Besser schlafen Leistungsdruck hält uns wach

Abends im Bett die To-Do-Listen für den nächsten Tag schreiben oder Probleme analysieren - das raubt den Schlaf. Die Folge: Die Leistungsfähigkeit nimmt ab, vor allem bei Frauen.

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So schlafen Sie besser ein und stehen morgens entspannter auf
Joggerin in Köln Quelle: dpa
Jemand schaltet ein Smartphone aus Quelle: dpa
Ein kochendes Paar Quelle: Boggy - Fotolia
Eine Hand mit einer Meditationsgeste Quelle: Tran-Photography - Fotolia
Kalender Quelle: Public Domain
Jemand liest ein Buch Quelle: dpa

Wer gut schläft, ist leistungsfähiger, sagen Experten. Erholsamer Schlaf ist jedoch nicht jedem vergönnt. Vor allem Frauen leiden unter Schlafstörungen. Die innere Uhr ist wohl schuld. Oder doch Stress, eine Erkrankung oder schlichtweg Veranlagung? Sie liegt jedenfalls schon wieder wach, während er neben ihr tief und fest schläft – und sogar ganz leise, eigentlich kaum hörbar, schnarcht. Sie aber ist hellwach – und arbeitet nun gedanklich mal wieder an der To-Do-Liste für den Rest der Woche. Was soll sie auch sonst tun, wenn der Schlaf einfach nicht kommen will?

Vor allem Frauen, so Wissenschaftler kommen morgens unausgeruht im Büro. 25 Prozent der Deutschen leiden laut dem Robert-Koch-Institut unter Schlafstörungen und noch einmal elf Prozent empfinden ihren Schlaf häufig nicht als erholsam. Unter den Berufstätigen zwischen 35 und 65 Jahren ist etwa jeder Zehnte von chronischen Schlafstörungen betroffen, heißt es im diesjährigen DAK-Gesundheitsreport. Und das Ganze ist vor allem ein Frauenproblem.

Das zeigen nationale und internationale Studien immer wieder – wie eine erst vor wenigen Wochen veröffentlichte Untersuchung der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Die Wissenschaftler trugen Daten von über 9200 Probanden zusammen und ermittelten erstmals Normwerte für weiterführende Vergleichsstudien.

Das spannende an den Datensätzen: Sie lassen Zusammenhänge zwischen der Schlafqualität und dem Verhalten sowie sozioökonomischen Umständen zu. „Wenn wir in Zukunft den Schlaf von bestimmten Patientengruppen untersuchen, wissen wir nun, welches Schlafverhalten wir zugrunde legen können", erläutert Studienleiter Andreas Hinz, Professor für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Universität Leipzig. Ein erstes Ergebnis der Untersuchung auch hier: Frauen (42 Prozent) leiden häufiger unter Schlafproblemen als Männer (29 Prozent).

Frauen sind einerseits deutlich häufiger von Schlaflosigkeit – der sogenannten Insomnie – betroffen und haben andererseits auch ein höheres Schlafbedürfnis als Männer. „Ein exzessives Bedürfnis nach Schlaf – also eine Tagesschläfrigkeit – haben rund zwölf Prozent der Frauen zwischen 30 und 60 Jahren“, sagt Hartmut Grüger, Chefarzt der Klinik für Schlafmedizin in Düsseldorf. Eine derart exzessive Schläfrigkeit finde sich nur in einer Altersgruppe, sagt Grüger.

Wie viele Stunden verschiedene Personengruppen im Durchschnitt schlafen

Nämlich bei den 18- und 19-Jährigen. „Und da wissen wir, dass sich dies in der Regel im Lebensstil begründet – zu viel Mediennutzung führt da zu einem realen Schlafmangel.“ Bei den 30- bis 60-jährigen Männern sind nur sieben bis acht Prozent betroffen. Grundsätzlich können die Gründe für Schlaflosigkeit – bei Männern wie Frauen – vielfältig sein. Stress, Ängste, Depressionen und berufliche Probleme halten ebenso wach wie Stimmungsschwankungen oder Probleme mit dem Klima (etwa in Sommernächten).

Auch eine Erkrankung – wie etwa der Schilddrüse, Nebenhöhlen oder Atemwegsprobleme – steht für Schlaflosigkeit. Bei Frauen kommen noch spezifische Aspekte hinzu, die die Schlafqualität beeinträchtigen: Menstruation, Hitzewallungen und Schwangerschaft zum Beispiel. „Viele Frauen entwickeln zum Ende der Schwangerschaft oder spätestens in der Stillzeit Schlafstörungen, die dann leider häufig nicht wieder zurückgehen“, sagt Grüger. Angefangen bei der Schwierigkeit mit dem Schwangerschaftsbauch richtig zu liegen bis hin zum ständigen nächtlichen Aufstehen zum Stillen, zerstören den weiblichen Schlafrhythmus – und viele Frauen schaffen es nicht ihn wieder in gesunde Bahnen zu lenken. Anschließend trägt die Mutterschaft ihr Übriges dazu bei.

Weibliches Schlafparadoxon

Vor allem Frauen ab Mitte 40 sind von Schlafproblemen betroffen“, sagt Dieter Riemann, Leiter des Schlaflabors an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. Das könne einfach hormonell bedingt sein, weil sich der weibliche Körper noch einmal verändert. Oder etwa mit der häufigen Doppelbelastung zu tun haben: „Viele dieser Frauen sind berufstätig, haben Kinder bekommen – und zwei Kinder, die nachts Fürsorge fordern, sind gutem Schlaf sicher nicht zuträglich“, sagt Riemann.

So tickt Ihre innere Uhr
06.00 bis 08.00 Uhr: In die Gänge kommenSobald der Morgen dämmert, Licht in unsere Augen dringt, wird die Produktion des Gute-Nacht-Hormons Melatonin gedrosselt. Herzschlag, Blutdruck und Adrenalinspiegel steigen an. Und katapultieren den Morgentyp aus den Federn. In dieser Zeit ist das Risiko höher, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden, weil das Blut noch dickflüssig ist und die Gefäße eng sind.Quelle: Lothar Seiwert, Zeit ist Leben, Leben ist Zeit Quelle: Fotolia
Kein-Stress Quelle: Fotolia
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Genau das hat die American Academy of Neurology in einer Studie gemeinsam mit der Georgia Southern University untersucht: Wie beeinflussen Kinder den Schlaf ihrer Eltern? Um diese Frage zu beantworten, wurden insgesamt 5800 Menschen zu Kindern, ihrem Schlafverhalten und ihrer Müdigkeit befragt. Das Ergebnis: Je mehr Kinder im Haushalt leben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen weniger Schlaf finden.

„Unsere Ergebnisse zeigten, dass die Mütter nicht nur zu wenig schlafen, sondern sich auch den ganzen Tag über häufig müde fühlen“, erläutert Studienleiterin Kelly Sullivan. Ganz anders bei den Männern: Deren Studienergebnisse zeigten nämlich, dass sie gleich lang oder kurz, gut oder schlecht schliefen – egal ob und wie viele Kinder mit ihnen zusammenlebten. Großer Schlafvorteil für die Männer und Doppelminus für die Frauen.

Das Paradoxon des Frauenschlafs

Manche Studien legen sogar nahe, dass Frauen eigentlich mehr Schlaf benötigen als Männer. Etwa das Ergebnis einer nicht repräsentativen Studie des britischen Schlafforschers Jim Horne. Der Direktor des Sleep Research Centre der Loughborough University vermutet, dass Frauen im Schnitt zwanzig Minuten mehr Schlaf benötigen, damit ihr Gehirn sich erholen kann. Der Düsseldorfer Schlafforscher Grüger geht sogar von einer durchschnittlich 30 bis 45 Minuten aus.

Von diesem Ansatz hält Schlaflaborleiter Riemann von der Universität Freiburg wenig: „Es gibt keine klaren Anzeichen dafür, dass Frauen grundsätzlich mehr Schlaf bräuchten als Männer – oder umgekehrt.“ Als Faustregel gelte, Menschen zwischen 25 und 65 Jahren brauchen in den westlichen Industrienationen zwischen sechs und acht Stunden Schlaf.

Falsche Volksweisheiten rund um den Schlaf

Allerdings sind sich beide Experten einig, wenn es um ein weibliches Schlaf-Paradoxon geht: „Frauen haben eine längere Tiefschlafphase als Männer“, sagt Grüger. „Auch dauert die Einschlafphase bei Frauen länger an als bei Männern.“ Die Folge: Frauen können schneller wieder hochgeschreckt werden, obwohl sie auf dem Weg ins Land der Träume sind. Also haben Frauen in der Regel einen tieferen Schlaf, klagen aber nichtsdestotrotz häufiger über Schlafstörungen und ständige Alarmiertheit. „Das ist paradox und hat bis heute noch niemand erklären können“, sagt Riemann.

Ob sich dies nun aber in der Genetik, dem eigenen Lebensstil oder im Urinstinkt des weiblichen Geschlechts begründet – sich dabei auf einen einzelnen Aspekt festzulegen, da sind Schlafforscher gemeinhin vorsichtig. Letztendlich könnte es alles oder nichts davon sein: „Es ist wie vieles in der Medizin oder Biologie: Was genau der Grund ist, warum Frauen häufiger über Schlafprobleme klagen, ist schwer auszumachen“, sagt Riemann.

Regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus

Was auch immer letztendlich dazu führt, dass Frauen Männern gegenüber beim gesunden Schlafen im Nachteil sind – es kann auch gesundheitliche Konsequenzen mit sich bringen. Edward Suarez, Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften, an der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass Frauen bei chronisch zu wenig Schlaf sogar häufiger unter schweren Erkrankungen leiden wie Diabetes oder Herzproblemen.

Zwar war auch in dieser Studie die Probandenzahl mit 210 vergleichsweise gering, aber die Forscher blickten intensiv auf die Krankengeschichte der Probanden mittleren Alters, die im Grunde keine anderen gesundheitlichen Einflüssen unterlagen, wie etwa durch Rauchen, Hormontherapien oder Vorerkrankungen. Ausführliche Blutuntersuchungen lagen den Beurteilungen der Wissenschaftler zugrunde.

Das Ergebnis zeigte eindeutig, dass bei Männern der Zusammenhang zwischen zu wenig Schlaf und Diabetes und Herzkrankheiten nur sehr gering war – insbesondere im Vergleich zu den weiblichen Probanden. Und damit nicht genug: “Wir fanden heraus, dass Frauen, die wenig Schlaf bekommen, häufiger unter psychischem Stress leiden und eher von negative Gefühlen wie Feindseligkeit, Depression und Wut betroffen sind“, sagt Suarez. Und auch hier gilt: „Im Gegensatz dazu finden sich solche Verbindungen bei den Männern nicht“, sagt der Professor.

Um aufgrund schlechten Schlafs bei der Leistungsfähigkeit nicht bei den Männern hintan zu stehen, sollten Frauen gleiche Grundbedingungen schaffen, indem sie besonders auf einen guten Schlaf achten. Regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, eine ausgewogene Ernährung und viel Bewegung könnten etwa dabei helfen, dass sie schneller und besser schlafen. 

Störende Elemente sollten auch nicht unterschätzt werden – besonders nicht vom in der Regel schlechter schlafenden Geschlecht: „Wenn eine Frau schlecht schläft und sie schläft neben einem Mann, der schnarcht, dann sollte sie sich das nicht antun – das ist eine unglaubliche Stresssituation“, sagt Riemann. Gegen den schnarchenden oder sehr beweglichen Partner auf der anderen Bettseite, der für nächtliches Aufwachen sorgt, hilft mitunter nur die räumliche Trennung.

So schlafen Sie besser ein und stehen morgens entspannter auf

„Die einfachste Lösung sind immer noch getrennte Schlafzimmer oder Ohrenstöpsel, wenn das ausreichen sollte“, rät Riemann. Außerdem empfehlen Schlafforscher immer den Gang zum Hausarzt – oder danach gegebenenfalls auch ins Schlaflabor – um Erkrankungen als Ursache für die Schlaflosigkeit auszuschließen.

Gegen das Grübeln und To-Do-Listen-Schreiben im Kopf, dürfte in erster Linie Stressabbau helfen.. Und am Ende ist wohl doch die innere Uhr an allem schuld – und die Männer haben einfach einen klaren, unschlagbaren Vorteil.

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