Gefühle Haben Sie heute schon die Sau rausgelassen?

Wut, Neid und Faulheit gelten als Karrierekiller. Dabei können die vermeintlich negativen Emotionen durchaus nützlich sein. Haben Sie heute schon gezeigt, welche Emotionen in Ihnen stecken?

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So klappt der Umgang mit schwierigen Chefs
Einem Manager kommt Rauch aus den Ohren Quelle: Fotolia
Ein Mann und eine Frau sitzen sihc im Büro gegenüber Quelle: Fotolia
Zwei Männer stützen ihre Arme auf Tischplatten Quelle: Fotolia
Zwei Frauensitzen sich in einem Büro gegenüber Quelle: Fotolia
Mann reicht einer Frau einen Kugelschreiber Quelle: Fotolia
Zwei Männer geben sich die Hände Quelle: Fotolia
Zwei Männer besprechen eine Akte Quelle: Fotolia

Manche Tage im Büro sind einfach Mist. Dann kommt der Chef kurz vor Feierabend mit einer zusätzlichen Aufgabe vorbeigeschneit, die natürlich mit den Worten „Na klar, sehr gerne“ entgegengenommen wird. Oder der unbeliebte Kollege wird befördert und einem selbst bleibt nur, festzustellen: „Super, ich freue mich total für ihn.“ Und auch die zeitraubende, ergebnislose Besprechung lächeln wir mit einem „eigentlich schon alles ganz okay“ weg. Das ist natürlich Quatsch. Für die Beförderung war man selbst zu faul, auf den unverdienten Karriereschritt des anderen ist man neidisch und über die verlorene Zeit wegen des ewig dauernden Meetings einfach nur wütend.

Wut, Neid und Faulheit vergiften das Klima - oder?

Doch diese Emotionen haben einen schlechten Ruf. Wut, Neid und Faulheit sind die Ausgestoßenen unter den Befindlichkeiten. Es heißt, sie vergiften die Unternehmenskultur, machen unglücklich und damit auch unproduktiv. In klinisch sauberen Bürotürmen gibt es keinen Platz für sie. Wer sie dort auslebt, kann gleich einpacken. Kein Wunder also, dass wir unsere wahren Gefühle im Berufsleben häufig verstecken. Das ist auf der einen Seite auch gut so: Eine gewisse Form der Impulskontrolle ist nun mal eine wichtige Grundlage für zivilisiertes Zusammenleben. Doch die vermeintlich negativen Emotionen gänzlich zu ignorieren ist auch falsch.

Mit wem wir uns im Beruf am häufigsten streiten

Dirk Lindebaum, Professor an der Cardiff Business School in Wales, hat zusammen mit Peter Jordan, einem Wissenschaftler an der australischen Griffith-Universität, eine Sonderausgabe des Fachjournals „Human Relations“ zu dem Thema herausgegeben. Er sagt: „Labels wie negativ lenken davon ab, welche Funktionalität die Emotion eigentlich hat.“ Denn wer sich schlecht fühlt, dem signalisiert das Gehirn, dass etwas nicht richtig läuft und einer Änderung bedarf. Dahinter verbirgt sich eine gute Nachricht für alle Neidhammel, Faulpelze und Wutbürger: Wer diese Gefühle richtig deutet und kanalisiert, kann damit sich und auch seinem Arbeitgeber nutzen.

"Wut ist ein Motor"

Mit dem weichen, österreichischen Akzent von Gabriel Diakowski ausgesprochen, klingen auch provokante Sätze freundlich. „Höflichkeit ist oft ein Korsett“, sagt der Gründer der PR-Agentur D wie Denken, „Man formuliert Dinge zu vorsichtig, nur um nett zu sein.“ Für ihn ist diese Form der Diplomatie das Todesurteil für jegliche Kreativität. Sein Gegenmittel ist einfach: „Wut ist ein toller Motor.“ Ein Beispiel: Diakowski und seine Kollegen brüten etwa über einer neuen Kampagne, kommen aber nicht weiter. Dann kann es passieren, dass der Agenturchef die anderen absichtlich zur Weißglut treibt. „Ich will wütende Reaktionen. Daraus entstehen oft die besten Ideen“, sagt er.

Selten hört man Entscheider in der Wirtschaft so offen über Wut sprechen, denn kaum ein Gefühl hat mehr negative Konnotationen. Denkt man an Wut, denkt man auch an Feindseligkeit, Boshaftigkeit und Zerstörung. Und das hat gerade im Job nichts zu suchen. Ein Manager wie der Ex-Lehman-Brothers-Chef Richard Fuld, der aufgrund seiner häufigen Wutausbrüche und der schroffen Art von seinen Mitarbeitern „Gorilla“ genannt wurde, oder der Ausraster von Werber André Kemper, der auf dem Wiener Opernball vor laufender Kamera einen Gast mit einem Faustschlag niederstreckte, wirken wenig kompetent. „Manche weisen Männer haben den Zorn als eine vorübergehende Geisteskrankheit bezeichnet“, schrieb der römische Philosoph Seneca.

Mit Wut zum besseren Menschen

Dabei erfüllt die Wut auch wichtige Funktionen. Zum einen verrät sie uns, was uns wichtig ist. „Jede Emotion hat einen Informationsgehalt“, sagt Lindebaum. Wer sauer wird, dem liegt der Auslöser am Herzen. Zum anderen gibt sie uns Energie zum Handeln. Probleme werden unter Einfluss der Wut schneller und effektiver gelöst.

Und: Sie macht uns sogar zu besseren Menschen. In seiner Forschung beschäftigt sich Lindebaum aktuell vor allem mit der moralisch motivierten Wut – ein Gefühl, dass auftaucht, wenn anderen Unrecht getan wird. „Sie entsteht zum Beispiel, wenn man zuschaut, wie der Chef einen Kollegen für die Fehler anderer verantwortlich macht und man das Bedürfnis hat, einzuschreiten“, sagt Lindebaum. Spricht man die wahrgenommene Ungerechtigkeit an, kann Wut für mehr Fairness am Arbeitsplatz sorgen.

Wut ist nicht gleich Wut

Dazu muss allerdings auch die Unternehmenskultur stimmen. „Wenn ich generell sage, jegliche Wut ist schlecht, habe ich ein Problem“, so Lindebaum. Mitarbeiter müssen sie deshalb zum Ausdruck bringen können, ohne gleich als Choleriker abgestempelt zu werden.

In Verhandlungen kann Wut ebenfalls hilfreich sein – vorausgesetzt natürlich, sie wird richtig eingesetzt. Marwan Sinaceur von der ESSEC Business School in Paris und Larissa Tiedens vom amerikanischen Scripps College konnten in Experimenten zeigen, dass Verhandlungsführer größere Zugeständnisse von ihrem Gegenüber bekommen, wenn sie wütend auftreten. Ehrlicherweise beobachteten die Wissenschaftler diesen Effekt aber nur, wenn der Verhandlungspartner keine Alternativen zu einer Einigung hatte.

Umgang mit Wut üben

Hinter den guten Seiten der Wut lauert immer auch die Gefahr, spontan überzureagieren. Aber: Den richtigen Umgang kann jeder trainieren. Der Aggressionstherapeut Michael Kopper bringt seinen Patienten eine Art Frühwarnsystem bei, damit die Wut nicht überkocht. „Solche Erregungszustände waren in der Steinzeit hilfreich, wenn ein Säbelzahntiger auf uns zu rannte“, sagt Kopper. Heute brauchen wir so viel Energie meistens nicht. Wer also richtig wütend ist, sollte zunächst durch Atemübungen oder Zähltechniken versuchen, den ersten Affekt von der darauffolgenden Handlung zu entkoppeln.

So entkommen Sie Wut und Frust im Job
eine Frau meditiert Quelle: Fotolia
Frau hat einen Wutanfall Quelle: Fotolia
Mann hält sich den Mund zu Quelle: Fotolia
Frau hält sich die Ohren zu Quelle: Fotolia
Ein Mann und eine Frau unterhalten sich Quelle: Fotolia
Eine Frau trinkt aus einer Wasserflasche. Quelle: dpa
Ein Mann im Anzug kurz vor'm Sprint Quelle: Fotolia

„Neid ist ein hässliches Wort“

Wenn Bilal Zafar an die Unternehmer-Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer denkt, überkommt ihn ein Gefühl, dass er eigentlich nicht mag: „Neid ist ein hässliches Wort“, sagt der Gründer des Start-ups Richtiggutbewerben.de. „Aber jeder Mensch empfindet diese Emotion ab und zu.“

Worauf er neidisch ist? Zafar gründete sein Unternehmen zusammen mit seinem Bruder Adil. Das läuft gut, ist aber weit entfernt von einem Imperium. Wenn er sich dann anschaut, was die Samwers mit Rocket Internet – trotz dessen derzeitiger Krise – in kurzer Zeit erschaffen haben, wünscht er sich einen ähnlichen Erfolg.

Zafar findet dabei nichts Schlimmes. „Wer neidisch ist, aber dem anderen seinen Erfolg gönnen kann, ist motivierter, alles zu tun, um genauso erfolgreich zu sein.“

Solche Töne sind selten, Neid gilt doch als eines der niederträchtigsten Gefühle. „Das ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass der Neid es auf die gleiche Liste geschafft hat wie ,Du sollst nicht töten!‘“, sagt Niels van de Ven von der Universität Tilburg. Der Professor erforscht das Gefühl schon seit einiger Zeit. Den Kern des Neidischseins sieht van de Ven im Vergleich mit anderen. Fühlen wir uns dabei minderwertig, werden wir neidisch. Doch es gibt eine Einschränkung: Das Gefühl tritt vor allem dann auf, wenn es realistisch ist, das Gleiche zu erreichen. Usain Bolts Sprintrekorde erwecken deshalb in den meisten Menschen keinen Neid, die clevere Idee eines Kollegen schon.

Außerdem muss der Erfolg verdient sein. Denn um aus Neid Motivation zu ziehen, muss der Mensch anerkennen, dass die andere Person hart dafür gearbeitet hat. Diese Einsicht ist nicht immer einfach, aber nur daraus entsteht der wohlmeinende Neid und damit auch der Ansporn, es den Beneideten gleichzutun. Die Wirksamkeit konnte Forscher van de Ven in mehreren Experimenten nachweisen.

Man muss auch gönnen können

In einer Studie aus dem Jahr 2011 etwa sollten sich die Teilnehmer an eine Situation erinnern, in der sie jemand anderen beneidet hatten. Die eine Hälfte der Probanden stellte sich dabei vor, derjenige hätte den Erfolg verdient, der andere Teil gönnte ihm den Erfolg nicht. Anschließend gab van de Ven ihnen drei Wörter vor, die Probanden mussten ein viertes, dazu passendes, ergänzen.

Ein Beispiel: Kaffee, Kuchen, Butter. Ein mögliches viertes Wort wäre Tasse. Und siehe da: Diejenigen, die anderen ihren Erfolg gönnten, fanden deutlich mehr Lösungen. Der wohlmeinende Neid motivierte die Teilnehmer also mehr als sein böswilliger Bruder. Problematisch wird es, wenn das mit der Umwandlung nicht funktioniert. Dann führt er nämlich dazu, dass man den Erfolgreicheren auf das eigene Niveau herunterziehen will – und zwar indem man ihm schadet.

Der verborgene Wert des produktiven Faulenzens

Ein ähnlicher Effekt tritt für denjenigen ein, der dem erfolgreichen Kollegen permanent nacheifert, aber nie so gut wird. „Bleibt der Statusunterschied bestehen, obwohl man sich anstrengt, verliert der Neid seinen Effekt“, sagt Niels van de Ven.

Wenn Manfred Kets de Vries über die Vorzüge des Nichtstuns philosophiert, erzählt er gerne von einem Abendessen mit einer ehemaligen Studentin. Hélène, wie der Managementprofessor der französischen Business School Insead die Frau nennt, arbeitet in leitender Position in einer Bildungsorganisation. An die 500 E-Mails bekomme sie täglich. Davon lese sie: keine. Warum? „Würde ich sie lesen, würde ich meine Arbeit nicht richtig machen“, sagt sie. Ihr Job sei es schließlich, über die Zukunft des Bildungssystems nachzudenken. Dafür braucht sie Zeit. Zeit, die sie nicht hätte, wenn sie alle E-Mails beantworten würde.

Diese Anekdote schildert der Professor auch in einem Aufsatz, in dem er den verborgenen Wert des produktiven Faulenzens ergründet. „Das vielleicht größte Problem, das wir heute haben, ist nicht, dass wir zu wenig tun, sondern zu viel“, schreibt er darin.

Fast jeder ist heute einem unaufhörlichen Informationsfluss ausgesetzt, man multitaskt zwischen mehreren Projekten und jongliert nebenher noch das Privatleben. Textnachrichten, Anrufe, Handyvideos füllen jede freie Sekunde, in der der Geist früher durchatmen und auf neue Ideen kommen konnte. Doch dieser fehlgeleitete Aktionismus erstickt die Vorstellungskraft, wie die Psychologin Teresa Amabile von der Harvard Business School zeigen konnte. Über mehrere Jahre hinweg ließ sie mehr als 200 Angestellte in sieben verschiedenen Unternehmen Tagebuch führen und ihre Erfahrungen von Zeitdruck und Kreativität aufschreiben. Und siehe da: Die Teilnehmer waren an Tagen, an denen sie wenig Druck hatten, deutlich kreativer. Das wusste auch schon der legendäre General-Electric-Chef Jack Welch, der sich jeden Tag eine Stunde Zeit nahm, um aus dem Fenster zu schauen.

Kreativität ist wichtiger als Fleiß

Doch das haben viele scheinbar einfach verlernt. „In unserem Arbeitsalltag beschränken wir uns häufig auf rein operative Tätigkeiten und vergessen dabei die kreative Komponente unserer Arbeit“, sagt Karl de Molina, Gründer der Softwarefirma ThinkSimple. Eine Ursache dafür liege auch in der deutschen Mentalität. Hierzulande suche man Lösungen in der Ordnung und im Fleiß. Früher hat das gereicht. „Heute sind Kreativität und gekonnter Umgang mit dem Chaos notwendig, um kreativ mit unseren komplexen Aufgaben umzugehen zu können“, so de Molina.

Um dieser Fleißfalle zu entgehen, hat de Molina in seinem Arbeitsalltag das Nichtstun fest integriert. „Operative Faulheit“ nennt er das. Er minimierte Routinetätigkeiten, delegierte unwichtige Aufgaben und betrachtet seitdem das große Ganze, anstatt jedes Detail zu kontrollieren. Dazu gehört auch, dass er es in machen Situationen hält wie Altkanzler Helmut Kohl und akute Probleme aussitzt. Gar keine so leichte Aufgabe, vor allem wenn seine Mitarbeiter nach einer Reaktion von ihm schreien.

Denn bevor der falsche Eindruck entsteht: Faulheit alleine ist keine Grundlage, um erfolgreich zu sein. Das Nichtstun erfordert Geduld und Ausdauer – keine klassischen Eigenschaften von Faulenzern. Am Ende bleibt auch noch ein weiteres Problem: Ob Faulheit einen Nutzen hat oder nicht, sieht man immer erst im Nachhinein. Wer nichts tut und erfolgreich ist, sieht dabei besonders lässig aus. Wer nichts tut und nichts zustande bringt, einfach nur faul. So ist das mit den fiesen Gefühlen, ein bisschen was ist eben auch dran.

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