Theodor Heuss soll einmal gesagt haben, dass in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn das Wort „Zufall mit CV geschrieben“ werde. CV, das steht für den Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen. Zu diesem Akademikerverband gehören derzeit rund 4000 Studierende. Insgesamt hat der CV 30.000 Mitglieder in mehr als 120 Verbindungen in Belgien, Deutschland, der Schweiz, Italien, Japan, Kamerun und Polen. Der CV rühmt sich selbst, "zahlreiche Fach- und Führungskräfte sowie Verantwortungsträger aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik" unter seinen Mitgliedern zu haben. Der Star unter den "Alten Herren" der Verbindung dürfte Professor Doktor Joseph Ratzinger sein: Papst Benedikt XVI.
Seilschaften mit Nazi-Geschmack?
Vorteile, die Verbindungen – egal ob religiöse oder nicht - ihren Mitgliedern bringen, sind neben günstigen Zimmermieten, Freundschaft und Freizeitaktivitäten auch nützliche Kontakte. Die Franconia Münster beispielsweise, eine Burschenschaft, in der Bild-Chefredakteur Kai Diekmann Mitglied ist, wirbt auf ihrer Homepage ganz unbescheiden mit „Kontakten und Netzwerken mit generationenübergreifender Unterstützung z.B. beim Start ins Studien- oder Berufsleben“. Das scheint den Ruf von Studentenverbindungen als Karriereseilschaften zu bestätigen.
Verbindungen und Mitglieder
Die Korporation ist ein anderer Begriff für die Studentenverbindung, deren Mitglieder auch als Korporierte bezeichnet werden. Einen Teilbereich der Verbindungen stellen die Burschenschaften dar, die Studenten organisieren sich außerdem in Corps, religiösen Verbindungen, Turner-, Sänger- und Jägerbünden sowie Landsmannschaften. Dabei wird noch zwischen schlagenden und nichtschlagenden Verbindungen unterschieden. Bei den schlagenden Verbindungen gehört das akademische Fechten zum Verbindungsleben. In den meisten schlagenden Verbindungen ist das Fechten allerdings freigestellt.
Das Wort Burschenschaften wird gern synonym für Studentenverbindungen benutzt. Die Burschenschaften sind allerdings nur eine tradierte Form von Studentenverbindungen. Sie bekennen sich zu den Prinzipien der Urburschenschaft von 1815, wobei der inhaltliche Bezug stark variiert. Vielen haftet der Ruf an, rechts eingestellt oder frauenfeindlich zu sein.
Ein Neumitglied einer Verbindung im ersten Jahr wird als Fuchs oder Fux bezeichnet. In dieser Probezeit muss der Fuchs die Geschichte und Rituale seiner Verbindung lernen. Außerdem arbeiten die Füxe auf den Veranstaltungen der Verbindung und für ihre Verbindung. Wenn die Gemeinschaft ihn nach der Probezeit aufnehmen will, wird der Fuchs zum Burschen ernannt.
Die Aktivitas sind alle Aktiven einer Verbindung. Dazu zählen Füxe, Burschen und Philister.
Nach Ende des Studiums werden die Mitglieder der Verbindung zum Alten Herren oder zur Hohen Dame, sie werden auch als Philister bezeichnet. Nach ihrem Start ins Berufsleben müssen die Alten Herren ihre Verbindung durch einen Monatsbeitrag finanziell unterstützen.
Weniger schmeichelhaft ist dagegen der Ruf, frauenfeindlich oder rechtsradikal zu sein, der manchen Studentenverbindungen und vor allem Burschenschaften anhaftet. Der Wahlspruch vieler Verbindungen „Ehre, Freiheit, Vaterland“ beispielsweise geht auf die 1815 gegründete Urburschenschaft zurück und ist nicht unbedingt ein Beleg für braune Ideologie.
Vitamin B nicht um jeden Preis
Die reale Basis für den Ruf der Verbindungen als Karriereseilschaften ist deren Lebensbundprinzip. Wer einer Studentenverbindung beitritt, steht ganz am Anfang seines beruflichen Werdegangs. Doch mit dem Universitätsabschluss und dem Start ins Berufsleben ist man nicht automatisch raus aus der Verbindung. Als sogenannter Alter Herr oder Hohe Dame unterstützt das passive Mitglied die Verbindung sowohl finanziell als auch mit Rat und Tat. Hilfe unter den Bundesbrüdern ist Ehrensache. Und diese Kontakte zu den auch als Philistern bezeichneten passiven Mitgliedern können sich natürlich auch auf die spätere Karriere auswirken.
"Es gibt Wissenschaftler, die nachzuweisen versucht haben, dass Vitamin B ein sehr gutes Karrierekriterium ist", sagt Hilmar Sturm vom Institut für Verbandsforschung und -beratung SVV. Allerdings werde kein Personaler gern zugeben, solche Kontakte bevorzugt zu behandeln. "Das wirkt unprofessionell", so Sturm.
Wichtige Begriffe der Verbindungen
Die Farben einer Verbindung werden als Couleur bezeichnet. Hierbei gibt es noch die Unterscheidung zwischen den farbenführenden und den farbentragenden Verbindungen: Farbenführende Verbindungen führen bei Zusammenkünften ihre Wappen und Fahnen mit, farbentragende Verbindungen tragen die Wappenfarben an Mützen und Bändern.
Als Wichs wird die Festkleidung der Verbindungsstudenten bezeichnet, die beim Kommers, Umzügen und Feiern getragen wird. Dazu gehören: Schärpe, Jacke, Mütze, Gamaschen und Hose.
Als Pauken oder Mensur wird die studentische Fechtkunst oder das akademische Fechten bezeichnet, das bei schlagenden Verbindungen Pflicht ist. Narben von Verletzungen, die bei der Mensur entstehen, nennt man Schmiss.
Das heutige Wort Kneipe für Gaststätten geht auf die Kneipe der Studentenverbindungen zurück. Beim Bier trinken enden die Ähnlichkeiten aber auch schon. Die Kneipe ist eine traditionelle Verbindungsfeier, bei der nach den Regeln des Kneip-Comment Reden gehalten und Lieder gesungen werde. Bier gibt es natürlich auch. Farbentragende Verbindungen tragen dazu ihr Couleur.
Der Kommers ist die festliche Form der Kneipe und folgt strengeren Regeln. Üblicherweise finden Kommerse bei großen Jubiläen oder Stiftungsfesten statt. Wichtige Personen, wie besonders berühmte Burschen einer Verbindung, halten üblicherweise am Kommers eine Festrede. Außerhalb von Studentenverbindungen gibt es die Kommerse auch bei Turnvereinen, Musikvereinen und Freiwilligen Feuerwehren.
Leben nach dem Regelbuch
Uneingeschränkt empfehlenswert ist es sicher nicht, nur wegen der günstigen Miete auf dem Verbindungshaus, wie es in der Korporiertensprache heißt, oder wegen des möglichen Netzwerkes, einer Verbindung beizutreten. Das Leben in einer Verbindung ist von zeitintensiven Aktivitäten geprägt und gerade die Neuzugänge, die sogenannten Füchse, müssen während ihrer Probezeit viele Aufgaben für die Verbindung übernehmen. Ein Onlinenetzwerk aufzubauen dürfte wesentlich schneller und leichter gehen. Auch ist das Leben in Studentenverbindungen mehr als eine große Wohngemeinschaft mit regelmäßigen Ausflügen.
Die Korporationen sollen auf die Persönlichkeitsbildung der Studierenden einwirken, das Leben in der Verbindung regelt der Comment, der sich seit den Gründungszeiten der Studentenverbindungen kaum verändert hat. Selbst für Feiern gibt es ein Regelwerk, den Kneip- sowie den Biercomment. Letzterer legt beispielsweise fest, wie Trinkspiele bei Festivitäten ( "auf Kneipen") abzulaufen haben. Wenn das Biergericht entscheidet, dass der Comment nicht eingehalten wurde, landet der jeweilige Sünder im "Bierverschiss". Dann ist erst mal Ende mit Party – solange, bis diverse Strafarbeiten erledigt sind.
Rotary als Karrierenetzwerk überschätzt
Besonders die Anfangszeit in einer Studentenverbindung entspricht nicht unbedingt dem Traum vom lockeren Studentenleben: Ein bis drei Semester lang muss ein Fuchs die Geschichte und Rituale seiner Verbindung lernen und sich beweisen, bevor er zum Burschen ernannt wird. Und das auch nur, wenn die Gemeinschaft seiner Ernennung zustimmt.
Trotz all dem Aufwand sind viele Studierende in Verbindungen organisiert: Sei es, weil sie auf den Zusammenhalt, die Tradition oder eben das Vitamin B Wert legen. Schätzungen zufolge sind zwei bis drei Prozent aller Studenten in den rund 1000 Verbindungen im deutschsprachigen Raum organisiert. Es sollte sich aber jeder zweimal überlegen, ob er nur wegen möglicher Kontakte einer Verbindung beitreten möchte.
Hohes Eintrittsalter bei Clubs
Auch die „Serviceclubs werden als Karrierenetzwerke überschätzt“, sagt der Soziologe Sebastian Gradinger, der ein Buch mit dem Titel „Service Clubs - zur Institutionalisierung von Solidarität und Sozialkapital“, sowie seine Doktorarbeit über die Clubs geschrieben hat. Vor allem gibt es in den Serviceclubs, anders als bei Verbindungen kein Lebensbundprinzip. Beispielsweise beim Round Table, der sich an Männer von 18 bis 40 Jahren richtet, sind Mitglieder nach Erreichen der Altersgrenze raus. Bei anderen Clubs ist das Eintrittsalter recht hoch. Dafür gibt es laut Gradinger eine einfache Erklärung: Man sei nicht in einem Club, um Karriere zu machen, sondern weil man Karriere gemacht habe. Einfluss, Erfahrung und Kontakte der Mitglieder nutzen dann natürlich allen.
Netzwerk dank Freundschaft
So zitierte er in seiner Dissertation ein Mitglied der Rotarier, der sagte, dass er sich zuerst im eigenen Club umsehe, wenn er einen Fachmann benötige. "Da gehe ich doch vorzugsweise zu einem Rechtsanwalt aus meinem Club oder aus dem Nachbarclub, wo ich weiß, es ist ein Lions, er wird mich vielleicht etwas intensiver, besser beraten." Hinter den Service Clubs stehe aber in erster Linie der Freundschaftsgedanke, wie Gradinger in seiner Arbeit ausführt. Ein Service Club sei ein weltweiter Freundeskreis von Menschen aus unterschiedlichen Berufen, die aufgefordert seien, sich sozial zu engagieren. "Heute ist der Freundschaftsgedanke auf die internationale Ebene ausgeweitet worden. Man telefoniert mit dem rotarischen Freund in New York oder verbringt ein Wochenende bei einem Club-Freund am Zürich-See", schreibt er.