Studienabbruch als einziger Ausweg? Werfen Sie Ihre akademische Karriere nicht einfach hin

Bald beginnt das neue Semester. Anstatt sich darauf vorzubereiten, spielt jeder zweite Student mit dem Gedanken, das Handtuch zu werfen. Ein Experte rät: Besser pausieren und die Alternativen planen.

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Zweifel am Studium steigen: Jeder zweite Student spielt gedanklich mit Abbruch. Quelle: dpa

Am 1. April beginnt an den deutschen Unis und FHs das Sommersemester. Schon jetzt sind so viele Studenten an den Hochschulen eingeschrieben, wie noch nie zuvor - im Wintersemester 2016/2017 waren rund 2, 8 Millionen Menschen immatrikuliert. Viele werden die Uni aber nicht mit einem Abschluss verlassen. Aktuell denkt jeder Zweite darüber nach, sein Studium abzubrechen. Das hat zumindest eine Umfrage unter 1.000 deutschen Studenten und Hochschulabsolventen im Auftrag von univativ ergeben. Der Personaldienstleister hat sich darauf spezialisiert, junge Absolventen nach dem Studium in einen Job zu vermitteln.

Zugegeben, wirklich sicher abbrechen wollen laut Umfrage nur vier Prozent der Studenten. Die Übrigen spielen nur mit dem Gedanken. Und das ist nicht ungewöhnlich: Selbst die, die ihr Studium bereits abgeschlossen haben, waren sich ihres Erfolges nicht immer sicher. Allerdings haben viele ihr Studium nur deshalb beendet, weil sie Angst um ihre Zukunft oder vor Ausgrenzung hatten. Nicht aus Überzeugung.

„Diese Ergebnisse zeigen, dass heutige Studenten den Hochschulabschluss als wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung ihrer beruflichen Karriere sehen. Doch die Ausgestaltung der Studiengänge geht an den Wünschen vieler angehender Akademiker vorbei“, sagt Olaf Kempin, der Gründer von univativ.

Aus diesen Gründen wollen Studierende ihr Studium hinwerfen

Einer der Hauptgründe, warum die angehenden Akademiker hinwerfen wollen, ist nämlich, dass ihnen der Praxisbezug fehlt. Dahinter folgen enttäuschte Erwartungen, Überforderung und ganz einfach: zu wenig Geld. Zu diesen Ergebnissen kommen auch Studien des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. „Die Bologna-Reform hat es zwar geschafft, Wissenschaft und Praxis stärker zu verzahnen. Dass sich jedoch zwei von fünf Studenten in den vermittelten Inhalten nicht wiederfinden und sich von den Leistungsanforderungen überfordert fühlen, ist ein alarmierendes Signal“, sagt Kempin.

20 Prozent brechen wegen Leistungsdruck ab

In einigen Fällen sei es die einzig richtige Entscheidung, das Studium abzubrechen, so Kempin. "Wer sich zwingen muss, Interesse am eigenen Studienfach aufzubringen, wird höchstwahrscheinlich den Abschluss nicht schaffen – und im schlimmsten Fall bis zur Rente in einem unliebsamen Job arbeiten." Aber bevor man diese Entscheidung treffe, solle man gründlich nachdenken und nicht in einer Kurzschlussreaktion alles hinwerfen.

Stellen Sie sich vier Fragen, bevor Sie abbrechen

Zweifler sollten sich bewusst sein, dass es in jeder Ausbildung und in jedem Job Durststrecken gibt, die es zu überwinden gilt, sagt Kempin. "Wichtig ist zu erkennen, wo das Problem genau liegt, ob es dauerhaft ist und wie es sich beheben lässt."

Das rät auch Hans-Werner Rückert, Psychologe an der FU Berlin, Studenten, die sich nicht sicher sind, ob sie weitermachen sollen. Wer mit dem Gedanken spielt, sein Studium abzubrechen, solle sich zunächst vier Fragen stellen:

  1. Ist das Problem tatsächlich das Studium?
  2. Haben Sie versucht, das Problem zu lösen?
  3. Studieren Sie das Fach, das Sie studieren wollten oder etwas, was Ihre Eltern wollten bzw. was aus wirtschaftlichen Gründen aussichtsreich klang?
  4. Haben Sie mögliche Alternativen zu diesem Studium ausprobiert?

Wer sich mit allen vier Fragen intensiv auseinandergesetzt hat, wisse dann meist, was zu tun ist.

Aus diesen Gründen brechen Studenten ihr MINT-Studium ab

Wer dennoch unsicher sei, ob Praktikum, Fachwechsel oder Exmatrikulation die richtige Wahl sind, solle sich von Experten beraten lassen. Beispielsweise bei der Studienberatung oder den Fachschaften der eigenen Uni. Auch die Agentur für Arbeit könne passende Alternativen zum Studium aufzeigen, so Kempin.
Auch in vielen Unternehmen sind Studienabbrecher gern gesehene Azubis. Beim Programm „Your turn“ der IHK Berlin beispielsweise bekommen Studienabbrecher die Chance, eine Ausbildung in den Bereichen IT, Großhandel und Immobilienwirtschaft zu absolvieren. Das Bildungsministerium hat 2014 das erste Pilotprojekt in dieser Richtung gefördert.

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