Der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Ex-RWE-Chef Peter Terium und der Vorsitzende des BMW-Aufsichtsrates Norbert Reithofer schwören auf Meditation und Yoga. Sie haben geholfen, dass sich das Thema Achtsamkeit inzwischen herumgesprochen hat und längst nicht mehr nur in der Esoterik-Ecke verhaftet bleibt. SAP und Google bieten Achtsamkeitskurse für ihre Mitarbeiter an - die Wartelisten sind lang.
Einen so schnellen Einzug in die Chefetagen ist aber auch der Tatsache zu verdanken, dass sich namhafte Universitäten mit einem Zusammenhang zwischen achtsamen Verhalten und Eigenschaften, die besonders von Führungskräften gebraucht werden, beschäftigen.
"Die Forschung in dem Bereich ist in den vergangenen Jahren zwar exponentiell angestiegen, aber noch immer müssen wir vorsichtig mit Zusammenhängen sein", sagt Britta Hölzel, die als Neurowissenschaftlerin auch an der Harvard Medical School in Boston arbeitet und eine der bahnbrechenden Studien in diesem Bereich verantwortet hat. Es zeichne sich allerdings ab, dass es einen sehr deutlichen Zusammenhang gibt.
Was bei der Arbeit stresst
Was sorgt im Büro für Stress? Der Personaldienstleister Robert Half hat im höheren Management nach den wichtigsten Gründen gefragt. Dabei gaben 18 Prozent der Befragten zu viel Verantwortung oder ständiges an die-Arbeit-denken auch in der Freizeit als Grund für Stress bei der Arbeit an. Nur in Tschechien können die Beschäftigten außerhalb des Arbeitsplatzes schwerer abschalten - dort gaben 28 Prozent an, dauernd an die Arbeit denken zu müssen. Auf der anderen Seite der Skala ist Luxemburg: nur fünf Prozent haben dort dieses Problem.
Keinen Stress haben dagegen nur sieben Prozent der deutschen Befragten. Genauso niedrig ist der Anteil derer, die ihren aktuellen Job nicht mögen.
Unangemessener Druck vom Chef nannten 27 Prozent der Befragten hierzulande als Stressgrund. In Brasilien sind es dagegen 44 Prozent.
Wenn der Chef sich eher um sein Handicap kümmert, statt ordentlich zu führen: 28 Prozent der Befragten sind mit der Managementfähigkeit des Chefs unglücklich. Das Unvermögen des führenden Managers, das zu Stress führt, scheint in Luxemburg relativ unbekannt zu sein - nur 11 Prozent der Befragten sind dort mit den Befragten unglücklich, in Dubai sind es gar neun Prozent.
Dass unangenehme Kollegen oder fieser Büroklatsch zu Stress führen kann, ist allgemein bekannt. Dementsprechend führen auch 31 Prozent der Befragten das als Stressgrund an - der Anteil derer, die das ähnlich sehen, liegen in allen anderen Ländern fast gleich hoch - außer in Brasilien: 60 Prozent der Befragten geben unangenehme Kollegen und fiesen Büroklatsch als Stressgrund an.
Ein weitere Stressgrund: personelle Unterbesetzung. 41 Prozent der Befragten sehen das als wichtigen Grund für Stress bei der Arbeit an - ein Wert, der fast in allen Ländern ähnlich ist.
Doch am problematischsten, laut der Studie: die hohe Arbeitsbelastung. 51 Prozent der Befragten gaben dies als Stressgrund an. Deutschland liegt damit im Schnitt, auch in den anderen elf Ländern ist ein ähnlich hoher Anteil der gleichen Meinung.
"Untersuchungen haben gezeigt, dass regelmäßiges Meditieren die Gehirnstruktur verändert. Aber nicht nur dass: So lassen sich auch Stress reduzieren, Menschen zeigen mehr Mitgefühl und werden empathischer für ihre Umwelt", sagt Hölzel. Für die Wissenschaftler der Harvard Medical School ist Achtsamkeit bei Führungskräften deshalb nicht nur wünschenswert, sondern ein absolutes Muss ist. "Achtsames Handeln fördert nicht nur die Gesundheit, sondern auch Teamgeist, Kreativität und Produktivität", unterstreicht auch Niko Kohls, Achtsamkeitsforscher und Professor für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg.
Schon nach acht Wochen sind Veränderungen im Gehirn erkennbar, speziell in den Regionen, die für Gedächtnis, Selbstwahrnehmung, Empathie und Stress zuständig sind. Das heißt konkret: Menschen, die nur acht Wochen an einem Achtsamkeits-basierten Stressreduktionskurs teilgenommen haben – und auch zuhause geübt haben – sind konzentrierter und können ihre Gefühle besser kontrollieren. Nicht unerhebliche Diese Kurse werden zudem teilweise von der Krankenkasse übernommen. Ihren Ursprung hat die Achtsamkeitsbewegung in den USA, wo sie vom Molekularbiologen Jon Kabat-Zin begründet wurde.
Mittlerweile lernen weltweit Millionen von Menschen seine sogenannte Mindfulness-Based Stress Reduction-Methode, die neben Achtsamkeitsübungen auch Meditation und Yoga beinhaltet. Sie soll dabei helfen chronische Schmerzen besser zu ertragen, aber auch Stress reduzieren. In vielen Kliniken wird die Methode eingesetzt, um auch Depressionen und Angststörungen zu behandeln.
Yoga und Meditation lösen Laufen ab
Mit Stress und Druck umzugehen, müssen vor allem Führungskräfte lernen. Während sie früher ihren Frust und Ärger weggelaufen haben, ziehen sie sich heute in sich zurück. Der Vorteil liegt auf der Hand: Statt sich an immer neuen Zeiten oder in Wettkämpfen zu messen, geht es um Stillsein und Innehalten.
So haben sowohl die Harvard Business School als auch die französische INSEAD, eine der weltweit größten und renommiertesten Business Schools, herausgefunden, dass Meditation und Intuition zu zwei der effektivsten Mittel der Unternehmensführung zählen. Manager, die ihr Führen damit verbinden Macht und Kontrolle auszuüben, gibt es immer weniger.
Denn auch Führungskräfte nehmen verstärkt wahr, dass eine Fokussierung oder Konzentration auf nur eine Sache ganz schön schwierig ist, wenn man gleichzeitig so viele Dinge um die Ohren hat.
Das aber kann trainiert werden. Auch deshalb boomt das Geschäft rund um Meditation, Yoga und Achtsamkeitstraining. "Ich glaube, dass man mit Achtsamkeit viele Dinge verändern und erlernen kann", sagt Neurowissenschaftlerin Britta Hölzel. Ihr Coburger Kollege ergänzt: „Bei den Führungskräften, oder sogar bei der Geschäftsführung anzusetzen, macht natürlich am meisten Sinn. Sie können Veränderungen, die gemacht werden sollten, am ehesten vorleben." Und darum geht es schließlich: So führe eine gemeinsame ein-minütige Meditation vor einer Konferenz zu einem wesentlich freundlicheren und effizienteren Arbeiten der Kollegen untereinander.
Denn in den Unternehmen steigt aufgrund von hohen Leistungsdruck die Zahl der Krankheitstage, die aus psychischen Erkrankungen resultieren und das verursacht auch für die Firmen Kosten in Höhe von 30 Milliarden Euro. Die Studie einer Krankenkasse hat gezeigt, dass alleine 2015 drei Millionen Deutsche verschreibungspflichtige Medikamente nehmen, um am Arbeitsplatz noch leistungsfähiger zu sein. Die Dunkelziffer könnte noch höher liegen. Und das ist gefährlich: Betriebliche Präventionsprogramme können da helfen - nicht nur den Mitarbeitern.