Patienten mit solchen Schmerzen durchlaufen häufig einen Marathon durch Arztpraxen, weil sie sich eine einfache medizinische Behandlung wünschen und zunächst nicht bemerken, dass sie durchaus psychische Schwierigkeiten haben.
Man geht heute davon aus, dass chronische Schmerzen – sofern sich keine körperlichen Ursachen finden lassen – wie die meisten psychischen Erkrankungen durch Probleme im Hirnstoffwechsel bedingt sind und somit theoretisch möglicherweise auch mit Medikamenten behandelt werden könnten, offenbar greifen die heute vorhandenen Präparate jedoch noch an den falschen Stellen an, so dass eine psychotherapeutische Behandlung den besten Erfolg verspricht.
Symptome einer Depression
Deutliche Geschlechtsunterschiede finden sich bei der sogenannten unipolaren Depression, von der Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Diese Form ist gekennzeichnet durch Symptome wie verminderten Antrieb oder gesteigerte Müdigkeit, ...
... depressive Stimmung in einem ungewöhnlichen Ausmaß, die fast jeden Tag mindestens über zwei Wochen hinweg auftritt, ...
...Verlust an Interessen, keinerlei Freude mehr an Tätigkeiten, die einem früher mal Spaß und Befriedigung gebracht haben, ...
...Verlust des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls sowie Selbstvorwürfe und Selbstzweifel,...
...Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, Appetitverlust oder gesteigerter Appetit.
(Quelle: Ursula Nuber, "Wer bin ich ohne dich?", Campus-Verlag)
Meine Patientin hatte mit ihrer ambulanten Therapeutin bereits mit der Aufarbeitung ihrer Kindheit begonnen und nebenbei die Emotionswahrnehmung verbessert. Nachdem sie sich im Klinikumfeld mit ihrem Sohn eingelebt hatte, konnte sie durch das ausgewogene Angebot an Sport, Entspannung und verschiedenen Therapien ihre andauernde Erschöpfung weiter reduzieren und ihre Wahrnehmung für Tätigkeiten, die ihr gut tun, verbessern. Hobbies und Freizeitaktivitäten waren ihr bis dato nicht wichtig gewesen, auch weil sie finanziell und emotional bisher immer auf sich allein gestellt war.
Fünf Wege aus der Depression
Die Therapeutin und Autorin Ursula Nuber zeigt in ihrem Buch "Wer bin ich ohne dich?" fünf Wege aus der Depression. Die 1. Strategie lautet: Den Sinn der Depression erkennen. Dabei ist es für betroffene Frauen wichtig herauszubekommen, welcher Sinn, welche Botschaft für sie in der Krankheit enthalten ist. Dazu gehört auch, dass sie nicht ausschließlich auf hormonelle Veränderungen, biochemische Ungleichgewichte im Gehirn oder Erbfaktoren zurückgeführt und damit zu einem rein medizinischen Problem reduziert werden sollte. Wenn es gelingt, die Botschaft zu entschlüsseln, kann sich die Depression als grundlegende Veränderung zum Positiven nutzen lassen.
So wie Angst ein Signal für Gefahr ist, so ist die Depression häufig ein Signal, dass eine Frau sich vor vergeblichen Anstrengungen schützen sollte.
In dieser Phase können Frauen viel Neues über sich lernen. Sie bekommen eine Ahnung, was genau ihnen nicht gut tut, wo sie die Weichen anders stellen müssen. Sie achten nicht nur darauf, wann sie sich besonders niedergeschlagen und ungeliebt fühlen, sie achten ebenso darauf, wer und was ihnen dabei hilft, damit die Depression weniger intensiv spürbar ist. Sie erkennen, dass sie kein passives Opfer der Krankheit sein müssen, sondern durchaus Einfluss auf sie nehmen können - zum Beispiel indem sie sich in Bewegung setzen.
Die Erfahrung, nicht auf sich allein gestellt zu sein, kann auf dem Weg aus der Depression so etwas wie ein Leitstern werden. Vor allem Freundinnen können hilfreich im Prozess der Selbstfindung sein. Es ist eine weibliche Anti-Stress-Strategie, sich in schwierigen Zeiten mit Geschlechtsgenossinnen zu verbünden und gemeinsam mit ihnen den Stürmen zu trotzen.
Nachhaltig helfen kann auch eine rechtzeitige psychotherapeutische Behandlung, die das Risiko, an weiteren Depressionen zu erkranken, deutlich senkt. Der richtige Therapeut kann also ein äußerst wichtiger Begleiter bei der Depressionsarbeit sein. Ausschlaggebend für den Erfolg ist nicht in erster Linie die Methode, sondern die Beziehung, die zwischen dem Therapeuten und der Klientin entsteht.
Niemanden behandeln Frauen, ganz besonders depressive Frauen, so schlecht wie sich selbst. Depressionsgefährdete Frauen neigen dazu, mit sich selbst ungeduldig zu sein und sich selbst zu kritisieren, sie beschuldigen sich für ihr Versagen und werfen sich vor, anderen Menschen Probleme zu bereiten.
Doch wichtig ist vor allem die Selbstfürsorge und das Mitgefühl für sich selbst. Kommt die Selbstfürsorge dauerhaft zu kurz, dann kann das auch zu einem Stressfaktor werden, der in die Depression führen kann. Frauen müssen erkennen, dass ihr Leben nicht dadurch lebenswert wird, indem sie möglichst viel für andere leisten, sondern dass es vielmehr darauf ankomme, dass sie sich möglichst viel ersparen.
Die reife Form der Aggressionsverarbeitung kann man nur dadurch erwerben, dass man Erfahrungen mit seiner Aggression macht. Wir alle haben das Recht auf alles, was wir fühlen. Das geringe Selbstwertgefühl Depressiver hat eine wichtige Wurzel in ihrer nicht gewagten, nicht gekonnten Aggressivität. Depressive Frauen müssen lernen, den Ton lauter zu stellen. Frauen, die ihre Depression überwinden wollen, müssen ihre Rolle als nettes Mädchen aufgeben. Denn Nettsein ist eine Einbahnstraße. Wer nett ist, ist beliebt, aber er wird ausgenutzt und bekommt nicht, was er sich wünscht, nämlich Anerkennung und eine Gegenleistung für das Nettsein.
(Quelle: Ursula Nuber, "Wer bin ich ohne dich?", Campus-Verlag)
Ihr Mann, der selbst beruflich immer sehr eingebunden war, hatte in der Vergangenheit ebenfalls nicht viel Unterstützung anbieten können oder wollen. In den Einzelgesprächen arbeiteten wir deshalb vor allem daran, Bedürfnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren und warum es hilfreich sein kann, sowohl bezüglich praktischer als auch emotionaler Aspekte Unterstützung einzufordern. Die Einstellung einer Haushaltshilfe, die Verbesserung der Kommunikation mit ihrem Mann und die Aufrechterhaltung von entspannenden Aktivitäten waren schließlich die Ziele, die meine Patientin für den Alltag erarbeitete, so dass sie mit einem guten Gefühl nach Hause zurückkehrte.
Geritt Müller heißt eigentlich anders. Er arbeitet als Psychotherapeut in einer Klinik im Sauerland. Um die Identität seiner Patienten zu schützen, und damit er freier schreiben kann, haben wir ihm einen anderen Namen gegeben.