Zunächst die gute Nachricht: 70 Prozent der Deutschen haben Spaß im Job und gehen gern zur Arbeit. Gleichzeitig nennen 64 Prozent der Deutschen "zu viel Arbeit" als ihren Stressfaktor Nummer eins. Das belegt der aktuelle Stressbericht der Techniker Krankenkasse. Jeder Dritte fühlt sich sogar ausgebrannt.
Wie oft kommt Burnout in Deutschland vor?
Laut dem Münchener Institut für lösungsorientiertes Denken (MILD) sind nach Schätzungen von Experten 13 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland derzeit sogar von einem Burnout betroffen. Tendenz steigend, wie ein Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigt. Demnach ist die Zahl derer, die wegen psychischer Probleme in Frührente gingen, in den letzten 17 Jahren dramatisch gestiegen. Im Jahr 2000 mussten 50.000 Menschen wegen psychischer Probleme in Frührente, heute sind es mehr als 75.000.
Selbsttest: Wie erschöpft sind Sie?
Summieren Sie die Anzahl der zutreffenden Aussagen
Ich komme an Arbeitstagen schwer aus dem Bett.
Abends bin ich meistens völlig erledigt.
Trotzdem grübele ich im Bett noch über die Arbeit nach...
...und kann schlecht schlafen.
Ich trinke abends oft Alkohol, um zu entspannen.
Morgens wache ich kaputt auf.
Ich werde tagsüber häufiger und schneller müde.
Am Wochenende oder im Urlaub erhole ich mich kaum noch.
Mein Job laugt mich aus.
Ich bin sehr ehrgeizig.
Zu Aufgaben kann ich selten Nein sagen...
...selbst wenn ich weiß, dass ich eigentlich schon zu viel zu tun habe.
Ich habe Angst, dass mein Chef mir eine Absage übel nehmen würde.
Deswegen arbeite ich mehr als meine Kollegen.
Auch am Wochenende gehe ins Büro oder arbeite von zu Hause.
Trotzdem weiß das niemand zu schätzen.
Meine Arbeit macht mir immer weniger Spaß.
Es ist anstrengend, mit Kollegen zusammenzuarbeiten.
Ich fühle mich im Job isoliert.
Anderen gegenüber bin ich gleichgültiger geworden.
Meine engsten Freunde sehe ich inzwischen selten.
Meine Familie findet, dass ich mich verändert habe.
Hobbys pflege ich kaum noch.
Ich befürchte, dass ich durch meinen Job abstumpfe.
Meine Arbeit frustriert mich.
Ich habe in meiner derzeitigen Position kaum etwas erreicht.
Emotionale Probleme im Job bringen mich aus der Ruhe.
Ich werde neuerdings schnell aggressiv.
Wenn mir etwas gelingt, kann ich mich kaum darüber freuen...
...Misserfolge sind mir ebenfalls egal.
Welche Folgen hat ein Burnout für Unternehmen?
Ein Burnout ist nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für den Arbeitgeber schlimm. Laut Stressbericht der Techniker Krankenkasse war 2015 statistisch gesehen jeder Beschäftigte aufgrund einer psychischen Diagnose 2,5 Tage krankgeschrieben. Bei einem Unternehmen mit 500 Beschäftigten kommen allein durch die angenommenen 2,5 Tage Krankschreibung Kosten von fast 1,5 Millionen Euro zusammen.
Die durch die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit kranker Mitarbeiter, die trotzdem zur Arbeit gehen, sind schwer zu erfassen, aber vermutlich noch höher. Denn wer krank oder erschöpft zur Arbeit geht, liefert schlechtere Arbeit ab, macht mehr Fehler und es dauert länger, bis er wieder gesund ist. Außerdem haben kranke Kollegen ein höheres Unfallrisiko. Auch ein chronischer Burnout ist durchaus drin, wenn man Warmsignale seines Körpers nicht ernst nimmt.
Strategy& hat übrigens im Jahr 2011 einmal ausgerechnet, wie viel die Abwesenheit eines Mitarbeiters den Arbeitgeber kostet.
Der so genannte „Absentismus“, also die Tage an denen der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit gar nicht erscheint, kosten das Unternehmen pro Kopf und Jahr 1.199 Euro.
- Der „Präsentismus“, wenn der Arbeitsnehmer zwar ins Büro kommt, wegen Krankheit, Überlastung oder Stress aber nur die Hälfte leistet, ist mit 2.399 Euro noch ein bisschen teurer.
Was Sie als Arbeitgeber tun können, wenn Ihre Mitarbeiter erschöpft sind
Dass Arbeitgeber für den Schutz ihrer Angestellten sorgen müssen, ist in den gesetzlichen Regelungen für Arbeitsschutz festgehalten. Unter Art. 5 (3) werden auch psychische Belastungen bei der Arbeit als Gefährdung aufgezählt. Arbeitgeber haben hier die Möglichkeit, mit den Krankenkassen zusammen zu arbeiten: Unternehmer können dort nachfragen, aus welchen Gründen ihre Mitarbeiter ausfallen. Die Auskunft erfolgt natürlich anonymisiert.
Fallen besonders viele Arbeitnehmer aufgrund von psychischen Problemen aus, rät Jennifer Hüge, Coach für Stressmanagement und Burnout-Prophylaxe bei MILD, mit einem externen Experten zusammen zu arbeiten. Verschiedene Förderprogramme bieten Unternehmen die Möglichkeit, Mitarbeiter in Führungspositionen zu Coachings anzumelden oder bieten eine Unternehmensprofilaxe an.
Die durch die Experten ermittelten Problempunkte können sehr unterschiedlich sein: Häufig sorgt das Arbeitsumfeld für Stress bei den Mitarbeitern, zum Beispiel im Großraumbüro. Auch Probleme bei der Kommunikation im Unternehmen oder schlecht ausgebildete Führungskräfte führen zu gestressten Mitarbeitern.
Auswertung
Glückwunsch! Sie können sehr zufrieden sein, offenbar ist Ihr Job genau der richtige. Sie sind fast rundum ausgeglichen und glücklich. Ihr einziges (Luxus-)Problem: Es ist immer leichter, an die Spitze zu kommen, als dort zu bleiben. Gehen Sie also auch weiterhin achtsam und vorsichtig mit sich um.
Noch ist bei Ihnen alles einigermaßen im grünen Bereich. Womöglich haben Sie nur kurzfristig Stress, und der geht hoffentlich auch wieder vorbei. Schaffen Sie trotzdem mehr Ausgleich, egal, ob im Beruf oder Privatleben. Soll heißen: Gönnen Sie sich regelmäßige Pausen, treffen Sie sich mit Freunden, und schlafen Sie ausreichend. Auch leichter Sport hilft dabei, Stress abzubauen.
Das sind definitiv zu viele Zustimmungen. So banal es klingen mag, aber der erste Schritt ist der wichtigste: Sie dürfen Ihren Zustand nicht länger ignorieren oder verneinen. Akzeptieren Sie stattdessen, dass Sie der Burn-out-Spirale vermutlich nicht ohne fremde Hilfe entkommen. Suchen Sie also einen Arzt oder Psychiater auf. Wichtig: Diesen Schritt dürfen Sie nicht als Zeichen von Schwäche verstehen – sondern von Stärke.
In Programmen für Führungskräfte lernen diese unter anderem, wie sie ihren Mitarbeiter Orientierung bieten können. Außerdem werden sie darüber aufgeklärt, wie sie Maßnahmen für Feedback und Wertschätzung in den Arbeitsalltag integrieren können. Eine gute Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist Grundlage für ein gesundes Arbeitsklima.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin empfiehlt in ihrem Bericht zur psychischen Gesundheit unter anderem, die Arbeit anders zu organisieren. Jennifer Hüge erklärt: „Jede Branche hat verschiedene Bereiche, in denen die Mitarbeiter besonders belastet werden.“ Eine Erzieherin ist zum Beispiel den ganzen Tag einem hohen Geräuschpegel ausgesetzt, Bauarbeiter leisten häufig besonders harte, körperliche Arbeit.“ Lösungen können ein Umverteilung der Aufgaben, das Aufstocken von Personal oder flexiblere Arbeitszeiten sein.
Was sind Warnsignale für Arbeitnehmer?
„Viele merken erst relativ spät, dass sie überfordert sind oder in einem Burnout-Verlauf sind. Das ist ein Prozess und geschieht nicht von heute auf morgen“, erklärt Expertin Hüge und verweist auf das Phasenmodell nach Freudenberger, welcher den Weg zum Burnout in zwölf Stadien einteilt. „Kann man nicht mehr abschalten, hat körperliche Beschwerden oder bemerkt sogar eine negative Veränderung im eigenen Verhalten, sollte man zunächst den Hausarzt aufsuchen.“ Dieser könne dann körperliche und organische Ursachen für etwa eine Depression oder anderweitigen psychische Problemen abklären. Eine Schilddrüsenunterfunktion beispielsweise kann eine ähnliche Symptomatik wie eine depressive Verstimmung aufweisen.
Bei psychischen Ursachen sei ein Gespräch mit einem speziell im Bereich Stress und Burnout ausgebildeten Coach oder Psychologischen Psychotherapeuten sinnvoll. Jennifer Hüge rät: „Es ist wichtig, sich extern Hilfe zu suchen. Das kann im Coaching sein, ein Ansprechpartner in der Firma, wie zum Beispiel der Betriebsrat, oder tatsächlich eine Therapie. Den Betriebsrat um Hilfe zu bitten ist besonders sinnvoll, wenn ein Burnout durch zu viel Stress und Leistungsdruck oder schlechte Arbeitsbedingungen entsteht. Häufig sind die Betroffenen nicht allein und es kann gemeinsam eine Lösung gefunden werden.“