Plurale Ökonomie Wirtschaftsstudenten wollen denken, nicht rechnen

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An Universitäten tut sich was

Bachmann glaubt, dass die Pluralen sich zu sehr auf die Anerkennung einzelner Methoden konzentrieren, statt interessante Themen aufzuwerfen. Solange also das Thema stimmt, werden alle Methoden gleichwertig diskutiert? „Ich bin im Prinzip für alle Ansätze offen“, sagt Bachmann. Ob der VfS deswegen aber auch eine führende Rolle übernehmen soll, wenn es um gute Lehre geht, bezweifelt er. „Wir können nicht kontrollieren, wie die Kollegen ihre Vorlesungen halten.“

Linksorientierte Volkswirte werfen dem altehrwürdigen Verein für Socialpolitik wissenschaftliche Ausgrenzung vor. Zum Jahreskongress der Ökonomenvereinigung organisieren die Kritiker nun eine Konkurrenzveranstaltung.
von Bert Losse

Wie die Lehre im Hörsaal tatsächlich aussieht, will Frank Beckenbach, Verhaltensökonom an der Universität Kassel, mit einer Anfang Mai erscheinenden Studie zeigen. Sein Team untersuchte die Inhalte aus über 50 deutschen Bachelor-Studiengängen auf ihre Qualität und befragte auch das Lehrpersonal. Das Ergebnis: Statt die Studentenbewegung zu ignorieren, machen sich viele Ökonomen ernsthafte Gedanken zu ihrer Zunft. Bemühungen etwas zu ändern, scheiterten jedoch oft an den Institutionen – als Lehrkörper sei man „interessiert, aber behindert“, sagt Beckenbach. Der Grund dafür sei ein „vorauseilender Gehorsam“ unter den Ökonomen – man lasse sich vom Druck internationaler Fachzeitschriften beeinflussen. Die Rhetorik von Rüdiger Bachmann hält der Kassler Beckenbach für unangemessen und findet, der Verein vertrete „eine ganz eingeschränkte Perspektive.“

Bei welchen Unternehmen junge Wirtschaftswissenschaftler arbeiten wollen

Angesichts des Wissenschaftlerstreits geht nahezu unter, dass sich an den Unis durchaus etwas tut. Beispiel Siegen: Dort baut Nils Goldschmidt, ordnungspolitisch geprägter Ökonom und seit 2014 Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, gerade den „Master Plurale Ökonomik“ auf – nach eigenen Angaben der erste seiner Art. Goldschmidt ist guten Mutes, dass der Master bei Studierenden ein Erfolg wird, denn diese hätten durch ihre Kritik am Mainstream zur Entstehung beigetragen: „Von den Studierenden gibt es den Push. Die Uni spielt auch mit. Es ist ein günstiger Moment.“ Zum Sommersemester 2016 startet an der Business and Information Technology School (BiTS) in Berlin zudem der neue Masterstudiengang „Entrepreneurial Economics and Management“, in dessen Mittelpunkt die Österreichische Schule der Nationalökonomie steht.

„Die Unis müssen es schaffen, Inhalte aus der ganzen Welt der Ökonomik zu verknüpfen“, betont Goldschmidt. „Die Studierenden sollen sich wieder zu gesellschaftspolitischen Fragen positionieren können und nicht nur Modelle durchrechnen.“ Damit ist er nah bei Bachmann.

Es scheint, als wollten am Ende doch alle Streitparteien das Gleiche: die richtige Antwort auf ökonomische Fragen zu finden. Gustav Theile darf also zuversichtlich sein, dass ein Wandel gelingt. Schließlich widmet er der pluralen Bewegung inzwischen mehr Zeit als dem Studium.

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