Im Rahmen einer Semesterarbeit entwickelte Gina Schöler mit Kommilitonen 2012 das Projekt "Ministerium für Glück und Wohlbefinden". Danach hat sie das Glück zu ihrem Beruf gemacht: Sie gibt Workshops und kooperiert mit prominenten Persönlichkeiten wie Heiko Maas und Eckart von Hirschhausen, um Menschen bei der Glückssuche zu helfen. Am 8. September erscheint ihr Buch "Das kleine Glück möchte abgeholt werden", in dem Prominente und Fans der Kampagne von ihrem Glück erzählen.
WirtschaftsWoche: Gibt es Glück auf Knopfdruck?
Gina Schöler: Nein, das Buch soll die Sinne der Leser ansprechen, sie zum Nachdenken bewegen und sie ermutigen, das kleine Glück im Alltag selbst zu finden.
Die Idee dahinter ist, zu zeigen, wie die Wahrnehmung der verschiedenen Menschen sich im Laufe der Zeit verändert, wenn sie mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen und erkennen, was bereits alles Gutes in der Welt passiert. Zum anderen will ich den Lesern natürlich deutlich machen, wie sie ihr eigenes kleines Glück aktiv angehen können.
Gina Schöler
Gina Schöler ist seit 2013 mit dem interaktiven Kunstprojekt und der multimedialen Kampagne „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ als Glücksministerin unterwegs. Sie hatte zuvor Kommunikationsdesign in Mannheim studiert. Sie hat bisher Schulworkshops zum Thema Glück durchgeführt sowie Netzwerkveranstaltungen mit Glücksexperten. Schöler kooperiert mit Bundesministerien und bekannten Persönlichkeiten wie Politiker Heiko Maas oder Moderator Eckhart von Hirschhausen.
Gina Schölers Erstlingswerk "Das kleine Glück möchte abgeholt werden" erscheint September 2016 im Campus Verlag. Es beinhaltet 222 Kurzgeschichten, die die Leser anstiften sollen, ihr eigenes Glück zu finden. Es beinhaltet unter anderem Beiträge von Heiko Maas, Eckart von Hirschhausen, Gerald Hüther und von Ha Vinh Tho vom Gross National Happiness Centre Bhutan.
Für das Buch hat das Projekt "Ministerium für Glück und Wohlbefinden" einen Aufruf gestartet, dass Fremde, aber auch Freunde ihre persönlichen Anekdoten zum Glücklich sein einsenden. Zusammengekommen sind 222 kurze Erzählungen über Begegnungen, Erfahrungen und Entdeckungen – auch von bekannten Persönlichkeiten wie Moderator Eckart von Hirschhausen oder Bundesjustizminister Heiko Maas. Und natürlich von mir selbst.
Wo steckt denn das Glück von Heiko Maas?
Im Triathlon. Seine Anekdote heißt "Grenzgänger". Darin erzählt er, wie er sich fühlt, wenn er sich beim Triathlon auspowert und wie schön es für ihn ist, mit seiner ganzen Kraft und Energie auf ein gewisses Ziel hinzuarbeiten – und es auch zu erreichen.
Und welche Geschichte gibt es von Ihnen zum Thema Glück?
In meiner Nachbarschaft gibt es eine alte Dame, die immer ganz allein unterwegs ist – das tut mir im Herzen weh. Eines Tages sah ich sie mit einem kleinen Jungen, der ihr wilde Geschichten erzählte. "Der kleine Junge macht einfach alles richtig", dachte ich in diesem Moment und nahm mir vor, der alten Frau auch etwas Gutes zu tun. Ein paar Wochen später trug ich ihre Taschen nach Hause. Das klingt total lapidar, aber wenn man einmal anfängt, sich solche kleine Aufgaben zu stellen, macht das nicht nur andere, sondern auch mich selbst glücklich.
Sie bezeichnen sich selbst als Glücksministerin. Was steckt dahinter?
Der Titel klingt natürlich frech – ist aber das Ergebnis einer jahrelangen Arbeit.
Nach dem Studium wollte ich nicht – wie es für Kommunikationsdesigner üblich ist – Werbung für Produkte machen, sondern für nachhaltige Werte wie eben Wohlbefinden und Glück. Um mehr Aufmerksamkeit auf die Kampagne zu ziehen, haben Mitstudenten und ich uns auf die Suche nach einem Glücksminister gemacht, um der Kampagne eine Gesicht zu verleihen. Aber kurz darauf kamen Bekannte und User sozialer Netzwerke auf mich zu und meinten: "Gina, warum suchst du denn? Du bist doch die Glücksministerin." Und dann habe ich mein Amt angenommen – und es macht maximal Spaß.
Es kann sich ja jeder als Glücksministerin bezeichnen. Was zeichnet Sie dazu aus?
Ich komme zwar weder aus der Psychologie noch aus der Soziologie. Aber ich habe mich im Laufe der Jahre immer weiter in die unterschiedlichen Facetten des Themas eingearbeitet, indem ich viel mit Experten, Wissenschaftlern und Politikern über Glück und Wohlbefinden gesprochen habe. Learning by doing also.
Welche Zutaten für das Glücksrezept nötig sind
Wenn das Glück Ihrer Meinung nach so viele Facetten hat – ist es überhaupt definierbar?
Ich bin überhaupt kein Fan von Definitionen, sondern der Meinung, dass Glück nicht pauschal beschreibbar ist. Jeder hat sein eigenes Glücksrezept. Ein Pauschal-Rezept gebe ich nicht raus.
Gibt es nicht dennoch Zutaten, die in jedes Rezept gehören?
Gewisse Grundbausteine müssen natürlich gegeben sein, um glücklich zu werden: ein gewisses Maß an Sicherheit, eine finanzielle Absicherung sowie ein intaktes soziales Umfeld. Die Zutaten, die darüber hinausgehen, sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Sie hängen nämlich von den individuellen Bedürfnissen und Erfahrungen des Einzelnen ab.
Woher weiß der Einzelne, wie sein individuelles Glücksrezept aussieht?
Um das herauszufinden, ist Voraussetzung, dass der Einzelne Lust dazu hat, sich selbst besser kennenzulernen. Das fängt im Kleinen an: Man achtet mehr auf Kleinigkeiten im Alltag, macht sie anders, probiert mal etwas aus – im zwischenmenschlichen Bereich, aber auch sich selbst gegenüber. Das ist bildlich gesprochen ein fortlaufender Weg, den man geht, auf dem man ab und zu mal nach links und rechts schaut, eine andere Richtung einschlägt – auch wenn sich diese im Nachhinein als falsche herausstellt. So kann sich jeder herantasten an das, was ihn glücklich macht – und was vielleicht weniger.
Wie merkt man, dass man auf dem richtigen Weg ist?
Viele kleine Momente lassen Menschen spüren, dass sie glücklich sind. Sie denken danach "Das hat mir gut getan" oder "Das möchte ich unbedingt mal wiederholen". Dabei geht es nicht darum, das große, erleuchtende Glück zu finden – wie es bei der Selbstoptimierung der Fall ist. Wer Selbstreflexion walten lässt, merkt, dass er meist gar nicht so viel braucht, um glücklich zu sein.
In Zeiten der Flüchtlingskrise und des Terrors bekommt man schnell den Eindruck, dass immer mehr Menschen unzufrieden sind. Was ist dran an diesem Eindruck?
Natürlich nehmen die meisten Menschen momentan eher das Negative wahr. Wegen moderner Medien ist es heute möglich, schneller an Informationen zu gelangen und sich auszutauschen, sodass sich die Gemüter heute schneller erhitzen. Früher schaute man einmal pro Tag in die Zeitung.
Auf der anderen Seite beobachte ich aber auch, dass die Menschen heutzutage unfassbar dankbar für positive Nachrichten sind und sich freuen, wenn sie etwas Gutes tun können. Deshalb ist es wichtiger denn je, in dieser schwierigen Zeit öffentlich auch über das Glück zu sprechen.
Was Glück am Arbeitsplatz bedeutet
Was kann Glück im Arbeitsalltag bedeuten?
Das Glück im Arbeitsalltag besteht aus persönlichen, aber auch sozialen Faktoren. Jeder sollte sich zum Beispiel regelmäßig mit der Frage auseinandersetzen, ob er eine Sinnhaftigkeit in seiner Arbeit sieht, sich damit wohlfühlt und stärkenorientiert eingesetzt wird. Das zeichnet das Glück auf persönlicher Ebene aus. Wichtig für das soziale Glück am Arbeitsplatz ist insbesondere das Verhältnis zu den Kollegen – schließlich verbringen wir einen Großteil unserer Lebenszeit mit ihnen. Deshalb ist es wichtig, wie Mitarbeiter und Chefs miteinander umgehen, ob der Mensch bei der Arbeit in den Mittelpunkt gestellt und wie das Team gestärkt wird. Denn oft schauen Chefs nur auf Zahlen und vergessen dabei schnell den Menschen, der hinter diesem Erfolg steht.
Ich persönlich bin auch ein Freund von kollegialen Scherzen. Die Welt draußen ist ernst genug. Da sollte der Spaß auf der Arbeit nicht zu kurz kommen. Auch das kann Glück bedeuten.
Also kann der Einzelne sein berufliches Glück nur schwer beeinflussen, da es maßgeblich von den Kollegen abhängt?
Nicht unbedingt. Ein Mitarbeiter kann ja auch Vorbild sein. Wenn Kollegen schlecht gelaunt sind, sich streiten oder über eine dritte Person lästern, kann er mit gutem Beispiel voran gehen, indem er die Kollegen aufheitert, Streit schlichtet oder sie auf ihr Fehlverhalten hinweist. Kurz gesagt: Man kann auch versuchen, Angelegenheiten, die schlecht laufen, zum Positiven zu verändern.
So stellen Sie fest, ob die Arbeitsqualität stimmt
Können die Beschäftigten Einfluss auf die Arbeitsmenge nehmen?
Ist es ihnen möglich, die Gestaltung ihrer Arbeitszeit zu beeinflussen?
Können sie ihre Arbeit selbstständig planen?
Quelle: Gute-Arbeit-Index 2015
Bietet der Betrieb berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten?
Können die Beschäftigten eigene Ideen in ihre Arbeit einbringen? Ihr Wissen und Können weiterentwickeln?
Haben Sie Aufstiegschancen?
Gibt es Wertschätzung durch Vorgesetzte? Hilfe von Kolleginnen?
Ein offenes Meinungsklima? Wird rechtzeitig informiert? Planen die Vorgesetzten gut?
Wird Kollegialität gefördert?
Haben die Beschäftigten den Eindruck, dass sie mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten? Einen wichtigen Beitrag für den Betrieb?
Identifizieren sie sich mit ihrer Arbeit?
Wird am Wochenende gearbeitet? In den Abendstunden? In der Nacht?
Wird von den Beschäftigten erwartet, ständig für die Arbeit erreichbar zu sein?
Leisten sie auch unbezahlte Arbeit für den Betrieb?
Sind die Beschäftigten respektloser Behandlung ausgesetzt?
Müssen sie ihre Gefühle bei der Arbeit verbergen?
Kommt es zu Konflikten oder Streitigkeiten mit Kund/innen, Patient/innen, Klient/innen?
Muss in ungünstigen Körperhaltungen gearbeitet werden? Bei Kälte, Nässe, Zugluft?
Müssen die Beschäftigten körperlich schwer arbeiten?
Sind sie bei der Arbeit Lärm ausgesetzt?
Widersprüchliche Anforderungen und Arbeitsintensität?
Gibt es Arbeitshetze? Unterbrechungen des Arbeitsflusses? Schwer zu vereinbarende Anforderungen?
Werden alle arbeitswichtigen Informationen geliefert?
Müssen Abstriche bei der Qualität der Arbeitsausführung gemacht werden?
Wird die Arbeit leistungsgerecht bezahlt?
Hat das Einkommen ein Niveau, dass sich davon leben lässt?
Wird die Rente, die sich aus der Erwerbstätigkeit ergibt, später zum Leben reichen?
Gibt es ausreichend Angebote zur Altersvorsorge im Betrieb?
Werden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung offeriert?
Werden Sozialleistungen geboten, z.B. Kinderbetreuung, Fahrtkosten- oder Essenszuschüsse?
Beschäftigungssicherheit / Berufliche Zukunftssicherung?
Sind die Beschäftigten in Sorge, dass ihr Arbeitsplatz durch technische Veränderungen oder Umstrukturierungen überflüssig wird?
Machen sie sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft? Um den Arbeitsplatz?
Macht der Mitarbeiter sich so nicht selbst zur Zielscheibe – und macht sich dadurch unglücklich?
Das Risiko besteht immer und muss je nach Situation individuell eingeschätzt werden. Es kommt darauf an, wie schwerwiegend der Konflikt im Team ist. Das Problem ist: Wenn keiner versucht, etwas zum Guten zu ändern, dann wird sich die Situation wahrscheinlich verschlimmern. In jedem von uns steckt ein kleiner Feel-Good-Manager, der durch Kleinigkeiten – wie Streitschlichtung oder auch einer kleinen Geste wie einen Kuchen – sein Umfeld erfreut.
Angenommen, zwei Kollegen mögen sich nicht. Können sie sich trotzdem glücklich machen?
Ja. Auf jeden Fall. Manchmal denkt man zwar "Der ist blöd" oder "Der mag mich nicht". Das Problem dabei ist aber oft, dass man das Verhalten der anderen zu Tode interpretiert. Der Kollege guckt einmal schief und der erste Gedanke ist: "Was ist denn mit dem schon wieder los? Was hat er gegen mich?". Dabei hängt der gerade nur einem beruflichen oder privaten Gedanken nach, der nichts mit dem Kollegen zu tun hat. Viele Menschen neigen dazu, diesen Blick auf sich zu beziehen – ich nehme mich da nicht aus. Darunter leidet das Verhältnis. Wenn man seinen inneren Schweinehund überwindet und trotzdem mit einem netten Wort oder Lob auf den Kollegen zugeht – ihn also aufrichtig wertschätzt –, dann können die Missverständnisse zwischen zwei Kollegen leicht aus dem Weg geräumt werden.
Das soll funktionieren?
Ich ermutige jeden, den ersten Schritt zu machen. Man hat nichts zu verlieren. Entweder ist der Kollege so wie vorher oder das Verhältnis bessert sich und beide sind glücklicher.
Muss man sich denn mit allen Kollegen verstehen, um glücklich zu sein?
Es gibt ja diesen Spruch: "Entweder man kann sich riechen – oder eben nicht." Daran glaube ich auch. Das heißt aber nicht, dass man mit den Kollegen, die man weniger riechen kann, auf ewig verfeindet sein muss. Mit denen geht man dann mittags einfach keinen Kaffee trinken – was natürlich auch absolut in Ordnung ist. Schließlich geht es beim Glücklich-Sein nicht um die rosarote Brille. Es geht darum, dass wir freundlich und wertschätzend miteinander umgehen, damit wir unsere Lebenszeit bestmöglich miteinander verbringen können.