Studenten hätten die Regeln in den ersten Semestern durchaus gelernt, so Beck, etwa in Tutorien und Vorlesungen, vielen falle aber am Ende, wenn es denn ernst wird, die praktische Umsetzung schwer. Dann komme häufiger die Aussage "Ich habe das gar nicht richtig gelernt." Hohe Fehlerquoten beim Zitieren, viele Nachfragen und ängstliche Studenten zeigen: Die Lehre scheint nicht ausreichend auf das wissenschaftliche Schreiben vorzubereiten. Nicht eine Anleitung zu Zitiertechniken oder Fußnoten fehle, sondern die Heranführung an die Wissenschaft an sich. Anders lassen sich viele Fragen von Studierenden nicht erklären. Wie etwa ein Forumseintrag auf studis-online von einer gewissen Greggoria zeigt: "Was ist aber, wenn man jetzt etwas schreiben möchte dass man sich selbst logisch erschlossen hat und es so auch höchstwahrscheinlich stimmt? Kann man das dann einfach so ohne Quelle aufschreiben oder muss man wirklich alles mit fremden Quellen belegen? Habe da Angst, dass jetzt meine Behauptungen als Plagiat abgestempelt werden, falls jemand anderes meine Behauptung schon veröffentlicht hat."
Zehn Grundregeln zum wissenschaftlichen Schreiben
Wählen Sie ein Thema, das Sie interessiert. Finden Sie Fragen, die Sie gern beantworten möchten und auch können. Tauschen Sie sich von Anfang an mit Bekannten darüber aus, egal ob diese Experten sind oder nicht.
(Quelle: Kompetenzzentrum Schreiben der Universität Köln)
Sprechen Sie Ihr Thema mit Ihrer Dozentin/Ihrem Dozenten in einer Sprechstunde ab. Machen Sie sich vorher einen Notizzettel, auf dem steht, was Sie erfahren möchten. Verlassen Sie die Sprechstunde erst, wenn Sie alle Fragen geklärt haben.
Machen Sie sich einen Zeitplan mit Start- und Enddatum. Planen Sie dabei auch Erholungsphasen ein und belohnen Sie sich nach den getanen Arbeitsschritten.
Überlegen Sie vor der Bibliographie, welche Aspekte für Ihre Aufgabe wichtig sind und suchen Sie danach die Literatur. Die bibliographische Liste sollten Sie mit Ihrer Dozentin/Ihrem Dozenten absprechen, da sie/er Sie auf weitere, wichtige Texte aufmerksam machen kann.
Entwickeln Sie einen roten Faden für die Arbeit (z.B. anhand von Leitfragen), bevor Sie anfangen zu schreiben. Malen Sie diesen auf und hängen Sie ihn vor Ihren Schreibtisch, damit Sie ihn nie aus den Augen verlieren.
Stellen Sie anhand dieses roten Fadens eine Gliederung auf und besprechen Sie diese mit Ihrer Dozentin/Ihrem Dozenten.
Arbeiten Sie von Anfang an organisiert. Halten Sie neue Ideen, Fragen und relevante Auszüge aus der vorhandenen Literatur schriftlich fest. Sie sparen sich so viel Zeit.
Beginnen Sie mit dem Hauptteil. Schreiben Sie einen zusammenhängenden Text. Die Inhalte müssen aufeinander aufbauen. Einleitung und Schluss ergeben sich hieraus.
Schreiben Sie klar und präzise. Nur so können Sie Erkenntnisse vermitteln. Schreiben Sie grammatikalisch und orthographisch korrekt und lesen Sie mehrmals Korrektur. Fragen Sie auch Freunde, ob die Sie bei dieser Arbeit unterstützen können.
Halten Sie die von Ihrem Institut vorgegebenen Richtlinien ein. Viele Institute haben Leitfäden, die Sie in den Sekretariaten erhalten oder im Internet downloaden können.
Grund für die Unsicherheit: Zitieren wird häufig eher formal in Einführungsveranstaltungen thematisiert, wenn Studierende noch keine Seminararbeiten schreiben. "Sie können die Information noch nicht einordnen", sagt Christine Braun von der Schreibberatung der Uni Regensburg. "Es sollte gezielte Übungen zu Zusammenfassungen, Paraphrasen und Kommentierung in den Fächern geben, auch sollte ganz intensiv diskutiert werden, warum wie zitiert wird." Die formalen Regeln erlerne man schnell, wenn man wisse, was man warum machen möchte.
In Fächern wie Geschichte, Soziologie oder Germanistik sei das Problem des falschen Zitierens deutlich seltener, da Studenten dieser Fächer sich viel häufiger mit Quellenkritik auseinandersetzen, sagt Beck. In anderen Fächern seien diese Probleme dann aber größer.
So etwa in Fächern wie Ingenieurswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre oder etwa Architektur. In letzterem Studiengang machte die 23-jährige Laura Wagner (Name geändert) die Erfahrung, wie mangelhaft die wissenschaftliche Vorbereitung im Studium sein kann: Als sie mit ihrer Bachelorarbeit begann, lag die letzte schriftliche Arbeit schon Jahre zurück. "Zitiert habe ich das letzte Mal im Abitur", so die Architekturstudentin. Von ihrem Professor an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe habe sie lediglich eine kurze PDF bekommen. "Darin stand das Gröbste noch einmal drin. Vor allem wie Quellen angegeben werden." Als jedoch ihre Schwester - Geschichtsstudentin - einen Blick auf die fertigen Kapitel warf, wurde einiges korrigiert. "Da die meisten Abschlussarbeiten im Studiengang Architektur nicht schriftlich sind, ist das Zitieren generell nicht so wichtig bei uns, aber bei schriftlichen Arbeiten achten die Professoren schon drauf." In anderen Fächern sei es wahrscheinlich wichtiger, mutmaßt die Studentin.
Aber nicht nur in 'schriftarmen' Fächern begegnen viele Studierende erst mit der Abschlussarbeit der Hürde des wissenschaftlichen Schreibens. Manche Studienordnung geben den Studenten zudem die Möglichkeit gezieltes wissenschaftliches Arbeiten einfach zu umgehen: "Ich habe häufiger Studenten in der Schreibberatung sitzen, die sich häufig durchgemogelt haben, weil sie beispielsweise für Studienarbeiten nur Referate gehalten oder kurze Essays geschrieben haben", sagt Beck. Diese hätten dann bei der Abschlussarbeit häufig große Probleme.
Ähnlich sieht es auch Bausch von der Uni Bayreuth: "Ich denke, sie sind deshalb unsicher, weil sie sich oft noch gar keine Gedanken darüber gemacht haben, wofür das Zitieren eigentlich gut sein soll. Außerdem ist das gesamte Handwerkszeug rund ums Zitieren für die meisten neu und erscheint zunächst umständlich - und es fehlt ganz oft die Übung im kritischen Lesen wissenschaftlicher Texte und natürlich im Schreiben von eigenen Texten.“ Braun von der Uni Regensburg spricht sogar von "massiven Schreibhemmungen", die manche Studenten aus Angst vor unfreiwilligen Plagiaten entwickelten. "Sie gehen davon aus, dass sie alles, was sie wissen, aufgrund von Texten anderer erlernen oder entwickeln. Daher können sie nicht klar und selbstbewusst zwischen eigenen Gedanken und den Gedanken anderer unterscheiden. Wo beginnt ein Kommentar?"