Verdienst Der Ghostwriter-Report

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PR-Offensive

Drei Studenten betreten den Raum und setzen sich. Ganz rechts ein schlaksiger Mittzwanziger, dessen blondes Haar schon schütter wird. Studium: Englisch und Geschichte auf Gymnasiallehramt. Links daneben: eine gleichaltrige Juristin mit Perlenohrringen und Nerdbrille. Ganz außen: eine Frau in sackigen Kleidern, die vom Alter her die Mutter der beiden sein könnte. Sie studiert Kunstgeschichte.

So viel Geld lässt sich an Hochschulen verdienen
BesoldungsstufenSeit dem Jahr 2002 werden Hochschullehrer nach dem Professorenbesoldungsreformgesetz in die Besoldungsgruppen W 1 bis W 3 eingeteilt. Zur Gruppe W1 gehören die Juniorprofessoren. Sie bekommen ein Grundgehalt 4105 Euro im Monat. Professoren und Professorinnen an Universitäten, Fachhochschulen, Kunsthochschulen oder Pädagogischen Hochschulen sowie Hochschulpräsidenten, Vizepräsidenten, Rektoren, Prorektoren und Kanzler fallen unter die Besoldungsgruppe W2, Lehrstuhlinhaber unter W3. Bis zum Januar 2013 lag deren Grundgehalt bei 4681,39 Euro monatlich (W2) beziehungsweise 5672,13 Euro monatlich. Nach einer Anhebung der Besoldungsgruppen liegt das Grundgehalt der W2- und W3-Professoren nun bei 5100 Euro monatlich (W2) und 5.700 Euro im Monat. Quelle: Fotolia
DekanDie Professoren aus den Besoldungsstufen W2 und W3 beziehen außerdem - je nach Absprache mit der jeweiligen Hochschule - Zulagen. Diese dürfen allerdings nur maximal 40 Prozent des Grundgehalts betragen. So bekommen beispielsweise Professoren, die den Job als Dekan übernehmen, rund 500 Euro im Monat zusätzlich. Quelle: Fotolia
Besondere LeistungenAuch wer sich in Forschung und Lehre besonders hervorgetan hat, kann sich über Boni freuen. Allerdings sind die Kriterien, was als besondere Leistung gilt, nicht immer transparent: Bei einer Uni ist die Betreuung einer Doktorarbeit belohnenswert, bei der anderen muss es eine Publikation in einem renommierten Fachmagazin sein und bei der nächsten ein Preis in der Forschung. Laut Satzung der W-Besoldung betragen die Prämien für "herausragende Leistungen" 500 Euro monatlich sowie 250 Euro monatlich für "überdurchschnittliche Leistungen" - und das maximal drei Jahre lang. Außerdem sind Einmalzahlungen möglich, die sich zwischen 3000 Euro und 6000 Euro bewegen. Quelle: Fotolia
DrittmittelSorgt ein Hochschullehrer dafür, dass seine Alma Mater Spenden von der Industrie bekommt, kann die Uni ihn dafür ebenfalls belohnen. Hier sind die Zulagen allerdings nicht einheitlich geregelt - es entscheidet also die Höhe des Hochschuletats. Quelle: Fotolia
BleibeverhandlungenWill eine Universität Professoren von anderen Hochschulen abwerben oder die eigenen Leute zum Bleiben bewegen, darf sie ebenfalls mit Boni locken. In diesem Fall sind der Höhe der Prämien keine Grenzen gesetzt. "Leistungsbezüge dürfen den Unterschiedsbetrag zwischen den Grundgehältern der Besoldungsgruppe W 3 und der Besoldungsgruppe B 10 übersteigen [...], wenn dies erforderlich ist, um den die Abwanderung des Professors an eine andere deutsche Hochschule zu verhindern ", heißt es im Gesetz. Es ist außerdem Sache der jeweiligen Uni, ob die Bleibeboni und Anlockprämien monatlich, einmalig, befristet oder unbefristet bezahlt werden. Quelle: Fotolia
FamilienzulageOftmals sind in den Bruttobezügen auch Zuschläge für die Familie enthalten. In einigen Ländern ist auch das Weihnachtsgeld einberechnet. Quelle: Fotolia
Regionale UnterschiedeDoch nicht nur beim Weihnachtsgeld oder der Familienzulage gibt es regionale Unterschiede. In Berlin bekommen Hochschullehrer das niedrigste Bruttoeinkommen: Juniorprofessoren gehen im Schnitt mit 3654 Euro im Monat nach Hause, Professoren der Stufe W2 mit 4891 Euro und W3-Professoren mit durchschnittlich 6954 Euro brutto. In Bayern beträgt das durchschnittlich Bruttoeinkommen von Hochschullehrern dagegen 4055 Euro (W1), 5583 Euro (W2) und 7561 Euro im Monat (W3). Quelle: Fotolia

Alle drei sind an Hochschulen im Rhein-Main-Gebiet immatrikuliert. Ihre Namen müssen geheim bleiben, das ist die Bedingung des Gastgebers. "Diskretion ist unser Geschäft", sagt Herbert Jost-Hof. Er trägt ein senffarbenes Hemd, eine farblich darauf abgestimmte Krawatte und beginnt, die Studenten auszufragen. Ist an den Unis genug Forschungsliteratur vorrätig? Wie sieht die Betreuung aus? Fühlen sie sich alleingelassen? Es ist ein Gespräch über die Studienbedingungen an Massenuniversitäten. Oder: Marktforschung in einer Wachstumsbranche.

"Ich habe jetzt mal eine interessante Frage", platzt Thomas Nemet, der Agenturchef, dazwischen. "Wie nehmen Sie Ghostwriter wahr?" Erst antwortet keiner, dann der Lehramtsstudent. "Weiß nicht, ob ich das wahrnehmen würde", sagt er. "Wegen meines Anspruchs." Er knetet seine Hände. "Was ist, wenn Ihnen Begleitung angeboten wird, die es an der Uni nicht gibt?", fragt einer der Ghostwriter. Die Jura-Studentin nickt und sagt: "Im Grunde wie ein Repetitorium, oder?"

Das wollten die Leute im Raum Neckar hören: eine Zukunft, in der Ghostwriting so normal ist wie heute schon juristische Repetitorien.

5. Die PR-Offensive

Thomas Nemet liebt seine Konkurrenten. "Je mehr Leute an dem Markt teilnehmen", sagt er und klopft dabei auf die Tischplatte, als wolle er jedes Wort unterstreichen, "desto größer ist der Werbeeffekt." Nemet ist ein 44-Jähriger mit sanften Gesichtszügen. Er wirkt jungenhaft, trotz seines dunklen Anzugs. Harald Bahner, der Internetpionier aus Berlin, wirkte während des Interviews angespannt und wollte auf keinen Fall fotografiert werden. Thomas Nemet hingegen gibt sich locker und offen. Er scherzt, spielt Mitarbeiterdialoge nach und erzählt mir von seinem letzten schlimmen Liebeskummer. Nemet ist ein PR-Profi und sucht das Rampenlicht. Er gibt gerne Interviews, es sind sogar Homestorys über ihn erschienen. Thomas Nemet arbeitet hart daran, das akademische Ghostwriting als eine ganz normale Dienstleistung darzustellen. Gelänge ihm das, könnte das Geschäft mit den Hausarbeiten noch weiter wachsen.

Das Erste, was Thomas Nemet klarstellt, ist, wie wichtig ihm kollegiale Beziehungen sind – trotz der Streitereien mit Harald Bahner. Die GWriters und Roland Franke, ein Ghostwriter aus Ostwestfalen, kenne er persönlich, sagt Thomas Nemet. Er spricht ausschließlich positiv über sie.

Deutschlands beste Universitäten 2014

Sein Handwerk hat Thomas Nemet als Autor bei Hausarbeiten24.com gelernt, einer Ghostwriter-Agentur in Münster. Er sei ein sehr guter Autor gewesen, sagt sein damaliger Chef Dirk Bocklage heute. Aber das reichte Thomas Nemet nicht. Er gründete Acad Write, seine eigene Agentur. Das war 2004, sagt Nemet.

Seine Mutter sei anfangs skeptisch gewesen, aber jetzt gebe es Acad Write seit zehn Jahren, in dieser Zeit habe die Agentur 8.608 Aufträge bearbeitet. Insgesamt seien auf diese Weise 232,416 Seiten mit 418.348.800 Zeichen zusammengekommen. Nemet sagt, dass er sechs Mitarbeiter habe, allein für das administrative Geschäft, Controlling, Vertrieb, plus Hunderte freier Autoren. Der prognostizierte Jahresumsatz: zwei Millionen Euro.

Thomas Nemet ist ein Geschäftsmann, komplett mit Rolex am Handgelenk. Inzwischen habe er sogar einen Doktortitel, erzählt er. "Meine Kollegen sagten: 'Du musst jetzt mal promovieren.' – 'Wieso muss ich jetzt promovieren?' – 'Na, es verkauft sich besser.'" Ein Bekannter habe ihm eine Hochschule in Costa Rica empfohlen mit den Worten: "Das ist relativ einfach zu bewältigen, das Verfahren, dort werden dir nicht so viele Steine in den Weg gelegt."

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