Stipendien Stipendien, die keiner kennt - und die sich trotzdem lohnen

Die Anzahl an Stipendien in Deutschland ist riesig, doch die meisten sind vielen Studenten unbekannt. Warum es sich lohnt, nach diesen Nischenstipendien zu suchen.

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Mensch an einem Laptop Quelle: dpa

Stipendium – das klingt für viele Studenten nach elitärem Zirkel, nach Abiturabschlüssen mit 1,0 und Lebensläufen, mit denen ohnehin niemand mithalten kann. Was die wenigsten wissen: Auch wenn es den meisten Stiftungen und anderen Stipendiengebern zwar auch um gute Noten geht, ist das bei weitem nicht das einzige Kriterium bei der Vergabe von Geldern für Studenten. Manche Stiftungen haben zum Teil sehr spezifische und exotische Bewerbungsvoraussetzungen, die nicht viel mit Noten in Schule und Studium zu tun haben.

Die Stipendienlandschaft in Deutschland ist wesentlich bunter und vielfältiger, als die meisten wissen. „„Die meisten Studenten und Abiturienten kennen nur die großen Förderwerke und wissen, dass diese Stipendien vergeben. Dass es abseits davon noch zahlreiche andere Stipendien gibt, ist vielen nicht bewusst“, erklärt Julia Hausmann vom Karrierenetzwerk e-fellows.net. So gibt es in Deutschland aktuell zwölf so genannte Begabtenförderungswerke, die Stipendien vergeben. Dazu zählen parteinahe Förderungswerke wie die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah) oder die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU-nah), aber auch die Stiftung der Deutschen Wirtschaft und die Studienstiftung des Deutschen Volkes, die sich selbst als „politisch, religiös und weltanschaulich“ unabhängig bezeichnet. Diese Begabtenförderwerke sind die größten Stipendiengeber für Studenten in Deutschland und haben im Jahr 2012 nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 25.394 Studenten finanziell unterstützt. Ihre finanziellen Mittel beziehen sie in großen Teilen aus öffentlichen Geldern.

Jedoch sind diese großen Förderwerke mit jeweils meist mehr als tausend Stipendiaten nicht die einzigen, die Studenten Geld zur Finanzierung ihrer Ausbildung zur Verfügung stellen. Mira Maier, Geschäftsführerin von Mystipendium.de, einer Stipendiensuchmaschine, schätzt, dass es in Deutschland über 4300 Förderprogramme für Studenten von mehr als 1700 unterschiedlichen Stiftungen gibt. Ihrer Einschätzung nach wird nur jeder vierte Stipendiat von einem der großen Förderungswerken unterstützt. Die restlichen 75 Prozent erhalten ihr Stipendium von privaten Geldgebern und kleineren Stiftungen. Ein nicht unbeachtlicher Teil von diesen Geldgebern klagt über nicht ausreichend Bewerber, fast jeder fünften Stiftung mangelt es an passenden Bewerbern für ihr Stipendium, so das Wochenmagazin Zeit. „Ich höre immer wieder von Stiftungen, dass sie gerne mehr Bewerber hätten“, sagt auch Mira Maier.

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Unbekannte Stiftungen und Stipendiengeber

Ein Hauptgrund für diesen Mangel dürfte in der Unbekanntheit vieler Stiftungen und Stipendiengeber liegen. „Viele Stipendien sind an Auswahlkriterien geknüpft, die man im Vorhinein einfach nicht wissen, nicht einmal erahnen kann“, erklärt Maier. Dabei spielen gute Noten zwar eine Rolle, jedoch schätzt Maier dass 40 Prozent der Stipendien nicht ausschließlich nach klassischen Kriterien wie Abschlussnoten oder gesellschaftlichen Engagement vergeben werden.

So gibt es die Hartmannbund-Stiftung, die Stipendien an Kinder aus Arztfamilien vergibt, oder das Stipendium des Nassauischen Zentralstudienfonds das sich ausschließlich an Studenten wendet, die im Gebiet des ehemaligen Herzogtums Nassau (Hessen, Rheinland-Pfalz)geboren wurden. Ausschließlich an Söhne alteingesessener Nürnberger Familien richtet sich das Stipendium der Fritz-und Eugenie-Übelhör-Stiftung, die Bewerber kommen dabei noch aus Freidenker-, freireligiösen, jüdischen oder protestantischen Familien. Ein anderes, interessantes Auswahlkriterium hat die Parcham’sche Stiftung zu Lübeck: Sie richtet sich ausschließlich an Studenten, die aus Lübeck stammen und in Berlin studieren.

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Stipendien zu Themengebieten

„Neben diesen persönlichen und geografischen Auswahlkriterien gibt es auch eine Vielzahl an Stiftungen, die Stipendien für akademische Arbeiten zu bestimmten Themengebieten vergeben“, erklärt Maier von MyStipendium. So fördert die Gerda-Weiler-Stiftung Promotionen und andere Forschungsprojekte im Bereich der feministischen Frauenforschung, die Letter-Stiftung fördert mit dem August-Hoff-Stipendium Forschungsprojekte zur Bildhauerei und Graphik zwischen 1780 und 1930.

„Auf Anhieb können Studenten und Abiturienten also einfach nicht wissen, ob sie die Auswahlkriterien für eine der zahlreichen Stipendien erfüllen“, sagt Mira Maier. Sie empfiehlt jedem Abiturient, aber auch Studenten, die ein weiterführendes Studium oder einen Auslandsaufenthalt planen, sich mit dem Thema Stipendium auseinanderzusetzen. Dabei sei es insbesondere sinnvoll den Blick auf Stipendien abseits der großen Förderwerke zu richten. Zum einen sei die Erfolgsquote bei den kleinen Stiftungen aufgrund weniger Bewerber wesentlich höher als bei den großen Förderwerken. So liegt die Erfolgsquote bei einer Bewerbung um ein Stipendium, einer Studie des Allensbach-Instituts aus dem Jahre 2010 zufolge, im Schnitt bei 41 Prozent. „Beachtet man dabei dass die Erfolgsaussichten bei einem der großen Begabtenförderwerke bei unter 20 Prozent liegen, ergibt das eine dementsprechend höhere Erfolgschance bei den kleinen Stiftungen und Stipendiengebern“, rechnet Maier vor. Weiterer Vorteil einer Bewerbung bei einer eher unbekannten Stiftung: Der Auswahlprozess ist meist wesentlich weniger aufwändig und langwierig. Während die großen Förderwerke oft ausführliche Lebensläufe und Gutachten verlangen und mehrtägige Auswahltagungen mit unterschiedlichen Tests durchführen, reichen bei kleineren Stiftungen häufig schon Lebenslauf und Motivationsschreiben. Das senkt zum einen den Aufwand, zum anderen wissen Studenten häufig schneller Bescheid, ob sie ein Stipendium erhalten als bei den großen Begabtenförderwerken -  dort dauert der Auswahlprozess oft mindestens ein halbes Jahr.

Kleine Stiftungen im Vorteil

Außerdem gibt es viel mehr kleine Stiftungen die Stipendien vergeben. „Das sind drei Argumente, die zeigen, dass es sich meist lohnt, nach einem passenden Stipendium zu suchen“, sagt Mira Maier. Julia Hausmann von e-fellows.net ergänzt: „Egal, ob ich Abiturient bin, ein Auslandssemester plane, einen Master machen will oder für ein Praktikum ins Ausland gehe – es lohnt sich immer, sich nach einem passenden Stipendium umzusehen.“

Doch woran liegt es dann, dass kleinere Stiftungen die Bewerber fehlen, sie ihr zu verschenkendes Geld nicht los werden? „Ein Grund ist sicherlich immer noch der Mythos vom elitären Club der Stipendiaten“, glaubt Mira Maier. Die Allensbach-Studie zum Thema Stipendien gibt ihr recht: 47 Prozent der befragten Abiturienten erklären, dass sie ihre Chancen für ein Stipendium als „eher schlecht“ bewerten, auch diejenigen, die den Schritt zur Bewerbung wagen, rechnen sich keine großen Chancen aus. „Wie die Erfolgsaussichten sind, lässt sich oft schwer abschätzen – schließlich weiß man nicht, wie viele Bewerber es noch gibt. Gepaart mit dem Aufwand, den man für eine Bewerbung manchmal betreiben muss, schreckt das vermutlich viele ab“, glaubt Julia Hausmann. Ein weiterer Grund für die niedrige Bewerberzahl bei kleinen Stiftungen ist ihre fehlende Präsenz an Schulen und Universitäten. „An vielen Unis gibt es Infoveranstaltungen, bei denen sich die großen Förderwerke vorstellen. Von anderen Angeboten hört man meist wenig“, sagt Hausmann. Ähnlich sehen das die befragten Studenten in der Allensbach-Studie: 50 Prozent von ihnen fühlen sich nicht gut über Fördermöglichkeiten durch Stipendien informiert. In einer Nachfolge-Studie, die das Allensbach-Institut im Auftrag des Reemtsma-Begabtenförderungswerks durchgeführt hat, erklären außerdem mehr als die Hälfte der Studenten, dass eine persönliche Beratung und Informationsveranstaltungen an Unis ihnen helfen würden, sich besser über Stipendien zu informieren. Es sind also vor allem die Unis, die nachlegen sollten, um mehr Stipendien an ihre Studenten zu bringen.

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von Kerstin Dämon

Zu wenige Informationen

So sind es zu wenige Informationen, gepaart mit einer pessimistischen Einstellung unter Studenten und Abiturienten, die für zu wenig Bewerber bei mancher Stiftung sorgen. Auf der anderen Seite bedeutet das allerdings auch: Studenten und  Abiturienten, die ein wenig Zeit in die Recherche von Stipendien investieren und sich von einer möglichen Absage nicht entmutigen lassen, können relativ leicht an geschenktes Geld fürs Studium kommen. Dabei können auch Studenten, deren Noten nur Mittelmaß sind, Glück haben und ein Stipendium bekommen. „Wenn man bedürftig, ist, das Stipendium für das Studium also dringend benötigen würde und die Bewerbungsvoraussetzungen der Stiftungen erfüllt, stehen die Chancen recht gut genommen zu werden, auch wenn die Noten nur durchschnittlich sind“, sagt Mira Maier. Auch könnte sich die Suche für Studenten lohnen, die bereits ein Stipendium erhalten. Geht es beispielsweise ins Ausland oder steht die Abschlussarbeit an, kommt hier mit ein wenig Glück Geld von einer Stiftung, die genau an diesem Bereich interessiert ist.

Angebote, die bei der Suche nach der passenden Förderung unterstützen, gibt es viele. Die Stipendiensuchmaschine MyStipendium.de filtert mittels eines Fragebogens Stipendien heraus, deren Bewerbungsvoraussetzungen mit den Eigenschaften des Bewerbers übereinstimmen. Die Stipendiendatenbank von e-fellows.net sortiert die Stipendien nach Fachbereich, Art der Förderung oder Region. Daneben gibt es mit dem Stipendienlotsen eine Datenbank für Fördermöglichkeiten, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung betrieben wird und auch der Deutsche Akademische Austausch Dienst bietet eine Datenbank, die Stipendien für Auslandsaufenthalte von Studenten listet.

Bestehende Kontakte und Behörden vor Ort nutzen

Daneben empfiehlt Julia Hausmann, die bei e-fellows.net die Stipendiendatenbank betreut, bestehende Kontakte und die Behörden vor Ort zu nutzen: „Bei der eigenen Schule nach Stipendien zu fragen oder bei der Stadt nach dementsprechenden Fördermöglichkeiten nachzuhaken, kann nie schaden.“ Es könnte ja sein, dass gerade der Heimatort dank einer Stiftung Fördermöglichkeiten für Töchter und Söhne der Stadt bietet. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Studenten die Bewerbungsvoraussetzungen für ein solches „Nischenstipendium“ erfüllen, liegt dabei heute wesentlich höher als noch vor zehn Jahren. „Gerade in den letzten paar Jahren hat sich die Anzahl der Stipendien und die Gelder die zur Verfügung stehen, stark erhöht“, sagt Mira Maier von MyStipendium.

So sollten sich Studenten und Abiturienten heute ganz genau überlegen, ob beim anstehenden Studiumsbeginn, Auslandsaufenthalt oder Masterstudium sich ein wenig Internetrecherche und die Bewerbung um ein Stipendium nicht auszahlt. Die meisten Stiftungen zahlen ihren Stipendiaten mehrere hundert Euro pro Monat, oftmals kommt eine „ideelle Förderung“ mit Seminarangeboten, Netzwerktreffen mit möglichen Arbeitgebern und der Kontakt zu Altstipendiaten dazu. Das sollten ein wenig Internetsuche und ein paar Bewerbungsschreiben doch wert sein.

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