Als im Jahre 1988 der Wirtschaftsingenieurstudent Peter Teichmann von seinem Auslandssemester in Frankreich zurückkehrte, war er begeistert. In Frankreich hatte er das Konzept der Studentischen Unternehmensberatung kennen gelernt. Die Idee: Studenten schließen sich zusammen und beraten Unternehmen in betrieblichen Fragen. So kam es, dass Teichmann mit Kommilitonen im Februar 1988 an der Technischen Universität Darmstadt, die Junior Comtec Darmstadt gründete, nach eigenen Angaben die erste studentische Unternehmensberatung Deutschlands. Heute, rund 25 Jahre später, hat sich das Konzept „Studenten beraten Unternehmen“ zu einem wahren Boom an deutschen Hochschulen entwickelt. Mehr als 60 Hochschulgruppen haben sich hierzulande mittlerweile der Beratung von Firmen jeglicher Größe verschrieben.
Der Hauptantrieb vieler Studenten als „Campus Consultants“: Theoretische Kenntnisse aus dem Studium in der Praxis, direkt bei Unternehmen, anwenden. Denn viel Studenten kennen zwar die Theorie zu Kosten-Leistungsrechnung, Marktanalyse oder Finanzplanung. Wie das Ganze allerdings in der Praxis angewandt wird, das lernen sie nicht. Denn auch wenn Praktika heute in den meisten Studiengängen vorgeschrieben sind, bieten die meist nur einen kleinen Einblick in den Alltag von Unternehmen. „Als studentischer Unternehmensberater habe ich einfach die Möglichkeit Praxiserfahrungen zu sammeln, die ich sonst erst Jahre später machen könnte“, erklärt Kathleen Jeske, Vorstandsvorsitzende des Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen(BDSU). Unter dem Dach des BDSU befinden sich derzeit 31 studentischer Unternehmensberatungen mit insgesamt mehr als 2300 Mitgliedern – Tendenz steigend.
Die Perspektive, schon als Student in den Unternehmensalltag Einblick zu erhalten lockt viele. So auch Markus Leyendecker. Der 25-jährige VWL-Student ist bereits in seinem ersten Semester an der Uni Trier zu den lokalen Campus Consultants von Contact & Cooperation dazu gestoßen. Heute, rund eineinhalb Jahre später ist er Vorsitzender des Vereins mit derzeit 27 Mitgliedern und stolz auf seine Kunden. „Wir haben schon mit Unternehmen wie Bitburger oder KPMG Luxemburg zusammengearbeitet“, erklärt er. So befragte das Team von Contact & Cooperation mögliche Kunden zu einem alkoholfreien Getränk von Bitburger, für KPMG Luxemburg wurde ein fiktiver Musterfonds aufgestellt und auf seine Stärken und Schwächen untersucht. Sechs bis sieben Projekte bearbeiten die Berater von Contact & Cooperation pro Semester, erklärt Leyendecker.
Theoretische Kenntnisse in die Praxis umsetzen ist ein Vorteil für Studenten, Netzwerke aufzubauen ein weiterer. „Ich finde, dass gerade an öffentlichen Unis das Netzwerken zu kurz kommt. Als studentischer Unternehmensberater komme ich jedoch recht schnell in Kontakt zu Unternehmen und kann mir so mein eigenes Netzwerk aufbauen“, erklärt Jonas Behrend, Vorstand von Green Finance Consulting, der Unternehmensberatung der Uni Frankfurt. „Wer hier mitarbeitet, ist mit Studenten zusammen, die ähnliche Pläne und Karriereziele haben.“
Ein attraktiver Recruitingpool
Die Berater aus Frankfurt haben sich auf die Beratung im Finanzsektor spezialisiert und schon Unternehmen wie Procter&Gamble oder die Deutsche Bank beraten. 60 Studenten sind aktuell Mitglied bei Green Finance Consulting, die meisten von ihnen sind bereits seit ihrem ersten Semester dabei. Besonders für junge Studenten habe die Arbeit als studentischer Berater einen großen Vorteil, erklärt Behrend: „Es ist gerade in den unteren Semestern schwer, an Unternehmen erfolgreich heranzutreten, um beispielsweise attraktive Praktikumsangebote zu erhalten. Wenn man aber als Berater tätig ist, fällt dieser Schritt viel leichter.“
Neben dem Kontakt zu Unternehmen und Praxiserfahrungen dürfte es auch der finanzielle Aspekt sein, der Studenten zum Beraterdasein als Nebenjob lockt. Nach Angaben des Dachverbands BDSU liegt das Tageshonorar, das für einen studentischen Berater abgerechnet wird, im Schnitt bei 300 Euro. „Ein Großteil davon kommt auch beim Student selber an“, sagt Kathleen Jeske. Der perfekte Nebenjob fürs Studium also?
Ja, wenn man die anspruchsvollen Aufnahmetests für die Unternehmensberatungen am Campus meistert und die hohe Arbeitsbelastung in Projektphasen nicht scheut. So müssen Bewerber bei Green Finance Consulting in Frankfurt ein mehrphasiges Auswahlverfahren durchlaufen. Zunächst wird eine klassische Bewerbung mit Noten und Lebenslauf verlangt. Anschließend werden die interessantesten Kandidaten eingeladen. „Hier gibt es dann ein Motivationsinterview, ein fachliches Interview und eine Fallstudie die von den Bewerbern bearbeitet werden muss“, erklärt Rafael Geisler von Green Finance Consulting. Oftmals wird das Auswahlverfahren dabei von professionellen Unternehmensberatungen betreut. So haben sich bei den Frankfurter Nachwuchsberatern im letzten Jahr 104 Studenten beworben. „20 haben wir dann eingeladen, rund die Hälfte davon hat schlussendlich das Angebot zur Mitarbeit bekommen“, sagt Geisler.
Doch auch wer die aufwendige Bewerbung durchlaufen hat wird in den meisten Fällen noch nicht auf den Kunden losgelassen. Denn die Kunden erwarten eine professionelle Beratung. So müssen Neuberater, sogenannte Anwärter erst Schulungen durchlaufen und ein vereinsinternes Projekt erfolgreich absolvieren, erst dann geht es zu externen Kunden. Studentische Unternehmensberatungen, die sich dem BDSU angeschlossen haben, werden sogar einmal jährlich vom Dachverband kontrolliert. „Wir überprüfen den Auswahlprozess für Bewerber, außerdem müssen alle Berater gewisse Pflichtmodule, wie Qualitäts- oder Projektmanagement absolviert haben bevor sie beim Kunden beraten dürfen“, erklärt Kathleen Jeske die eintägige Überprüfung.
So können Unternehmen, die mit studentischen Unternehmensberatern zusammenarbeiten, ein gewisses Qualitätsniveau erwarten. Gleichzeitig liegt der Preis, den sie für die Beratung zahlen vergleichsweise niedrig. Die Tagessätze von professionellen Unternehmensberatungen liegen meist vier bis fünf Mal über denen der Nachwuchsberater. Jedoch dürften Unternehmen in einem ganz anderen Aspekt den größten Vorteil in der Zusammenarbeit sehen. „Die Unternehmen treffen bei uns auf motivierte Studenten, außerdem können sie durch eine Zusammenarbeit ihre Präsenz an Hochschulen verbessern“, sagt Markus Leyendecker von Contact& Corporation. Das führe dazu, dass Personaler schneller an ihre Zielgruppe herankämen, nämlich motivierte Studenten mit Interesse an dem Unternehmen. „Es kommt schon häufig vor, dass Studenten die an einem Projekt teilnehmen, anschließend von dem beteiligten Unternehmen ein Praktikumsangebot bekommen“, erklärt Leyendecker. Auch Jonas Behrend von Green Finance Consulting ist sich sicher: „Viele unserer Mitglieder sind sehr engagierte und sehr gute Studenten. So sind wir als Verein für viele Unternehmen ein attraktiver Recruitingpool.“
Interesse an den studentischen Beratern
Außerdem schätzen viele Unternehmen die Nähe zur theoretischen Ausbildung an studentischen Beratern, glaubt Jeske von BDSU: „Wir als Studenten sind einfach sehr nah an neuen Erkenntnissen aus der Forschung und der Theorie dran und können die im Unternehmen anwenden.“ Außerdem sei es der, generell an Beratern beliebte „frische Blick von außen“, der auch studentische Unternehmensberater so attraktiv mache.
Studentische Unternehmensberatungen haben sich seit ihrer Gründung hierzulande vor rund 25 Jahren zu einem ernstzunehmenden Markt entwickelt. So haben alleine im Jahre 2013 die Mitgliedsvereine des BDSU mehr als 6300 Beratertage abgerechnet und 220 Projekte abgeschlossen. Dazu kommen Projekte von Vereinen, die sich dem kleineren Dachverband deutscher Hochschulberater, dem JC Network angeschlossen haben oder ohne Dachverband agieren.
Deutschlands beste Berater
Vorjahr: 5
Beratung: Porsche Consulting
Punkte*: 2,27
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 1
Beratung: BCG
Punkte*: 2,16
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 2
Beratung: McKinsey
Punkte*: 2,08
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 6
Beratung: PwC
Punkte*: 1,89
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 3
Beratung: Roland Berger
Punkte*: 1,84
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 8
Beratung: Bain
Punkte*: 1,81
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 4
Beratung: A.T. Kearney
Punkte*: 1,78
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 9
Beratung: Horváth
Punkte*: 1,78
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 15
Beratung: Oliver Wyman
Punkte*: 1,73
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: -
Beratung: Stern Stewart
Punkte*: 1,68
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Auch haben die großen Vorbilder wie McKinsey Interesse an den studentischen Beratern. Hier schätzt man die Eigenschaften, die Campus Consultants mitbringen. „Engagement, das Bestreben, Veränderungen für den Klienten herbeizuführen, im Team zu Lösungen zu finden und diese zu präsentieren – das sind Fähigkeiten, die man auch als Berater bei McKinsey benötigt“, sagt Thomas Fritz, Director of Recruiting bei McKinsey. Ähnlich sieht das Christine Rupp, Recruiting Partnerin bei der Strategieberatung Booz & Company: „Studentische Unternehmensberatungen sind eine gute Möglichkeit, Beratungsthemen und -aufgaben kennen zu lernen und erste Erfahrungen zu sammeln.“
Wer also bereits als Student beraten hat, besitzt wichtige Kenntnisse für den späteren Berufseinstieg als Consultant. „Die Mitarbeit in einer studentischen Unternehmensberatung zeigt Engagement, Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen und Freude an analytischem Denken.
Diese Eigenschaften wünschen wir uns bei einem idealen Bewerber“, sagt Fritz von McKinsey. Denn auch wenn es vielen Studenten zunächst um die Praxiserfahrung geht, streben viele von ihnen eine Karriere im Beratungssektor an. „Bei uns haben alleine im letzten Jahr drei Leute ins Consulting gewechselt“, sagt Leyendecker von der Unternehmensberatung aus Trier. Bei den Frankfurter studentischen Beratern sind die Berufspläne noch eindeutiger. „Rund 75 Prozent unserer ehemaligen Mitarbeiter arbeiten heute entweder im Investment Banking oder bei Unternehmensberatungen“, schätzt Jonas Behrend.
Dass bei all der Beratertätigkeit, die während der Projektphase schon mal 60 Wochenstunden überschreiten kann, Studium und Freizeit auch mal zu kurz kommen können, ist vielen Studenten bewusst und wird in Kauf genommen. „Eigentlich sollte das Studium trotz der Mitarbeit in einer studentischen Mitarbeit an erster Stelle stehen“, sagt Kathleen Jeske vom BDSU.