Der Standort für ein neues Technologiezentrum will gut gewählt sein. Erst recht, wenn das Unternehmen der größte Landmaschinenhersteller der Welt ist; wenn es jährlich einen siebenstelligen Betrag investieren will; wenn es exzellente Arbeitskräfte, kompetente Kooperationspartner und eine gute Infrastruktur braucht. Genau deshalb entschied sich der US-Konzern John Deere im Jahr 2009 für: Kaiserslautern.
Die 100.000-Einwohner-Stadt am Rande des Pfälzerwaldes hat neben erstklassigen Riesling-Weinen und zweitklassigem Profi-Fußball noch eine weitere Spezialität zu bieten – die Technische Universität. Diese sei ein „hervorragender Kooperationspartner“, sagt Thomas Peuntner, der bei John Deere für die Hochschulkontakte verantwortlich ist. Er lobt die Praxiserfahrung der Studenten, die offenen Gespräche zwischen Universität und Vertretern der Wirtschaft sowie die Forschungseinrichtungen in der Nähe – darunter das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Die Mischung machte es dem Konzern leicht, sich für Kaiserslautern als Entwicklungsstandort zu entscheiden.
Mit dieser Einschätzung ist John Deere nicht alleine. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen Uni-Rankings, das die Beratungsgesellschaft Universum Communications zusammen mit dem Recruiting-Dienstleister access KellyOCG exklusiv für die WirtschaftsWoche erstellt hat.
Im Wirtschaftsingenieurwesen konnte die TU Kaiserslautern den vierten Rang ergattern, im Fach Informatik reichte es immerhin für Platz fünf. Damit schließen die Pfälzer zu den großen drei dieser Fächer auf – der RWTH Aachen, dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der TU Darmstadt.
Alte Spitzenreiter
An der Spitze der Ranglisten ändert sich allerdings wenig: Auch in diesem Jahr teilen die Aachener und die Universität Mannheim die Goldmedaillen fast unter sich alleine auf. Während die RWTH beim Maschinenbau, der Elektrotechnik, dem Wirtschaftsingenieurwesen, der Informatik und den Naturwissenschaften siegte, landeten die Mannheimer in BWL und VWL ganz vorne.
Im Bereich Wirtschaftsinformatik bevorzugen die befragten Personaler die TU Darmstadt, die Ludwig-Maximilians-Universität München bildet die besten Juristen aus. Doch wer genau hinschaut, entdeckt in den Listen durchaus Bewegung.
Es sind vor allem kleinere und weniger bekannte Bildungsstätten, die sich in die Spitzenklasse einschleichen oder schrittchenweise weiter nach oben kommen.
Unbekannte Aufsteiger
Das gilt besonders für Fächer, in denen geeignete Fachkräfte schwierig zu finden sind. Mehr als 60 Prozent der Personaler sagten den Experten von Universum, 2013 ihren Bedarf an Informatikern weniger gut oder gar nicht decken zu können. Bei den Elektrotechnikern waren es knapp 50 Prozent. „Vor allem in den Ingenieurwissenschaften müssen Unternehmen über den Tellerrand blicken, um gut ausgebildeten Nachwuchs zu bekommen“, sagt Stefan Lake, Deutschland-Geschäftsführer von Universum. Denn an den führenden Hochschulen buhlen sie verstärkt um die Gunst der Talente.
Vor allem an der RWTH Aachen ist der Andrang groß. 2010 sammelte die Hochschule im Dreiländereck fast eine Viertelmilliarde Euro Drittmittel ein – so viel wie keine andere Universität in Deutschland. Mit 72 Millionen Euro trug die Wirtschaft den größten Anteil bei. Jeden Donnerstagabend können sich Unternehmen den angehenden Absolventen als Arbeitgeber präsentieren. Im kommenden Sommersemester stellen sich unter anderem BASF, die European Space Agency und E.On vor. Mehr als 70 Spender-Firmen dankt die RWTH auf ihrer Homepage für deren Gelder. Doch nur die großen deutschen Konzerne wie BMW oder Audi können es sich leisten, auf Universitäten wie Aachen oder Mannheim festgelegt zu sein.
Erfolgsgarant Auto
Denn sie haben einen entscheidenden Vorteil. Kaum ein Produkt berührt die Deutschen so sehr wie das High-Tech-Erzeugnis Auto. So mancher sauste schon als Knirps mit Spielzeugautos durch das Wohnzimmer der Eltern. Und die attraktiven Produkte der Premiumhersteller sind allgegenwärtig – egal, ob auf der Straße oder in der Fernsehwerbung. Andere Unternehmen haben es da schon schwerer.
Zum Beispiel dann, wenn sie Mähdrescher und Rasentraktoren herstellen wie John Deere. Auch der Markenname ist bei Weitem nicht so bekannt wie der deutscher Dax-Konzerne. Deshalb ist es Peuntner recht, dass sich die Qualitäten der TU Kaiserslautern bislang nicht überall herumgesprochen haben und der Andrang noch nicht Aachener Ausmaße angenommen hat. So kommt das Unternehmen in Kaiserslautern problemlos an Nachwuchs.
Mittlerweile arbeiten dort schon 40 TU-Absolventen, regelmäßig laufen gemeinsame Projekte. Erst kürzlich erarbeitete ein studentisches Forschungsteam neue Ideen für die Sensoren an Mähdreschern, mit denen die Maschinen große Steine frühzeitig erkennen oder den Feuchtigkeitsgehalt im geernteten Getreide messen können.
Die beliebtesten Abschlüsse
Auch wenn die Bachelor-Abschlüsse in Deutschland eingeführt wurden, um der Wirtschaft besser spezialisierte Arbeitskräfte zuzuführen - als High Potentials gelten die Bachelor-Studenten nicht. Zumindest nicht bei den Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Erstaunlicherweise sind auch die Uniabgänger mit Doktortitel nicht Arbeitgebers Darling. Ähnlich wie die Bachelor-Studenten rangieren Promovierte eher unter ferner liefen, wenn es um die Suche nach High Potentials geht.
Der Master-Abschluss ist besonders in Österreich beliebt. In der Schweiz gelten auch Fachhochschulabsolventen mit Master-Qualifikation als begehrte High Potentials.
In Deutschland ist das Diplom immer noch der am meisten angesehene Abschluss - Bologna-Reform hin oder her. 99 Prozent der befragten deutschen Chefs suchen Uniabsolventen mit Diplom.
Auf solche Kooperationen legt die Universitätsleitung ebenfalls großen Wert. Vizepräsident Lothar Litz und seine Kollegen richten Forschung und Lehre bewusst an den Bedürfnissen der Industrie in der Region aus. So entstand auch das Zentrum für Nutzfahrzeugtechnologie. Dort tüfteln Wissenschaftler der Hochschule mit Partnern wie Daimler oder Volvo. In einem Masterstudiengang können Studenten aus den Fächern Elektrotechnik, Maschinenbau und Informatik Spezialwissen sammeln, ein Semester ist ausschließlich für Projektarbeit reserviert.
Flugzeuge der Zukunft
Dieser Praxisbezug ist auch bei den Wirtschaftsingenieuren der TU zentraler Bestandteil des Studiums. Sie müssen mindestens 18 Wochen als Praktikanten in Betrieben arbeiten. Viele verdienen sich auch als wissenschaftliche Hilfskräfte an einem der Forschungsinstitute etwas dazu. Solche Kooperationen und Spezialisierungen sind gut fürs Hochschulimage.
Das zeigt auch die Platzierung der TU Braunschweig. Im Fach Maschinenbau konnte sie sich um vier Plätze auf Position fünf vorschieben. Einer der Schwerpunkte ist die Luft- und Raumfahrttechnik. Erst im vergangenen Jahr eröffnete der Campus Forschungsflughafen. Dort arbeiten nun Studenten des Masterstudiengangs Luft- und Raumfahrttechnik gemeinsam mit Experten aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt „am Fliegen von morgen“, wie der damalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister bei der Einweihung im Mai 2012 sagte.
Vom Geheimtipp zum Aufsteiger
Ein weiterer Aufsteiger des Rankings ist die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt im Fach Betriebswirtschaftslehre. Bislang galt die bayrische Hochschule als Geheimtipp, doch dank ihrer forschungsintensiven Ausrichtung und dem familiären Betreuungsverhältnis kann sie immer mehr Personaler überzeugen. Auf etwa 5.000 Studenten kommen 120 Professoren sowie mehr als 200 wissenschaftliche Mitarbeiter und Dozenten. Obwohl es die betriebswirtschaftliche Fakultät am Standort Ingolstadt erst seit 23 Jahren gibt, hat sie bereits prominente Partner angeworben. 18 Unternehmen wie Siemens, die Deutsche Bank oder Vodafone bieten exklusive Praktika, Bewerbertrainings oder Exkursionen zu den Firmenstandorten. Damit sollen die Studenten einen Einblick in die Konzerne und den Berufsalltag erlangen.
An der TU Hamburg-Harburg geht es damit noch früher los. Im Fach Elektrotechnik erwartet die Hochschulleitung von den Bewerbern bereits vor Beginn des Studiums praktische Erfahrung. Die Abiturienten sollen vorab zehn Wochen in einen Industriebetrieb hineinschnuppern, um ihr späteres Arbeitsumfeld kennenzulernen. Das gefällt auch den Personalern. Sie wählten die TU Hamburg-Harburg im Fach Elektrotechnik auf Rang sechs.
In den Naturwissenschaften kann die Goethe-Universität Frankfurt am Main neuerdings auf sich aufmerksam machen. Zum ersten Mal gelang ihr der Sprung unter die ersten zehn. Kein Wunder, denn die Frankfurter sind exzellent – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Hochschule beheimatet gleich drei Exzellenzcluster. Das sind von Bund und Ländern geförderte Forschungsprogramme, die jährlich einen einstelligen Millionenbetrag erhalten.
Hochschulen profitieren vom Reputationsgewinn
Doch die Hochschulen profitieren nicht nur finanziell. Werner Müller-Esterl, Präsident der Goethe-Universität Frankfurt, vergleicht die Exzellenzcluster mit „Diamanten in einer Krone“. Sie würden die Aufmerksamkeit der Unternehmen wecken, denn „sie strahlen in alle Richtungen“. Dieser Reputationsgewinn wirkt sich vor allem auf die Naturwissenschaftler aus. Sie sind an zwei der drei geförderten Forschungsprojekte beteiligt. Das eine Programm ist am Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie angesiedelt. Das andere beschäftigt sich mit Herz- und Lungenkrankheiten, gehört somit zwar zum Fachbereich Medizin. Aber die angehenden Ärzte arbeiten eng mit den Biologen zusammen.
Damit die Vorzeigeforscher der Goethe-Universität unter optimalen Bedingungen arbeiten können, wurden etwa 155 Millionen Euro in Neubauten am Campus Riedberg investiert. Herzstück ist das Biologicum. Zusammen mit den Gewächshäusern, Klimakammern und einem neuen Tierhaus löst es den in den Sechzigerjahren errichteten Biocampus im Stadtteil Westend ab. Bis spätestens 2017 sollen auch Mathematiker und Informatiker in den Norden der hessischen Metropole umziehen. Am Campus Westend sind ebenfalls herausragende Fakultäten der Frankfurter beheimatet. Die Personaler wählten die VWLer der Goethe-Universität auf Platz zwei.
Auch international hat sich die hessische Hochschule etabliert. Beim Uni-Ranking der „New York Times“ schnitt sie im Oktober 2012 als beste deutsche Bildungseinrichtung ab und landete auf dem zehnten Rang weltweit, nur einige Plätze hinter dem Massachusetts Institute of Technology und der Princeton-Universität. International bekannte Hochschulen wie die Universität St. Gallen konnte sie sogar hinter sich lassen.
Tipps für die Studienplatzsuche in letzter Minute
Auf www.freie-studienplaetze.de informiert die Stiftung für Hochschulzulassung über Hochschulen, in denen es wenige Wochen vor Semesterbeginn noch freie Studienplätze gibt.
Manche Hochschulen bieten – wenn in einem Jahr zu wenig Anmeldungen eingegangen sind – Nachrück-Programme an. Dafür müssen Sie sich ganz normal bewerben und oft auch einen Eignungstest bestehen. Aber die Aussichten sind gut.
Wenn das Studium für Sie ohnehin nur ein schneller Weg in den Beruf in der Wirtschaft sein soll, könnte ein duales Studium mit fest integrierten Praxisblöcken eine Alternative sein. Dazu brauchen Sie in der Regel nur den Platz beim Ausbildungsbetrieb, der Studienplatz ist dann gesichert. Es gibt Unternehmen, die auch in den letzten Wochen noch Bewerber als duale Studenten nehmen.
Ein Studium im Ausland kann eine Option sein, denn in einigen Ländern sind deutsche Studenten auch noch kurz vor Semesterbeginn willkommen. Möglicherweise höhere Kosten und natürlich die die Sprachbarriere müssen Sie in Kauf nehmen.
Globale Mundpropaganda
Um diesen Spitzenplatz zu sichern, setzt Präsident Müller-Esterl auf seine Absolventen: Wenn die im Ausland Führungspositionen ergattern und gute Arbeit leisten, „beginnt die internationale Mundpropaganda“, hofft er. Und das ist gar nicht so unwahrscheinlich.
Immerhin kann sich mehr als die Hälfte der deutschen Hochschulabsolventen vorstellen, außerhalb Deutschlands zu arbeiten. Das ergab eine Studie, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Jahr 2011 veröffentlichte. Die meisten wollen Auslandserfahrung sammeln, erhoffen sich bessere Gehälter und halten ihre Karrierechancen fernab der Heimat für größer.
Die gefragtesten Softskills der Personaler
Und auch wenn sie eines Tages zurückkehren, haben sie beste Berufsaussichten. Sehr gute Englischkenntnisse und Auslandserfahrung gehören nach wie vor zu den relevantesten Qualifikationen. Am meisten Wert legen die Personaler jedoch auf Persönlichkeit. Zum ersten Mal fragte Universum deshalb nach den wichtigsten Softskills der potenziellen Mitarbeiter. Das Ergebnis: Die Unternehmen wünschen sich vor allem, dass sich die Bewerber adäquat ausdrücken, lösungsorientiert und analytisch denken sowie im Team arbeiten können.
Auch in diesen Anforderungen zeigt sich der Wunsch nach praxisorientiertem Nachwuchs. Aber vor allem Bachelor-Absolventen können Personalern in puncto Reife, Praxiserfahrung und Selbstständigkeit noch nicht überzeugen. Ein Grund, warum die Universität Frankfurt seit 2007 mehrtägige Workshops anbietet, in denen die Studenten ihre Schlüsselkompetenzen trainieren. Das Interesse daran ist groß: Für den Einführungskurs Rhetorik im Sommersemester gab es in wenigen Tagen doppelt so viele Anmeldungen wie Plätze.
Wie wertvoll diese Übungen sind, hat sich nicht nur unter den Studenten schnell herumgesprochen. Ehemalige Teilnehmer berichten von Personalern, die in Vorstellungsgesprächen die Teilnahmebescheinigungen solcher Workshops interessanter fanden als die Noten der Bewerber. Andere bedanken sich per E-Mail für die gute Vorbereitung auf den Berufsalltag. Selbstbewusst aufzutreten ist für sie jetzt kein Problem mehr.
Das gilt auch für die Aufsteiger des Uni-Rankings. Denn sie haben trotz der Übermacht einiger weniger Hochschulen auf sich aufmerksam gemacht und sich sukzessive nach vorne gearbeitet. An ein Ende des Oligopols an der Spitze des Rankings glaubt aber selbst der Kaiserslauterner Vizepräsident Litz nicht: „Es wäre verwegen, wenn wir das Ziel hätten, in ein paar Jahren die RWTH Aachen eingeholt zu haben.“