Harald Bahner hingegen behauptet, dass seine Autorinnen und Autoren ausschließlich Hausarbeiten in Fächern schreiben, "in denen nachweislich Fachkenntnis aufseiten des Autors vorliegt."
Während seine Autoren die bestellten Arbeiten verfassen, arbeitet Bahner als Geschäftsführer unter anderem daran, die Platzierung seiner Website in den Google-Suchergebnissen zu verbessern. Bahner über Bahner: "Ich bin ein Internetunternehmen."
3. Der Guttenberg-Boom
Der Durchbruch kam Anfang 2011. "Da hat’s einfach gekracht und gebrummt, da ist mein Laden fast auseinandergeflogen", sagt Harald Bahner. Damals wurde bekannt, dass der Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg seine Doktorarbeit schlampig aus alten Arbeiten und Zeitungsartikeln zusammenkopiert und von der Uni Bayreuth trotzdem eine Auszeichnung für akademische Bestleistungen bekommen hatte: summa cum laude.
Das Thema beherrschte wochenlang die Schlagzeilen, es wurde offen darüber spekuliert, ob Guttenberg einen Ghostwriter beschäftigt habe. Die Anzahl der Anfragen habe sich in dieser Zeit verdreifacht, sagt Bahner. Nur ein kleiner Teil seiner Kunden bestelle Dissertationen, sagt er, meist gehe es um studentische Haus- und Abschlussarbeiten. Bahner sagt: "Guttenberg war der größte Werbefeldzug für wissenschaftliche Ghostwriter."
Das nützte jedoch nicht nur Bahner. Wer heute Stichworte wie "Hausarbeit schreiben lassen" googelt, findet unzählige Websites. Darunter auch solche, die auf den ersten Blick professionell gestaltet sind, aber statt einer Anschrift bloß eine E-Mail-Adresse bei Yahoo angeben – und deren Werbetexte voller Rechtschreibfehler sind. Es seien zahlreiche "zwielichte Gestalten" angelockt worden, so Bahner, "damit wird die gesamte Ghostwriter-Branche zunehmend in Misskredit gezogen".
Harald Bahner hält sich für einen seriösen Unternehmer, die meisten seiner neuen Konkurrenten aber für Blender. Um das zu beweisen, führte er jahrelang Gerichtsprozesse, vor allem gegen einen neuen Mitbewerber namens Acad Write. Mal gewann Bahner, mal verlor er. Oft ging es darum, sich gegenseitig die großspurigen Werbeaussagen zu verbieten, etwa "einer der Marktführer" zu sein oder "einer der etabliertesten" Anbieter. Kleinigkeiten, könnte man denken, für die Bahner nach meiner Schätzung Zehntausende Euro in Anwalts- und Prozesskosten versenkte. Harald Bahner kommentiert diese Summe nicht. Bescheidener ist er durch die Prozesse jedenfalls nicht geworden: Heute bezeichnet er sich auf seiner Website als "König der Ghostwriter im gesamten deutschsprachigen Raum".
4. Marktforschung
Einige Monate nach meinem Besuch bei Harald Bahner fahre ich nach Frankfurt, in ein Hotel im Bahnhofsviertel: Nachkriegsbau, zwei Sterne, Zimmer mit Duschkabine ab 59 Euro pro Nacht. Im Raum Neckar im Erdgeschoss sind die Vorhänge zugezogen. Draußen rauscht der Verkehr vorbei, drinnen sitzen zwölf Männer und Frauen an Konferenztischen und plaudern. "Du schreibst jetzt vor allem Philosophie?", fragt einer seinen Sitznachbarn. "Philosophie", antwortet der, "auch Naturwissenschaften, Chemie, Geschichte." Man könnte glauben, man sei in eine Tagung der Universalgelehrten hineingeraten. Tatsächlich treffen sich heute die Mitarbeiter von Acad Write zur Marktforschung.
Acad Write ist einer der großen Anbieter für akademisches Ghostwriting im deutschsprachigen Raum. Vielleicht sogar der größte. Die Leute von Acad Write würden das selbst nicht behaupten. Es wurde ihnen verboten, nach einer Klage von Harald Bahner. Was sie jedoch behaupten, ist, dass ihre Autoren nur in Fächern schreiben, die sie selber studiert haben – ein Widerspruch, so scheint es mir, zu dem Dialog der Sitznachbarn, den ich im Raum Neckar aufgeschnappt habe.