Studium Wie die Auszeit zum Karrierekick wird

Viele Absolventen legen zwischen Bachelor- und Master-Studium eine Pause ein. Das kann die Karriere beflügeln – wenn man die Zeit clever nutzt.

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Ingenieur, Model, Weltenbummler: David Tang Quelle: Egill Bjarki Jónsson für WirtschaftsWoche

Als Lukas Rantzau zum ersten Mal zur Reling hochsieht, werfen ein paar Seeleute in ihren Blaumännern gerade die Taue des anlegenden Frachters aus. Rantzau hat seine gelbe Reisetasche geschultert, darin ein paar Jeans, Wechselwäsche, Duschgel, Zahnbürste – das Nötigste für zweieinhalb Monate, mehr wird er nicht brauchen. Während die Kräne schon Teile der Fracht aus dem Schiff heben, besteigt er seinen neuen Arbeitsplatz: einen 266 Meter langen Stahlkoloss, mit Platz für mehr als 4000 Container. Fahrtziel: Südafrika.

Rantzau hat auf dem Containerschiff als Kadett angeheuert. Las Palmas, Port Elizabeth, Lissabon heißen die nächsten Stationen. Doch von Freizeit keine Spur. Kaum hat er am nächsten Morgen seinen Blaumann übergestreift, drückt ihm ein Kollege einen Besen in die Hand. "Wir wollen ein sauberes Schiff, denn wir leben darauf", sagt er. Rantzau fegt das gesamte Deck, den halben Tag lang.

Weit weg vom Hörsaal

Zwei Monate bestimmt der Alltag auf dem schwankenden grau-roten Frachter von nun an den Tagesablauf des 25-Jährigen: Er schrubbt das Deck, überstreicht Rostflecken, spielt Karten, lässt sich beim Schiffsfriseur die Haare raspelkurz schneiden – wie auch die meisten seiner philippinischen Kollegen. "Einen so starken Teamgeist", sagt Rantzau, "habe ich noch nie erlebt."

Worauf man bei einem Gap Year achten sollte

Mit der Fahrt auf die andere Seite der Welt schließt Rantzau sein "Gap Year" ab, das er nach dem Bachelor-Studium eingelegt hatte – neudeutsch für eine bewusst genommene Auszeit zwischen Bachelor-Abschluss und Beginn des Master-Studiums. Bis dahin verbrachte er drei Jahre an der Uni Dresden, internationale Beziehungen, saß in Seminaren zum Völkerrecht, schrieb Hausarbeiten über Geopolitik, lernte Russisch. Und hatte kaum Zeit, die abstrakte akademische Welt zu verlassen. "Im Hörsaal bekommt man kein Gefühl dafür, was in der Welt passiert", sagt er.

Mehr gelernt als im gesamten Studium

Also wollte er nach seinem Abschluss nachholen, was ihm sein Stundenplan verwehrte: Als er im September 2011 den Abschluss in der Tasche hat, geht er für zwei Monate zu Boston Consulting nach München, um Beraterluft zu schnuppern. Danach macht er ein Praktikum im Büro der grünen EU-Parlamentarierin Ska Keller und hilft bei der Organisation der Jahreskonferenz der "Global Young Greens", der internationalen Vereinigung grüner Jugendverbände – im Senegal. "Es war ganz schön anspruchsvoll, die Teilnehmer aus allen Winkeln der Welt zur gleichen Zeit nach Dakar zu kriegen", sagt er.

Schließlich heuert er auf dem Containerfrachter an. Strategieberatung, Politbetrieb, die raue See – in diesem Jahr hat Rantzau mehr über sich gelernt als im gesamten Studium.

Rantzau ist Teil einer Generation von Studenten, die zwar zügig studieren, sich aber nicht mit aller Macht sofort ins Berufsleben stürzen. Ihre Antwort auf die verschulten Turbo-Studiengänge der Bologna-Reform: eine Auszeit nach dem Abschluss.

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