Der eine kommt vor zwei Uhr nachts nicht ins Bett, während der Nachbar schon um fünf Uhr morgens topfit ist. Um acht Uhr arbeiten oder zur Schule gehen müssen aber beide. Während der eine dabei Höchstleistungen bringt, kann der andere mit Mühe und Not einen geraden Satz formulieren. Mit dem gutgemeinten Rat, früher ins Bett zu gehen, ist es aber nicht getan. Ob wir Lerche oder Nachteule sind, bestimmt nämlich unsere Hirnstruktur, wie Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich bewiesen haben.
Leistung nach der inneren Uhr
Der Chronobiologe Till Roenneberg hat den Lerchen und Nachteulen Zeiten zugeordnet: Der frühe Chronotyp, also der Frühaufsteher, ist zwischen sechs Uhr morgens und zehn Uhr abends wach. Besonders viel Energie hat er in der Zeit vom Aufstehen bis zum Mittag. Der späte Chronotyp ist hingegen zwischen neun Uhr morgens und ein Uhr nachts wach. Seine besten Leistungen bringt er nachmittags und abends. Auch wenn beide Typen zur gleichen Zeit aufstehen und schlafen gehen, ändert sich am Zeitfenster der besten Leistung nichts.
Beim Spätaufsteher fährt die Körpertemperatur erst ab neun Uhr hoch, sein Körper ist also morgens um sechs noch auf Nacht eingestellt. Muss die Nachteule um sechs aufstehen, wird sie sich noch drei Stunden lang wie erschlagen fühlen. So, als müsse der Frühaufsteher noch um Mitternacht möglichst kreativ sein und Probleme lösen.
Wie viele Stunden verschiedene Personengruppen im Durchschnitt schlafen
Insgesamt schläft der Mensch unter der Woche durchschnittlich 7,01 Stunden und am Wochenende 7,88 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Männer schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,00 Stunden und am Wochenende 7,93 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Frauen schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,01 Stunden und am Wochenende 7,83 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Verheiratete schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,01 Stunden und am Wochenende 7,75 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Singeles schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,06 Stunden und am Wochenende 8,49 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Geschiedene schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,85 Stunden und am Wochenende 7,69 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Getrennt lebende schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,76 Stunden und am Wochenende 7,61 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Verwitwete schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,02 Stunden und am Wochenende 7,27 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Beschäftigte schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,88 Stunden und am Wochenende 8,08 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Selbstständige schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,94 Stunden und am Wochenende 7,83 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen in Rente schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,20 Stunden und am Wochenende 7,37 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Erwerbslose schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,04 Stunden und am Wochenende 7,65 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Beamte schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,80 Stunden und am Wochenende 8,03 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Auszubildende schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,07 Stunden und am Wochenende 8,96 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einer sehr guten Gesundheit schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,20 Stunden und am Wochenende 8,38 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit guter Gesundheit schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,09 Stunden und am Wochenende 8,11 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit befriedigender Gesundheit schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,99 Stunden und am Wochenende 7,78 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit schlechter Gesundheit schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,75 Stunden und am Wochenende 7,33 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einem hohen Bildungsniveau schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,01 Stunden und am Wochenende 7,88 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einem mittleren Bildungsniveau schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,00 Stunden und am Wochenende 7,85 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einem niedrigen Bildungsniveau schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,00 Stunden und am Wochenende 7,78 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Kinderlose schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,05 Stunden und am Wochenende 7,84 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit einem Kind schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,92 Stunden und am Wochenende 8,06 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit zwei Kindern schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,87 Stunden und am Wochenende 7,93 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen mit drei und mehr Kindern schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,85 Stunden und am Wochenende 7,87 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 15 bis 20 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,26 Stunden und am Wochenende 9,20 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 21 bis 30 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,10 Stunden und am Wochenende 8,56 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 31 bis 40 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,92 Stunden und am Wochenende 8,01 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 41 bis 50 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,83 Stunden und am Wochenende 7,93 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen im Alter von 51 bis 60 Jahren schlafen unter der Woche durchschnittlich 6,84 Stunden und am Wochenende 7,72 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
Personen über 60 Jahre schlafen unter der Woche durchschnittlich 7,10 Stunden und am Wochenende 7,61 Stunden.
Quelle: DIW, SOEP
„Jeder Mensch hat eine eigene innere biologische Uhr, die festlegt, zu welcher Zeit das Leistungsvermögen am höchsten ist beziehungsweise wann der Wunsch zu schlafen entsteht“, erläutert Jessica Rosenberg vom Forschungszentrum Jülich. Allerdings nimmt die Gesellschaft darauf wenig bis keine Rücksicht. „Durch die Globalisierung unserer Lebens- und Arbeitsaktivitäten wird unser Schlaf-Wach-Rhythmus immer wieder durchbrochen“, so Alfred Wiater, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).
Schlafmangel macht krank
So sind sich Eltern, Mediziner und Schlafforscher zwar einig, dass kleine Kinder sehr früh fit sind und Jugendliche erst später auf Touren kommen, Klassenarbeiten schreiben aber beide um 7.45 Uhr. Entsprechend sacken bei vielen in der Pubertät die Noten ab.
Roenneberg hat herausgefunden, dass bei den extrem späten Chronotypen, den Nachteulen, die Noten deutlich schlechter sind, als bei den Mitschülern, die früh aufstehen. Er fordert deshalb, die Schulanfangszeiten für Pubertierende zu überdenken. „Der Schlafbeginn wird hauptsächlich von der inneren Uhr, das Ende des Schlafes dagegen vom Wecker bestimmt“, sagt er.
Jugendliche sammeln deshalb nicht nur schlechte Noten, sie häufen auch ein großes Schlafdefizit an.
So schlafen Sie besser ein und stehen morgens entspannter auf
Auch wenn es schwer fallen mag: Wer sich vor dem Schlafen gehen an der frischen Luft bewegt, bekommt den Kopf frei und schläft besser ein und durch. Dafür reicht schon ein Spaziergang an der frischen Luft - es muss ja nicht gleich das Power-Workout-Programm sein.
Guter Schlaf hat viel mit Abschalten zu tun. Also schalten Sie Diensthandy und E-Mails aus, sobald Sie nach Hause kommen und kümmern Sei sich um Ihre Lieben und sich - und nicht um den cholerischen Chef.
Apropos Ihre Lieben: Nachdem Sie die letzten acht bis zehn Stunden mit Kollegen und Chefs verbracht haben, die Sie sich nur indirekt aussuchen können, verbringen Sie abends Zeit mit Familie, Kindern, Freunden oder Ihrem Goldfisch. Hauptsache, es ist etwas Lebendiges, das Sie mögen. Das entspannt enorm und sorgt für einen anderen Blick auf den Tag. Zumindest, wenn Sie sich mit Menschen beschäftigen.
Manchen Menschen hilft es, vor dem Schlafen gehen zehn Minuten zu meditieren. Sollte Ihnen der Spiritismus abgehen, lassen Sie einfach den Tag noch einmal an Ihrem inneren Auge vorbei ziehen - und zwar nur die guten Dinge. Konzentrieren Sie sich auf das, was gut gelaufen ist.
Bevor Sie sich ins Bett legen, tragen Sie kurz - schriftlich oder in Gedanken - zusammen, was Sie am nächsten Tag erwartet: Der Hund muss zum Tierarzt, Sie wollten Milch kaufen, den Müll runter tragen, die Präsentation fertig stellen und abends mit den Kollegen Fußball spielen. So klären sie Ihre Gedanken und schlafen besser ein.
Statt zum Einschlafen Fern zu schauen oder sich auf dem Smartphone Youtube-Videos anzusehen, lesen Sie lieber ein Buch. Das ist gut für die grauen Zellen und müde macht es auch.
Und das ist nicht gesund: Langfristig zu wenig zu schlafen kann nämlich die Entstehung von Demenz begünstigen. Bestimmte Abbauprodukte im Gehirn würden im Schlaf abtransportiert und häuften sich bei Mangel an, sagt Geert Mayer, Neurologe und Chefarzt der Hephata-Klinik in Schwalmstadt. „Das kann zu einer Frühschädigung des Gehirns führen, die wir noch gar nicht merken.“
Unternehmen verschenken Produktivität
Die Vorgänge im Gehirn während des Schlafes sind ein Thema beim Neurologen-Kongress in München. Rund 7000 Fachleute aus Neurologie, Neuropädiatrie, Neuropathologie, Neurochirurgie und Neuroradiologie befassen sich mit Schlaganfall, Demenz, Multipler Sklerose, Epilepsie, Lähmungen, Schmerz- und Schwindelsyndromen und 200 weiteren Krankheiten, bei deren Entstehung Schlaf eine weit größere Rolle spielt, als bisher angenommen. „Der permanente Kampf gegen unsere innere Uhr macht uns krank“, fasst Wiater die Folgen zusammen.
Unternehmen, die darauf bestehen, dass alle Mitarbeiter ab acht Uhr morgens Topleistungen bringen, spielen also nicht nur mit deren Gesundheit. Sie verschenken auch Produktivität. Wer seinen Arbeitsbeginn nach seiner inneren Uhr richten kann, arbeitet effektiver und motivierter.
Flexible Arbeitszeitgestaltung sollte also nicht nur jungen Eltern angeboten werden. Selbst Unternehmen, deren Mitarbeiter im Schichtdienst tätig sind, sollten ihnen zumindest die Wahl lassen, zu welcher Schicht sie arbeiten wollen. Wer eine Nachteule regelmäßig in die Schicht um vier Uhr morgens einteilt, darf keine Höchstleistung erwarten.
Wer gar nicht aus seinem Arbeitszeitkorsett herauskann, sollte an den freien Tagen das zwangsläufig entstehende Schlafdefizit durch langes Ausschlafen kompensieren, raten Experten. In Extremfällen kann auch eine professionelle Lichttherapie unterstützen, mit deren Hilfe die individuellen Phasen künstlich verschoben werden.
Falsche Volksweisheiten rund um den Schlaf
Falsch. Menschen haben unterschiedliche Schlafbedürfnisse. Als optimal gelten im Schnitt sieben Stunden. Aber letztlich muss jeder sein Optimum finden. Bestes Indiz: Wer sich tagsüber fit fühlt, hat nachts genug geschlafen.
Falsch. Die Qualität des Schlafs hat damit nichts zu tun. Unserem Körper ist es egal, wann wir einschlafen. Viel wichtiger ist, genügend Stunden tief und fest zu schlummern. Doch klar ist: Je später wir ins Bett gehen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dieses Pensum zu erreichen.
Falsch. Kurzfristig geht das vielleicht, langfristig sind unregelmäßige Schlafzeiten eher schädlich. Unser Körper liebt Beständigkeit, sie ist essenziell für guten Schlaf. Arbeiten Sie lieber an Ihren Gewohnheiten unter der Woche, anstatt am Wochenende Schlaf nachzuholen. Oder fühlen Sie sich fit, wenn Sie zwölf Stunden durchgeschlafen haben?
Falsch. 45 Prozent der Deutschen gehen zwar davon aus, der Mond habe Einfluss auf ihren Schlaf. Ein Zusammenhang zwischen Mondphase und Schlafdauer ließ sich bisher aber nicht nachweisen. Erklären lässt sich dieser Volksglaube eher mit dem Phänomen selektiver Wahrnehmung: Wer nachts wach liegt und am Himmel den Vollmond entdeckt, prägt sich solche Momente stärker ein.
Deutlich besser wäre es jedoch, sich vom starren Zeitplan zu verabschieden, die Mitarbeiter als Individuen wahrzunehmen - und auch so zu behandeln.