Abiturnote 2,1 – gar nicht so schlecht. Doch für das ersehnte Medizinstudium reicht es trotzdem nicht. Als Melanie Kruschke vor neun Jahren ihr Abiturzeugnis in Händen hielt, wusste sie, dass sie einen Umweg gehen muss. Denn für ein Medizinstudium war auch damals schon ein sehr gutes Abitur von Nöten. Also beginnt sie eine Lehre als Krankenpflegerin, schneidet als Jahrgangsbeste ab, geht nach der Ausbildung für ein Jahr ins Ausland, arbeitet nach ihrer Rückkehr wieder im Krankenhaus – bis es endlich klappt. Dank genügend Wartesemestern ist Melanie Kruschke heute auf dem Weg zu ihrem Traumjob, studiert Medizin in Mainz.
Und sie ist bei weitem nicht die Einzige, die nur über Umwege zu ihrem Traumstudium kommt. Im vergangenen Wintersemester bewarben sich mehr als 44.000 Abiturienten für das Fach Medizin, nur 9000 haben einen Studienplatz erhalten. Im Fach Tiermedizin kommen auf 1000 Plätze 5000 Bewerber. Und auch andere Studienfächer sind je nach Hochschule mit hohen Zugangsschranken belegt.
Wer also nicht auf Anhieb den gewünschten Studienplatz bekommt oder die Bewerbungsfrist verbummelt, muss entweder die Zeit bis zum nächsten Semester überbrücken oder einen alternativen Weg in Richtung Traumjob einschlagen. Wie dieser aussehen könnte? Wir haben zehn Alternativen zusammengestellt:
Die unterschiedlichen Studenten-Typen
Sein Profil ist sehr diffus. Nichts ist ihm so richtig wichtig. Er scheint sich noch nicht entschieden zu haben, was er einmal erreichen möchte. Weder Selbstverwirklichung noch der Erfolg seines Arbeitgebers ist diesem Typ besonders wichtig. Am meisten Wert legt er noch auf Work-Life-Balance. „Wenn sich Sucher-Simon bis zum Ende des Studiums nicht erheblich ändert, wird er es in der Wirtschaft ganz schön schwer haben“, sagt Hesse.
Work-Life-Balance ist für diesen Typ zentral. Der Kinderwunsch ist ausgeprägt, Traditionen hält sie hoch. Sie ist auf der Suche nach einem langfristigen Karriereweg, bei einem Arbeitgeber der sie gut entlohnt und bei dem sie nach Dienstschluss getrost das Handy abschalten kann.
Dieser Typ ist besonders darauf bedacht, anderen Menschen zu helfen, seinen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten und sein Leben mit Sinn zu füllen. Deshalb fordert er von seinem Arbeitgeber eine Unternehmenskultur, die sich an ideellen Werten orientiert. Geld und persönlicher Erfolg sind für ihn zweitrangig. Sich selbst bei der Arbeit zu verwirklichen und einen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens zu leisten, ist für ihn wichtiger.
Familie? Ja – Führungsposition? Ja – Sich sozial engagieren? Ja. An erster Stelle steht bei all dem stets das ausgeglichene Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben. Eine gute Bezahlung vom Arbeitgeber ist ihnen ebenso wichtig, wie sein gesellschaftliches Engagement und seine herausragenden Produkte. Sie wollen langfristige Perspektiven genauso wie flexible Arbeitszeiten. Die hohen Ansprüche stellen sie auch an sich selbst. Sie sind engagiert, interessiert und ambitioniert. „Aber auch sie werden den ein oder anderen Kompromiss eingehen müssen“, sagt Hesse.
Sein persönlicher Erfolg und sein Job stehen für ihn im Vordergrund. Gute Bezahlung und andere materielle Werte sind für ihn wichtig. Er ist ehrgeizig. Ein Viertel aus diesem Cluster ist bereit mehr als 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. „Sie verkörpern die klassische Karriereorientierung, wie sie sie bei den Babyboomern kennengelernt haben“, heißt es in der Studie.
1. Praktikum
Ein Praktikum bringt erste Berufserfahrung. Es sollte möglichst in einem Bereich angesiedelt, der mit dem angestrebten Studium zu tun hat. Umso besser, wenn man sich die Zeit später anrechnen lassen kann. Denn viele Fachhochschulen verlangen ein dreimonatiges Grundpraktikum. Dieses kann schon absolviert werden, bevor der angehende Student eingeschrieben ist. Auch Berufs- und Studienberaterin Karin Wilcke aus Düsseldorf hält Praktika für eine geeignete Überbrückung von einigen Monaten. Allerdings: „Auch ein Praktikum will frühzeitig geplant sein“, sagt die 56-Jährige. „Je begehrter der Arbeitgeber, desto früher muss sich der Abiturient darum kümmern.“
2. Quereinstieg
Schaffen Abiturienten den nötigen Numerus Clausus nicht, bietet sich bei manchen Fächern die Möglichkeit zum Quereinstieg: Man schreibt sich in ein zulassungsfreies Fach ein, in dem Vorlesungen und Seminare angeboten werden, die man auch für das eigentliche Wunschfach braucht. Ein Beispiel: Wer Medizin studieren möchte, könnte mit Biologie oder Biochemie beginnen, einige Scheine sammeln und sich dann auf den Einstieg in ein höheres Semester bewerben. Denn im zweiten oder dritten Semester haben einige schon das Handtuch geworfen und so begehrte Plätze freigemacht. Dieses Prinzip funktioniert nicht nur in der Medizin. Wer beispielsweise Grundschullehramt studieren möchte, könnte über das Lehramt für Hauptschulen einsteigen. „Eine Garantie, dass der Quereinstieg klappt, gibt es nicht“, sagt Thomas Krusche, stellvertretender Leiter der Studienberatung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Wie gut die Chancen sind, hängt davon ab, wie viele Plätze frei geworden sind und wie viele Anwärter den gleichen Trick versuchen. „Wer es nicht schafft, verschwendet Zeit und Geld“, sagt Krusche. „Außerdem werden keine Wartesemester angerechnet, während man in Deutschland ein anderes Fach studiert.“ Entschließen sich die angehenden Studenten trotz der Risiken für den Versuch eines Quereinstiegs, sollten sie sich vorher gründlich bei der Studienberatung vor Ort erkundigen. Was kann angerechnet werden? Wie gut stehen die Chancen an der Hochschule? Wie läuft das Anerkennungsverfahren ab? Tipp: An je mehr Hochschulen Sie den Quereinstieg versuchen, desto wahrscheinlicher ist der Erfolg.
3. Private Hochschulen
Neben staatlichen Hochschulen können Abiturienten auch private Träger für ihr Studium auswählen. Bei einigen dieser Einrichtungen fallen die Zulassungsvoraussetzung deutlich niedriger aus als bei den staatlichen Universitäten. Die renommiertesten privaten Hochschulen, wie die WHU, die Zeppelin Universität oder die EBS in Oestrich-Winkel haben aber ebenfalls harte Aufnahmeverfahren. Allerdings zählt je nach Fach nicht der Abischnitt sondern eine Aufnahmeprüfung. Die Studiengebühren an den privaten Hochschulen können mehrere Tausend Euro pro Semester betragen – also nicht gerade ein Schnäppchen. Außerdem ist bei der Auswahl der Bildungsstätte Vorsicht geboten. „Es gibt neben sehr guten privaten Hochschulen auch obskure Institutionen, die junge Menschen mit aufregenden Fächern, wie Eventmanagement, locken“, sagt Studienberaterin Wilcke. „Ihr Angebot ist aber dürftig und die Studenten können sich ihren Abschluss quasi kaufen. Nach dem Motto: Wer zahlt, besteht.“
Bundeswehr, Auslandsaufenthalte und Freiwilligendienste
4. Bundeswehr-Universität
Die Bundeswehr unterhält in München und in Hamburg Universitäten für ihre Offiziere. Dort können junge Menschen ohne Numerus Clausus studieren – zum Beispiel Psychologie. Auch Medizin können Abiturienten über die Bundeswehr studieren. Hierzu hat sich die Bundeswehr Studienplätze an anderen Hochschulen gesichert. Einen bestimmten Abi-Schnitt müssen die Soldaten aber auch beim Medizinstudium nicht vorweisen. Es gilt andere Voraussetzungen zu erfüllen. Die Bewerber müssen die Offiziersprüfung bestehen und sich für mindestens 13 Jahre zur Bundeswehr bekennen. Dies ist eine einschneidende Entscheidung, denn wer sich verpflichtet, muss damit rechnen in Krisen- und Kriegsgebieten eingesetzt zu werden und sich mit dem Leben in der Kaserne arrangieren. „Wer diesen Weg geht, muss aus voller Überzeugung Soldat werden wollen“, sagt Beraterin Wilcke. „Alle anderen werden es nicht durchhalten.“
5. Im Ausland studieren
Auch diese Variante ist vor allem für diejenigen interessant, die Medizin studieren wollen. In Österreich und Osteuropa gibt es einige Alternativen ohne NC, die allerdings oftmals kostspielig sind. Besonders sprachbegabten Abiturienten empfiehlt Studienberaterin Wilcke Niederländisch oder Französisch zu lernen, um dann in Holland oder Belgien zu studieren. „Das ist vor allem bei der Veterinärmedizin eine gute Alternative.“ Bevor man sich für ein Studium im Ausland entscheidet, sollte man sich genau informieren, ob die Abschlüsse auch in Deutschland anerkannt werden. „Fahren Sie außerdem in das Land Ihrer Wahl und sprechen Sie dort mit deutschen Studenten“, rät Wilcke. „Nur so können Sie herausfinden, ob Sie mehrere Jahre dort leben möchten.“
6. Reisen/Auslandsaufenthalt
Außerhalb von Deutschland können die angehenden Akademiker aber nicht nur studieren, sie können auch einige Monate überbrücken und wertvolle Erfahrungen sammeln – ob als Au-Pair in einer Gastfamilie, an einer Sprachschule oder bei sogenannten Work and Travel-Aufenthalten rund um den Globus. Und auch Abiturienten, die ein Jahr lang einfach nur von A nach B reisen, lernen meist eine Menge. „Sie beweisen ihre Neugier, Anpassungsfähigkeit und Organisationstalent“, sagt Berufsberaterin Wilcke, „das kommt auch später bei Personalern gut an.“
7. Freiwilligendienste
Ebenfalls im Ausland absolviert werden können Freiwilligendienste für einen Zeitraum von mehreren Monaten bis zu zwei Jahren. Organisationen, wie weltwärts, bieten die Mitarbeit in karitativen Projekten an – vom ghanaischen Krankenhaus, über die indische Schule bis hin zur brasilianischen Umweltorganisation. Doch wer einen Anteil am Gemeinwesen leisten möchte, kann das auch in Deutschland tun. Der Bundesfreiwilligendienst ist eine weitere Möglichkeit die Zeit bis zum Studium zu überbrücken. Er dauert in der Regel zwischen sechs Monaten und eineinhalb Jahren. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Sowohl soziale, ökologische als auch kulturelle Einsatzstellen werden angeboten. Grundsätzlich handelt es sich beim sogenannten Bufdi um einen unentgeltlichen Dienst. Ein monatliches Taschengeld von maximal 357 Euro ist allerdings möglich. Freiwilliges Engagement macht sich auch im Lebenslauf gut und wird von zukünftigen Arbeitgebern meist honoriert.
Berufsausbildung, Jobben und Gründen
8. Berufsausbildung
Es gibt eine ganze Reihe von Ausbildungen, mit denen man später zumindest ähnliche Berufe ergreifen kann, wie mit dem gewünschten Studium. „Eine kaufmännische Lehre etwa vermittelt ähnliche Inhalte wie ein BWL-Studium“, sagt Studienberaterin Wilcke. Jemand der Grafikdesign studieren möchte, könne zunächst eine Ausbildung zum Mediengestalter machen. Einige Jobs, die studierte Sozialpädagogen innehätten, könnten auch von gelernten Erziehern bewältigt werden. Oftmals sei die Berufsausbildung nur der erste Schritt der Abiturienten. Das Studium folgt.
Junge Menschen die Medizin studieren möchten, aber nicht die nötigen Noten mitbringen, machen häufig zunächst eine Lehre als Krankenpfleger. Anschließend arbeiten sie den Rest der momentan sechsjährigen Wartezeit in diesem Beruf, bis sie mit dem Medizinstudium beginnen können. „Viele Hochschulen bewerten es positiv, wenn man eine Ausbildung im Krankenhaus absolviert hat“, sagt Studienberater Krusche. „Das kann bei den internen Auswahlverfahren von Vorteil sein.“
9. Jobben
Eine Alternative, auf die man maximal einige Monate zurückgreifen sollte. „Wer nur Getränkekisten schleppt oder eine Putzstelle hat, lernt nichts dazu“, sagt Beraterin Wilcke. „Die Gefahr beim ersten Job hängen zu bleiben, ist groß.“ Die 56-Jährige hält diese Form der Überbrückung nur für geeignet, wenn es sich um einen kurzen Zeitraum handelt oder der Abiturient erst einmal Geld sparen muss, um eine andere Alternative – wie die Weltreise – zu finanzieren.
10. Gründen
Eine Alternative, die nur für wenige Abiturienten in Frage kommt, ist die Selbstständigkeit. Laut Deutschem Gründerverband sind gerade mal 14 Prozent der Existenzgründer unter 25 – viele in dieser Gruppe sind Studenten. Dennoch kann das eigene Startup eine Möglichkeit sein, sich nach dem Abitur zu verwirklichen. Voraussetzung: Die Abiturienten haben eine Geschäftsidee und den Willen für diese hart zu arbeiten und sind bereit das unternehmerische Risiko zu tragen. Der Deutsche Gründerverband kennt sowohl die Vor- als auch die Nachteile sehr junger Gründer. „Sie gehen unbekümmert an die Sache ran. Sie agieren schnell und beherrschen meist die Klaviatur der Social Networks“, sagt Ruth Schöllhammer, Mitglied des Vorstandes beim Deutschen Gründerverband.
Auf der anderen Seite hätten sie mit mangelndem Know-how und fehlender Berufserfahrung zu kämpfen. Daher empfiehlt die Expertin jungen Gründern, sich mit Gleichgesinnten und erfahrenen Jungunternehmern auszutauschen. Außerdem sollten sie sich von einem Berater begleiten lassen. Ebenfalls gilt es zu bedenken, dass es später schwierig sein kann, neben dem Job noch zu studieren. Als Student freiberuflich beziehungsweise selbstständig zum Beispiel als Webdesigner oder Programmierer zu arbeiten, sei eine Sache. „Zeitlich und finanziell aufwändiger sind in der Regel Geschäftsmodelle, die eine Produktion von Gütern vorsehen“, sagt Schöllhammer. „Hier kann eine Teamgründung helfen, um die Lasten auf mehrere Schultern zu verteilen.“