Damit passt sie vortrefflich in eine Zeit, in der die richtige Ernährung für viele zur Religion geworden ist: Man begegnet heutzutage Menschen, die Pescarier (kein Fleisch, aber Fisch), Vegetarier oder Veganer sind und/oder sich zur Slow-Food-Bewegung zählen. Und trifft auf Anhänger der Steinzeit-Diät oder Fans des sogenannten Superfood. Offenbar ist die Frage nach der richtigen Ernährung eine Sinnfrage geworden. Das bestätigt nicht nur Krauss, bei dem sich in letzter Zeit die Anfragen häufen. Sondern davon zeugt auch das wachsende Angebot abseits der hippen Berliner Hinterhöfe.
Im Stuttgarter Restaurant Delice Vinothek & Gastrosophie wird sogar auf Sterneniveau gekocht. Und 240 Kilometer südöstlich, im Münchner Café Luitpold, führt regelmäßig Harald Lemkes Kollege Peter Peter von der Universität Salzburg durch den Salon Gastrosophique. Das Motto des Abends: „Erst die Moral, dann das Mahl“. In einer Zeit, die Rinderwahn, Pferdefleisch-Lasagne und Chlorhühnchen kennt, stellt Gastrosoph Peter letzte Gewissensfragen: Was darf man überhaupt noch essen? Und: Gibt es nicht auch ein Recht auf Genießen?
Wer isst was? - Veganismus
Sie kaufen nur dort ein, wo parallel keine Tiere gehalten werden, der Bauernhof muss ohne Tierhaltung auskommen.
Sie essen Früchte von solchen Pflanzen, deren Verzicht nicht die Zerstörung der Pflanze bedeutet.
Um die Vitamine der Nahrung zu erhalten, werden die Lebensmittel nicht oder kaum mit Hitze behandelt.
Beim sogenannten "Containern" werden Lebensmittel aus Containern verzehrt, um damit die Lebensmittelverschwendung zu verringern, es wird jedoch nicht immer streng auf die vegane Lebensweise geachtet.
Nicht nur die Ernährung ist vegan, tabu sind zudem Leder, Wolle, Daunen und bestimmte Kosmetika. Ebenso verboten: Zoobesuche oder Haustierhaltung. Auch Zirkusveranstaltungen, bei denen Tiere auftreten, werden gemieden. Eine Welt ohne Jagd und Tierversuche stellt das Ideal dar.
Es sind Fragen, die sich seit ein paar Jahren sogar studieren lassen. Die Universität Salzburg bietet Gastrosophische Wissenschaften als postgraduales Studium an. Der Lehrgang kann berufsbegleitend absolviert werden und umfasst fünf Semester. Nicht ausgeschlossen, dass Grünen-Chef Anton Hofreiter dort demnächst einmal als Gastdozent auftritt.
In diesen Tagen erscheint sein Buch „Fleischfabrik Deutschland“, in dem er sich kritisch mit der Massentierhaltung und deren Auswirkungen auf Tiere, Umwelt und Gesundheit auseinandersetzt. „Wir brauchen eine Agrarwende für gutes Essen und eine faire Tierhaltung“, sagte Hofreiter bei der Buchvorstellung in Berlin.
Die sieben Erfolgsfaktoren gesunder Ernährung
“Buy fresh, eat fresh”: Frisches kaufen, Frisches essen”
Zucker vermeiden
Weizenmehl vermeiden
“Frankenfoods” (Frankenstein Food), also Nahrungsmittel aus genetisch veränderten Pflanzen oder Tieren vermeiden
Gute Proteine wie (Hühner-)Fleisch, Nüsse und Körner essen
Gute Fette verwenden; sie machen nicht fett, denn die Übeltäter sind Zucker und Weißmehl
Phytonutrients, also Phytonährstoffe, sind Nährstoffe in pflanzlichen Lebensmitteln. Sie sind, anders als Vitamine, nicht lebensnotwendig. Aber sie halten gesund und fit und sollen die Lebenserwartung verlängern.
Die gleiche Mission hat auch Eva-Maria Endres. Die studierte Ökotrophologin eröffnete vor wenigen Monaten gemeinsam mit Christoph Klotter, Professor für Ernährungspsychologie und Gesundheitsförderung an der Hochschule Fulda, das Café Diderot im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Benannt nach dem französischen Aufklärer, der Philosophie, Wissenschaft und Technik zusammen dachte und alle Theorie in der Praxis aufleuchten sah, will das gastronomische Duo das Bewusstsein seiner Kundschaft fördern.
Handwerker und Philosophen an einem Tisch
Und so haben Endres und Klotter einen Ort geschaffen, der Handwerker mit Philosophen an einen Tisch bringen soll. Entsprechend finden im Diderot Tagungen zum Thema Geschichte der Esskultur oder Vorträge zum Thema Ernährungspsychologie statt.
Für Gastrosoph Harald Lemke ist Sokrates der erste philosophierende Feinschmecker. Der altgriechische Philosoph beschäftigte sich nicht nur ausgiebig mit der Frage, ob Hirsebrei besser mit einem Quirl aus Gold oder Feigenholz zubereitet werden sollte. Sondern vererbte der Menschheit auch seine Weisheit: „Wir leben nicht, um zu essen. Wir essen, um zu leben.“ Ein weiterer prominenter Gastrosoph der Antike war Epikur, der den Hedonismus als Streben nach Freude, Genuss und sinnesfroher Begierde adelte – und gutes Essen als wichtigen Beitrag eines gelungenen Lebens pries.