Generation Y

Work-Life-Balance oder Blending?

Viele Menschen trennen nicht mehr strikt zwischen Arbeit und Freizeit. Das hat Folgen: Wir sind überarbeitet und steuern vielleicht sogar in einen "kollektiven Burnout".

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Wie gehen Sie mit Stress und Ärger um?
Den Stress erkennenDenken Sie darüber nach, welche Faktoren Stress auslösen und bringen Sie diese in eine Rangfolge. Nicht alle Gründe wiegen gleich schwer. Stressauslöser, die bisher als unumgänglich gelten, könnten zu körperlicher und seelischer Beeinträchtigung führen. Quelle: Fotolia
Intuition nicht verkümmern lassenIn kritischen Situationen spontan regieren zu können, ist nicht nur auf der Straße wichtig. Auch im Büro sollte die Bedeutung des Bauchgefühls nicht unterschätzt werden. Wer in Situationen mit Kollegen und Kunden zu kopflastig reagiert, kann sie in Sekunden vergraulen. Laut Conen ist Intuition lernbar – und kann wieder erweckt werden, falls man dazu bereit ist. Quelle: Fotolia
Aufbrechen oder Ausharren?Jede Veränderung schenkt ein Stück neues Leben. Dennoch ist nicht jeder Unmut Grund genug, alles über den Haufen zu werfen. Veränderung ist kein Allheilmittel. Tiefen durchzustehen ist das eine, chronischer Frust das andere. Quelle: Fotolia
Die Gesundheit leidetViele vermeiden es über Jahre, sich Erschöpfung einzugestehen. Ein Burnout kann ein schleichender Prozess sein. Jahrelanger Medikamenten, Alkoholmissbrauch, Autoimmunerkrankungen oder psychische Auffälligkeiten weisen auf Erschöpfung hin. Quelle: imago images
Das Bauchgefühl verbessernLernen Sie ihre Sinne wieder einzusetzen. Riechen und fühlen Sie die Natur oder konzentrieren Sie sich auf die verschiedenen Bestandteile ihres Essens. Verlangsamen Sie eine Aktivität wenn es möglich ist und genießen Sie den Augenblick. Versuchen Sie die Umgebung abzuscannen und sich einzuprägen. Quelle: Fotolia
Das Chamäleon-PrinzipDas Chamäleon sollte das Tier dieses Jahrhunderts werden. Es zeigt alle Fähigkeit, die heute notwendig sind. Vor allem kann es sich auf veränderte Bedingungen einstellen. Es geht nicht darum, seine Authentizität zu verlieren. Es geht darum, sich nicht mehr zu wünschen, dass alles wieder so wird, wie es mal war. Das macht unglücklich. Wagen Sie in der Jobkrise den Sprung in eine zweite Karriere. Quelle: dpa
Neue Energie gewinnenHinterfragen Sie, wo Sie wie viel Energie investieren und ob es sich lohnt. Hinterfragen Sie Ihre innere Motivation und konzipieren Sie um. Schaffen Sie es Ihr Energielevel unter Kontrolle zu halten, bleibt mehr für die Freizeit über. Quelle: Fotolia

Was ist Arbeit, was ist Freizeit? Oft wissen wir das selbst nicht mehr. Beides verschmilzt: Das ist das Phänomen des Work-Life Blending. Die Megatrends Digitalisierung und Globalisierung führen zu einer zunehmenden Entgrenzung von Arbeitszeit und dem Ort. Im Zeitalter der Wissensarbeit findet Arbeit oft online statt. Wir alle sind in einem digital geprägten Lebensstil vermehrt mit der Erwartung konfrontiert, permanent online, permanent vernetzt und permanent bei der Arbeit sein zu müssen.

So hat eine Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im letzten Jahr ergeben, dass in Deutschland über 1,8 Millionen Überstunden geleistet werden. Außerdem wird die Arbeitswelt unsicherer für junge Menschen: Sie bekommen nur noch befristete Arbeitsverträge und haben das Gefühl, schneller laufen zu müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Leistungsdruck ist hoch – und fängt schon in der frühen Kindheit an.

Der deutsche Soziologe Hartmut Rosa warnt deshalb auch vor einem kollektiven Burn-Out der modernen Gesellschaft. Während wir und die Gesellschaft immer schneller werden, verlieren wir die emotionale Bindung und wirkliche Beziehung zu Erfahrungen und Erlebnissen.

Zur Person

Diese Beschleunigung auf allen Ebenen führt dazu, dass uns auch in der Freizeit die Zeit knapp wird. Wie wir damit umgehen, ist aber vollkommen unterschiedlich. Die Bandbreite zwischen dem Wunsch nach einer strikten Trennung von Arbeitszeit und Freizeit oder deren absoluten Verschmelzung, ist vielfältig.

Individualisierung führt zu vollkommen unterschiedlichen Wünschen, Bedürfnissen und Lebensläufen. Das heißt: Am Ende des Tages ist für junge Menschen ausschlaggebend, dass sie Arbeitszeit und Freizeit so autonom wie möglich planen können. Die Frage wird nur sein: Können Sie es auch? Eher nicht.

Drei Ebenen der Beschleunigung

Viele Unternehmen versuchen, junge Menschen in ein Work-Life Blending Modell zu locken: Frisöre, Ärzte und Fitnessstudios die Büroarchitektur und Dienstleistungen passen sich immer mehr einer Work-Life Blending Atmosphäre an. Und mit Flexibilisierungsmodelle hinsichtlich Arbeitszeit und Ort wird jungen Menschen ein hoher Freiheitsgrad an Selbstbestimmung „vorgegaukelt“.

Am Ende siegt die Fremdausbeutung über die Selbstbestimmung. Naja, nicht immer. Es gibt auch Unternehmen, die jungen Menschen mit attraktiven Modellen zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit entgegenkommen.

Gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit

Immer bei der Arbeit, immer erreichbar, immer höher, schneller, weiter – um weiterhin Wettbewerbsfähig zu bleiben – das setzt schon junge Menschen unter Druck. Der Gesundheitsreport 2015 der Techniker Krankenkasse ist alarmierend: Der Anteil der psychosozialen Störungen bei jungen Menschen hat im Vergleich von 2009 zu 2014 um 20 Prozent zugenommen.

Immer mehr junge Menschen haben Burn-Out und Depressionen: Zusätzlich zu Leistungsdruck und Beschleunigung haben wir immer mehr Social Media Freunde und werden sowohl im Alltag, als auch bei der Arbeit von Informationen überschüttet, die wir nicht alle verarbeiten können. Am Ende steht eine Entfremdung – zu anderen Menschen, zu sich selbst und zur Arbeit.

Die Diagnose: völlige Erschöpfung. Damit hat Psychotherapeut Geritt Müller sehr häufig zu tun. Was er seinen Patienten dann rät.

Einige junge Menschen – vor allem die gut qualifizierten, leisten Widerstand gegen diese Entwicklung. Sie weigern sich, die Karriereleiter im Eiltempo hochzuklettern – wenn sie denn überhaupt noch hochklettern wollen. Massig Überstunden anzuhäufen, ist für sie kein Statussymbol mehr und viele lehnen das Angebot ab, Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zu übernehmen. Wichtiger als eine steile Karriere ist ihnen eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Wieder andere steigen komplett aus dem klassischen Karrieremodell aus und probieren sich in der Selbstständigkeit. Und wieder andere hoffen, mit der Verschmelzung von Arbeitszeit und Freizeit sich ihre Zeit besser einteilen zu können.

Was wir jungen Menschen dringend mit an die Hand geben müssen sind Coping-Strategien, um mit der zunehmenden Beschleunigung zurechtzukommen, statt sie massenhaft in Depressionen und Burn-out rennen zu lassen.

Coping-Strategien

Aber alleine werden wir es nicht schaffen, uns gegen den zunehmenden Beschleunigungsdruck aufzulehnen. Wir sind gefangen in einem gesellschaftlichen Phänomen.

Und es ist die Aufgabe der Gesellschaft darüber zu diskutieren, wie wir zukünftig leben wollen. Auch die Unternehmen sind in der Pflicht, junge Menschen dabei zu unterstützen, in einer Beschleunigungsrealität nicht zu stolpern.

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