Gemeinsam mit dem Rhetorik-Experten Michael Ehlers wollen wir etwas genauer hinschauen, wie die Parteien um Wähler werben. Denn Wahlkampf im größten Bundesland, das ist in der politischen Kommunikation quasi Prime-Time. Der WDR bietet zu dieser Wahl im Internet erstmals die Möglichkeit, sich in einem standardisierten Kandidatencheck über alle NRW-Politiker zu informieren. 20 Fragen, vier Minuten, keine Schnitte.
Jeder präsentiert sich so wie er mag. Dieser Auftritt ist eine Basis unserer Analyse. Hinzu kommen die Plakat-Kampagnen der Parteien.
Das Ergebnis unserer Bewertung: leider viel Mittelmaß aus der Mottenkiste der Kommunikation.
Hannelore Kraft, SPD
Die Kampagne: Die NRW-Ministerpräsidentin setzt vorrangig auf Persönlichkeit und ihre direkte Art. Kraft ist im Umgang gern mal herzlich bis ruppig, doch davon merkt man ihrer Wahlkampagne kaum etwas an. Die ist reichlich verkopft. Hashtag "NRWIR" steht neben Krafts Portrait-Foto. Klingt wie ein bemüht zeitgemäßes und Gemeinschaft suggerierendes Wortspiel, das stark an Radio-Claims wie "Wir von hier" erinnert. Entworfen wurde die Kampagne offenbar vor der Niederkunft des SPD-Messias Martin Schulz.
Denn das SPD-Logo ist so klein, als wolle Frau Kraft die eigene Partei verleugnen. Am gewagtesten sind bei der Kampagne die Themen-Plakate, in denen vollmundig von "Schlaumeiern" und "Malochern" die Rede ist, um damit die Regierungserfolge in puncto Bildung und Arbeitsplätzen herauszustellen. Dass die tatsächlichen Fakten in NRW eher bescheiden ausfallen, macht die Kampagne nicht gerade glaubwürdiger.
Zehn Tipps für die perfekte Rede
Wenn Sie vollkommen auf die Situation und den Inhalt Ihrer Rede fokussiert sind, können Sie Ihr Gegenüber am besten fesseln. Sind Sie nicht bei der Sache, bemerkt das Ihr Publikum zumindest unbewusste und schweift ebenfalls ab.
Am besten ist es natürlich frei zu sprechen. Wenn das nicht geht, schreiben Sie sich Stichwörter auf. Ein ausformulierter Text ist unübersichtlich und verführt zu monotonem Ablesen.
Schon beim Betreten des Raumes oder auf dem Weg zum Rednerpult müssen Sie konzentriert sein und Ihre Sprechhaltung einnehmen. Denn die Zuhörer nehmen Sie schon wahr, bevor Sie die Bühne betreten.
Damit die Distanz zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern nicht zu groß wird, sprechen Sie sie direkt an und beziehen Sie sie so in den Vortrag mit ein.
Bei einem Fragezeichen muss die Stimme oben bleiben. Bei einem Punkt muss die Stimme gesenkt werden. Pausen am Satzende oder zur Abgrenzung zweier Gedanken im gleichen Satz sind meist sinnvoll.
Wer zu schnell spricht, hängt seine Zuhörer ab. Deshalb sinnvolle Pausen setzen, deutlich betonen und nicht durch den Text hasten.
Ihre Gesten müssen das Gesagte unterstreichen und gezielt eingesetzt werden. Zu viel Bewegung kann vom Inhalt ablenken und wirkt hektisch. Symmetrische Gesten und eine geschlossene Körperhaltung, zum Beispiel verschränkte Arme, kommen beim Zuhörer nicht gut an.
„Meiner Meinung nach“, „Am Ende des Tages“, „äh“ oder „übrigens“ sind Floskeln, die Sie nicht brauchen und den Zuhörer nerven. Überlegen Sie, was Sie stattdessen sagen können, damit Sie diese Lückenfüller nicht brauchen.
Wählen Sie Ihre Formulierungen so, dass Sie den Inhalt glaubwürdig vertreten können. Neutrale Ausdrücke können dabei helfen, wenn eigenes Empfinden und Firmenpolitik auseinander fallen.
Sich über Nervosität zu ärgern oder sie verdrängen zu wollen, macht es meist noch schlimmer. Nehmen Sie ihre Nervosität hin. Häufig erhöht sie sogar die Konzentration.
Da wirkt das stylische Plakat einer Frau mit Hund am Schreibtisch vor dem iMac - während durchs Fenster schemenhaft die Ruine eines Zechenturms zu sehen ist - wie der verzweifelte Versuch der Werber, traditionelle Malocher-Klientel und "Generation Y" anzusprechen. Ein großer Spagat und sehr konstruiert.
Die Kommunikation: "Kraft punktet mit seriösen Attributen, die wir von einer deutschen Politikerin erwarten", analysiert Rhetorik-Trainer Michael Ehlers. Die Ministerpräsidentin vereint Verbindlichkeit und Gelassenheit. Mit ihrem Ruhrpott-Regiolekt und einem stetigen, teils verschmitzten Lächeln bricht sie mit dem politischen Konservatismus. Sie kann - je nach Publikum - auch derb. Ehlers: "So entsteht bei den Wählern der Eindruck, Hannelore Kraft sei in ihrem Amt als SPD-Alpha-Frau in NRW genau richtig."
Armin Laschet, CDU
Die Kampagne: Nett, blass, Laschet. Wer die aktuellen CDU-Plakate sieht, kommt sich vor wie auf einer Zeitreise in die politische Kommunikation von ganz früher, als Helmut Kohl noch Deutschland regierte. Auch wenn Laschets Slogan "Zuhören. Entscheiden. Handeln." stark an Gerhard Schröders Kampagne in den 90ern erinnert: Gegen den am Zaun des Kanzleramtes rüttelnden Aufsteiger Schröder wirkt Armin Laschet wie "Muttis Bester".
Mal sitzt er da mit gefalteten Händen und lächelt. Mal gibt er jovial lächelnd in einer Traube von Rentnern den Menschenfreund. Das soll nahbar und sympathisch wirken, weil offenbar der Schock des Norbert Röttgen-Wahlkampfes bei der NRW-CDU noch tief sitzt.
Röttgen galt immer als "Muttis Klügster", doch die Herzen der Menschen erreichte der Vordenker mit seiner Leidenschaft für Visionen nicht. Themen-Plakate wie "Mehr Lehrer. Weniger Unterrichtsausfall" machen den Laschet-Auftritt leider nicht progressiver. Solide, aber für eine Partei, die an die Regierung will, sehr brav.
Die Kommunikation: "Er versucht als einziger Spitzenkandidat fortlaufend, seine Antworten mit für Politiker typischen Gesten zu unterstützen", hat Rhetorik-Experte Michael Ehlers erkannt. Das Risiko seines Stils: Laschet bleibt nur schwer in Erinnerung. Denn sein Markenzeichen ist in Sprache und Auftritt Konformität. Armin Laschet fehlt es an Ecken und Kanten und er orientiert sich dabei offenbar an Angela Merkel. Ein Mensch ohne Reizpunkte. Das kann - siehe Merkel - durchaus erfolgreich sein.
Sylvia Löhrmann, GRÜNE
Die Kampagne: "Zusammen ist es NRW" lautet der Slogan der grün-gelben Plakate, die an Anti-AKW-Proteste und Sonnenblumen im Bundestag erinnern. Damit fallen die Grünen auf, weil sie wirken wie ein Retro-Trip in die 80er Jahre. Auf dem Plakat: ein Portrait der Spitzenkandidatin, die als Schulministerin des größten Bundeslandes so schlicht präsentiert wird wie eine Kommunalpolitikerin. "1. Mehr Haltung. 2. Weniger Hass." lautet Löhrmanns Botschaft. Oder "1. Neue Energie. 2. Neue Jobs." Das ist einfach, klar, aber sehr angepasst und bürgerlich für eine Partei, die in aktuellen Umfragen gerade Richtung 5-Prozent-Hürde stürzt. Waren die GRÜNEN nicht mal Revoluzzer? Die Kampagne wirkt rückwärtsgewandt und wie aus einer anderen Welt, in der lieber leidenschaftlich über alternative Energien statt über den Kampf gegen den Terror gestritten wird. Eine gewagte Rückkehr zum alten grünen Markenkern.
Tipps für die perfekte Rede
Schon beim Betreten des Raumes oder auf dem Weg zum Rednerpult müssen Sie konzentriert sein und Ihre Sprechhaltung einnehmen. Denn die Zuhörer nehmen Sie schon wahr, bevor Sie die Bühne betreten.
Reden Sie nie ohne Plan. Auch wenn Sie sich im Thema blind auskennen – überlegen Sie sich ganz genau, wie Sie Ihren Zuhörern die Informationen vermitteln wollen.
Machen Sie sich Stichwörter auf Moderationskarten. Ein ausformulierter Text ist unübersichtlich und verführt zum monotonen Ablesen.
Verzichten Sie auf lange Handouts oder eine vollgestopfte PowerPoint-Präsentation – Folien oder Charts sollen den Vortrag unterstützen und ihn nicht überflüssig machen.
Was wollen Sie erreichen? Bauen Sie eine Beziehung zu ihrem Publikum auf und verzichten Sie auf Belehrungen von oben herab. Damit die Distanz zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern nicht zu groß wird, sprechen Sie sie direkt an und beziehen Sie sie so in den Vortrag mit ein.
Ihre Gesten müssen das Gesagte unterstreichen und gezielt eingesetzt werden. Zu viel Bewegung kann vom Inhalt ablenken und wirkt hektisch. Symmetrische Gesten und eine geschlossene Körperhaltung, zum Beispiel verschränkte Arme, kommen beim Zuhörer nicht gut an.
„Meiner Meinung nach“, „Am Ende des Tages“, „äh“ oder „übrigens“ sind Floskeln, die Sie nicht brauchen und den Zuhörer nerven. Überlegen Sie, was Sie stattdessen sagen können, damit Sie diese Lückenfüller nicht brauchen.
Wählen Sie Ihre Formulierungen so, dass Sie deren Inhalt glaubwürdig vertreten können. Neutrale Ausdrücke können dabei helfen, falls eigenes Empfinden und Firmenpolitik auseinander fallen.
Sich über Nervosität zu ärgern oder sie verdrängen zu wollen, macht es meist noch schlimmer. Nehmen Sie ihre Nervosität hin. Häufig erhöht sie sogar die Konzentration.
Die Kommunikation: "Es fällt schwer, sich auf Inhalte zu konzentrieren, wenn sich Sylvia Löhrmann mit ihrem grünen, von Blumen übersäten Blouson im 70er-Jahre-Stil etwas zu sehr am Parteinamen orientiert", kritisiert Rhetorik- und Kommunikations-Experte Michael Ehlers beim Anschauen des WDR-Kandidatencheck-Videos der grünen Spitzenfrau. Außerdem erkennt er "klare Defizite in Sachen Präzision und Struktur". Sein Urteil: Löhrmanns Äußerlichkeiten lenken ab, ihre Antworten strengen an.
Christian Lindner, FDP
Die Kampagne: An dieser Kampagne scheiden sich die Urteile der Werbe-Experten. Und genau diese Polarisierung macht sie so besonders. Die einen bemängeln, dass die Schwarz-Weiß-Fotos aus dem politischen Alltag des smarten Spitzenkandidaten Christian Lindner eher an "Konzertankündigungen" erinnern, die anderen vermissen den klaren Wiedererkennungswert für die FDP. Mal sieht man Lindner im Autorückspiegel, mal lässig im Hörsaal.
Dann wieder zieht er wie ein Dressman den Mantel an oder liest auf dem Smartphone, während er isst. Das Konzept der Plakate brüllt einen an: Unser Mann ist authentisch. Der Slogan: "Es geht um unser Land." Was auffällt: Im Gegensatz zur großen Oppositionspartei CDU will die kleine Oppositionspartei FDP, die sich neuerdings "Freie Demokraten" nennt, wenigstens ein bisschen frech sein.
Ein Spruch wie "Nur weil Kinder gerne im Dreck spielen, müssen die Schulen nicht so aussehen", provoziert und berührt. Der ungeschminkte Christian Lindner im Unterhemd machte Schlagzeilen von BILD bis meedia.de - und sorgte allein am ersten Tag der Veröffentlichung bei Facebook für mehrere hunderttausend Klicks.
Allen Kritikern zum Trotz: Der Wiedererkennungswert der Kampagne ist enorm. Einziges Manko: Sie ist - für die FDP nicht untypisch - eine One-Man-Personality-Show. Das könnte für Verdruss bei potenziellen Wählern in NRW sorgen, denen Lindner ja bereits angekündigt hat, im Herbst auf jeden Fall in den Bundestag einziehen zu wollen.
Die Kommunikation: "Christian Lindner hebt sich rhetorisch durch klare Inhalte und einfache Satzstrukturen von seinen Mitstreitern ab", schwärmt Rhetorik-Trainer Michael Ehlers. Seine Analyse: Lindner beschränkt sich in seinen Antworten auf das Wesentliche und weiß sie an Stellen mit potenziellem Erklärungsbedarf mit simplen, aber präzisen Kausalitätsketten im "Wenn-Dann-Stil" zu ergänzen. Nachdruck verleiht der FDP-ler seinen Interessen durch sogenannte Inversionen. Dabei wird mit der gängigen Satzgliedfolge von Subjekt-Prädikat-Objekt gebrochen und einfach mal das Objekt an den Satzanfang gestellt. Ein Beispiel: "In Bildung müssen wir investieren!" Gern arbeitet Lindner auch mit Antithesen, Steigerungen und Auslassungen. So kann der FDP-Spitzenkandidat in kurzer Zeit wesentliche Informationen vermitteln und filtert für den Zuhörer direkt beim Sprechen alles Wesentliche. Ehlers' Fazit: Lindner ist ein Rhetorik-Profi, dem man sehr gerne zuhört.
Özlem Alev Demirel, DIE LINKE
Die Kampagne: Die Spitzenkandidatin der Linken sucht man in NRW auf Plakaten vergeblich. Stattdessen dominieren kommunale Kandidaten und Symbol-Plakate von Menschen mit kämpferischer Arbeiter-Faust. "Zeig Stärke" steht darüber. Oder - wie in Köln - "Kalle für alle!" Der Kandidat heißt so.
So geht es nicht: Die populärsten Irrtümer, wie eine gute Rede aussieht
"Tun Sie es nicht", warnt Rhetorik-Trainer und Buchautor Matthias Pöhm in seiner Sammlung der typischen Rhetorik-Irrtümer. "Gerhard Schröder, Obama und Konsorten stellen sich nicht selbst vor. Wer sich vorstellt, hat's nötig und macht sich dadurch klein." Er ist überzeugt: "Wenn Sie gut waren, dann machen die Leute sich schon von selbst schlau, wenn nicht... ist es gut, dass Sie's nicht erwähnt haben."
Im Fernsehen wird vorher auch nicht verraten, wer der Mörder ist. Eine Übersicht am Anfang des Vortrags langeweilt nur. Und: Martin Luther King, Cicero und Obama gaben auch keine Übersicht, worüber sie reden wollten.
Ein ganz ähnlicher Tipp ist der, am Anfang zu erklären, worüber man sprechen will, dann darüber zu sprechen und am Schluss eine Zusammenfassung zu geben. Dieses Rhetorikschema ist leider so wirkungsvoll wie eine Schlaftablette. Stellen Sie sich vor, die Ansagerin vom "Tatort" sagt am kommenden Sonntag: "Der Mörder ist diesmal der Direktor", dann kommt der Krimi und am Schluss heißt es: "Sie haben heute erlebt, wie der Kommissar den Direktor als Mörder entlarvte."
"Meine Damen und Herren, schon Goethe wusste..." Das wirkt altväterlich, ausgelutscht. Benutzen Sie statt dessen eigene Lebensweisheiten, statt die von Laotse, Buddha oder Goethe.
Dieser Tipp ist so alt wie das Fischgleichnis, das Jesus den Fischern gab. Wenn Sie kein Mediziner sind und vor Ärzten sprechen sollen, versuchen Sie es nicht mit einem Gleichnis aus der Medizin. Nehmen Sie etwas, das weit weg von der Berufswelt der Zuhörer ist.
Angeblich kann das Unterbewusstsein das Wort "nicht" nicht verarbeiten. Als Beweis wird seit Jahrzehnten der Satz "Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten" bemüht. Wenn ein Hypnotiseur einem Menschen die Anweisung "Du kannst nicht aufstehen" gibt, wird das vom Unterbewusstsein allerdings sehr wohl verarbeitet.
Lächeln erzeugt Sympathien, das ist richtig. Es ist aber kein Grund, bei einer Rede andauernd zu grinsen. Wenn der Redner auf Dauerlächeln oder allgemein starke Mimik verzichtet, erzielt er eine bessere Wirkung.
Wenn Sie einen Auftrag haben wollen oder Menschen dazu bewegen wollen, ein Projekt mir Ihnen zu realisieren, dann haben Sie eine höhere Wirkung wenn Sie von "Ich" sprechen, als von "Wir". Man vertraut einem einzelnen Menschen mehr als abstrakten Gebilden wie Firmen, Abteilungen und Teams.
Wer einfach von "Bürgern" redet, erzeugt wesentlich mehr Schubkraft als mit der gendergerechten Version "Bürgerinnen und Bürger". Das wirkt angestrengt, bemüht, verkopft - und alles das sollte eine Rede nicht sein. Pöhm ist überzeugt: "Auch die Frauen, die diese Formulierung fordern, reden beim privaten Kaffeplausch mit ihrer Freundin nicht so. Die natürliche, ungekünstelte Alltagssprache ist immer auch die Sprache der höchsten Wirkung auf das Publikum."
Viele gehen davon aus, dass sich eine Information besser festsetzt, wenn man sie nicht nur hört, sondern auch noch sieht - also liest. Und schon hat der Redner ein Argument, sich hinter Folien zu verbergen. "Wenn Sie den selben Text ohne Folienunterstützung sprechen, werden Sie eine dramatisch höhere Wirkung erleben", so Pöhm. Gleiches gelte für den Rat "Ein Bild sagt ein mehr als 1000 Worte.". Zwar glaube der ganze Planet daran, im Vortrag sei es jedoch wirkungsvoller ein Bild mit Worten zu beschreiben, als einfach ein Foto zu zeigen. Denn ohne das Foto ist die eigene Vorstellungskraft gefragt.
"Vom Whiteboard, zu Pinnwand, zu Overhead, zu PowerPoint": Oft wird gepredigt, dass ein häufiger Wechsel des Präsentationsmittels angeblich die Präsentation lebendiger macht. Tatsächlich macht es sie nur hektischer. Pöhm rät deshalb: "Bleiben Sie beim Flipchart."
Verschränkte Arme bedeuten Verschlossenheit und Ablehnung ist ein weiterer Irrtum. In Ausnahmefällen trifft es zu, aber wenn man Menschen beim Präsentieren erlebt, die es tun, dann wirkt das in der Regel überhaupt nicht "ablehnend". Gleiches gilt für die Hand in der Hosentasche, die angeblich nicht erlaubt ist. Pöhm: "Das gilt für Jeans, die Taschen haben, wo man die Hand nur von oben reinstecken kann. Das wirkt tatsächlich unvorteilhaft. Aber bei Stoffhosen, wo die Tasche eine seitliche Öffnung hat, sieht es sehr cool aus, wenn EINE Hand in der Hosentasche ist und die andere gestikuliert."
"Redner und Präsentatoren laufen bei einer U-Form Bestuhlung oft in die U-Form und bewegen sich auf einzelne Teilnehmer zu. Das soll angeblich Nähe und "Verbindung" zum Publikum erschaffen. In der Gegenüberstellung, wo der Redner auf dem "Machtpunkt" in der energetischen Mitte des Auditoriums stehen bleibt und damit viel mehr Autorität ausstrahlt, erkennt man, dass diese Regel ein Irrtum ist."
Pöhm sagt ganz klar: "Menschen lieben es, wenn man Ihnen Ratschläge gibt. Keiner fühlt sich "geschlagen"." Er empfiehlt: "Probieren Sie es aus."
Das wirkt alles ein bisschen wie RTL2-Werbung, schärft aber den Markenkern als Protestpartei gegen soziale Ungerechtigkeit ungemein. Die Kampagne ist eine Heimat für die Stammwählerschaft, aber darüber hinaus?
Die Kommunikation: "Unsicher, die Gesichtszüge entgleiten ihr leicht", bemängelt Kommunikations-Profi Michael Ehlers beim Anschauen des WDR-Kandidatencheck-Videos. Doch er rechnet Frau Demirel an: "Sie spricht aus dem Herzen und für jedermann verständlich." Fazit: Rhetorisch unsicher, aber viel Mensch.
Michele Marsching, Piraten
Die Kampagne: "Ach, die PIRATEN gibt es noch?", möchte man ausrufen. Es kostet wirklich Mühe, die Plakate der PIRATEN in Nordrhein-Westfalens Städten zu entdecken. Vielleicht ein Grund, warum die Plakate im "Smartgerecht"-Shop ab drei Euro pro Stück für jedermann zu kaufen sind. "Leben ohne Angst: Grundeinkommen!" steht darauf. Oder "Demokratie braucht geile Politik!" Das klingt erstaunlich analog und wenig digital und nach politischem Realismus. Modern, doch am ursprünglichen Markenkern vorbei. Wirkt wie ein Plan.
Die Kommunikation: "Michele Marsching ist der authentischste aller Spitzenkandidaten", analysiert Rhetorik- und Kommunikations-Trainer Michael Ehlers. Er zeigt Nähe zu den Bürgern und Sinn für Humor. Und passend zur Plakatkampagne machen die PIRATEN mit humanitären Themen fast schon der Linkspartei Konkurrenz. Ehlers' Urteil: "Anders als man es früher von den PIRATEN gewohnt war: ein absolut ernstzunehmender Spitzenkandidat."
Marcus Pretzell, AfD
Die Kampagne: Der Auftritt der AfD besteht aus Personen- und Themen-Plakaten. Freundlich lächelnd verspricht Pretzell "die Antwort auf KRAFT-lose Politik" zu sein. Der Slogan: "Unser Programm heißt Realität." Bei den Themen-Plakaten wird es dann provokativ. Die AfD textet zum Foto eines lachenden blonden Mädchens: "Mit 18 freut sich Lili noch mehr, dass ihre Eltern AfD gewählt haben." Auf einem anderen Plakat sieht man eine alte Frau im Bundeswehr-Parka, die in einer Mülltonne kramt. Dazu die beißend-zynischen Worte: "Die Früchte eines arbeitsreichen Lebens." Die AfD lebt vom Protest. Je nach Blickwinkel mögen die Plakate fast schon wie Realsatire wirken (Bundeswehr-Parka, blondes Mädchen), den Markenkern "Dagegen!" bespielen sie polternd und optimal.
Tipps für den gelungenen Smalltalk
Zum Smalltalk gehört auch eine entsprechende Körperhaltung: Es geht um eine nette, harmlose Plauderei, also beginnen Sie diese mit einem netten Lächeln. Und verschränken Sie die Arme nicht vor der Brust und verstecken Sie Ihre Hände nicht hinter dem Rücken oder in den Hosentaschen.
Smalltalk betreiben wir meist mit Menschen, die wir nicht besonders gut kennen. Deshalb ist es wichtig, einen angenehmen Gesprächsabstand einzuhalten. Wer seinem Gegenüber zu dicht auf die Pelle rückt, darf sich nicht wundern, wenn er sich unbeliebt macht.
Am liebsten smalltalken die Deutschen über ihren Urlaub, Ärger mit Handwerkern, ihre Hobbies, Berufliches oder die Gesundheit.
Vermeiden Sie die Themen Politik, Religion, Geld und private Probleme: Solche Themen sind nur für den Freundes- oder Verwandtenkreis bestimmt. Für eine unverbindliche Plauderei mit Fremden eignen sie sich nicht.
Auch wenn es sich um Ihren absoluten Lieblingswitz handelt, beginnen Sie ein Gespräch bitte nicht mit: „Kennen Sie den?...“ Niemand hat etwas gegen humorvolle Bemerkungen und Schlagfertigkeit, aber Sprücheklopfer und Witzbolde kommen einfach nicht gut an.
Bringen Sie Ihr Gegenüber dazu, etwas zu erzählen. Wer geschlossene Fragen stellt, auf die der Gesprächspartner nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann, schafft keine angenehme Gesprächsatmosphäre. Versuchen Sie es lieber mit einer Frage wie „Woher kennen Sie den Gastgeber?“
Achten Sie darauf, neutrale Fragen zu stellen und freundlich zu bleiben. Wer fragt: „Finden Sie Fußball auch so doof?“ wird es sich mit einem eingefleischten Fan verscherzen. Dann lieber fragen, was das Gegenüber beruflich macht. Zur Not reden Sie über das Wetter, das geht immer.
Damit sich wirklich ein nettes Gespräch ergibt, müssen Sie natürlich nicht nur Fragen stellen, sondern auch zuhören. Schenken Sie Ihrem Gegenüber also die volle Aufmerksamkeit, auch wenn Sie sich über belanglose Themen unterhalten. Sonst verliert er schnell die Lust am Gespräch mit Ihnen.
Auch wenn Lästern im Freundeskreis Spaß macht, beim Smalltalk sollten Sie es sich sparen. Es fällt nur negativ auf Sie zurück. Zuhörer übertragen jene Eigenschaften, die Person A einer Person B andichtet, unbewusst und automatisch auf Person A. Ebenfalls verzichten sollten Sie auf prahlerische Redebeiträge nach dem Motto „Mein Haus, mein Auto, meine Yacht“.
Die Kommunikation: In TV-Auftritten versucht AfD-Spitzenkandidat Marcus Pretzell den sympathischen Politiker von nebenan zu geben, doch beim WDR-Kandidatencheck verhielt er sich - vermutlich wegen eines Lügenpresse-Reflexes - wenig klug. Pretzell verweigerte sich dem Projekt. Das Urteil von Kommunikationsexperte Michael Ehlers: "Strategisch ein Eigentor. Denn keine Kommunikation ist auch Kommunikation."