WirtschaftsWoche: Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel stehen bevor. Das sind zwar gesellschaftliche Ereignisse, aber sie finden nicht zufällig zur Zeit der größten Dunkelheit, der Wintersonnenwende, statt. Ist das auch ein biologisches Ereignis? Bekommt unser Gehirn mit, dass die Tage jetzt am kürzesten und die Sonneneinstrahlung am geringsten sind?
Gerhard Roth: Natürlich. Besonders die Lichtmenge ist ein sehr wichtiger Faktor für die Gehirnaktivität bei vielen Tieren – und bei uns Menschen auch. Wir haben einen eigenen neuronalen Apparat, der diese Bedingungen misst, weil sich der Körper darauf einstellen muss. Diese Lichtmengensteuerung ist elementar. Auch wenn man künstlichem Licht über längere Zeit ausgesetzt ist, kommt der Tagesrhythmus völlig durcheinander. Das ist ganz tief in unserer Biologie. Dunkelheit verträgt der Mensch nicht besonders gut. Wir stammen von Vorfahren ab, die in Afrika das ganze Jahr über denselben Lichtrhythmus hatten.
Welche konkreten Auswirkungen hat der Lichtmangel? Sind wir weniger leistungsfähig?
Ja. Und unkonzentrierter. Das liegt insbesondere an den veränderten Lichtrhythmen. Wir merken das ja auch bei Interkontinentalflügen. Viele Menschen leiden da tagelang drunter. Auch dauerhaft bei künstlichem Licht zu arbeiten, schadet der Leistungsfähigkeit und vor allem der Konzentration. Es kostet uns ja auch viel mehr Überwindung im Winter früh morgens aufzustehen, wenn es noch stockduster ist. Im Sommer ist man sehr viel aktiver. Das hängt damit zusammen, dass bestimmte Stoffe in unserem Körper - besonders Serotonin, das uns motiviert aber auch beruhigt - sehr stark vom Licht abhängig sind. Die Selbstmordraten in den nordischen Ländern steigen ja im Winter dramatisch. Das hängt relativ direkt damit zusammen, dass Serotonin nicht in ausreichender Menge ausgeschüttet werden kann.
Fünf Wege aus der Depression
Die Therapeutin und Autorin Ursula Nuber zeigt in ihrem Buch "Wer bin ich ohne dich?" fünf Wege aus der Depression. Die 1. Strategie lautet: Den Sinn der Depression erkennen. Dabei ist es für betroffene Frauen wichtig herauszubekommen, welcher Sinn, welche Botschaft für sie in der Krankheit enthalten ist. Dazu gehört auch, dass sie nicht ausschließlich auf hormonelle Veränderungen, biochemische Ungleichgewichte im Gehirn oder Erbfaktoren zurückgeführt und damit zu einem rein medizinischen Problem reduziert werden sollte. Wenn es gelingt, die Botschaft zu entschlüsseln, kann sich die Depression als grundlegende Veränderung zum Positiven nutzen lassen.
So wie Angst ein Signal für Gefahr ist, so ist die Depression häufig ein Signal, dass eine Frau sich vor vergeblichen Anstrengungen schützen sollte.
In dieser Phase können Frauen viel Neues über sich lernen. Sie bekommen eine Ahnung, was genau ihnen nicht gut tut, wo sie die Weichen anders stellen müssen. Sie achten nicht nur darauf, wann sie sich besonders niedergeschlagen und ungeliebt fühlen, sie achten ebenso darauf, wer und was ihnen dabei hilft, damit die Depression weniger intensiv spürbar ist. Sie erkennen, dass sie kein passives Opfer der Krankheit sein müssen, sondern durchaus Einfluss auf sie nehmen können - zum Beispiel indem sie sich in Bewegung setzen.
Die Erfahrung, nicht auf sich allein gestellt zu sein, kann auf dem Weg aus der Depression so etwas wie ein Leitstern werden. Vor allem Freundinnen können hilfreich im Prozess der Selbstfindung sein. Es ist eine weibliche Anti-Stress-Strategie, sich in schwierigen Zeiten mit Geschlechtsgenossinnen zu verbünden und gemeinsam mit ihnen den Stürmen zu trotzen.
Nachhaltig helfen kann auch eine rechtzeitige psychotherapeutische Behandlung, die das Risiko, an weiteren Depressionen zu erkranken, deutlich senkt. Der richtige Therapeut kann also ein äußerst wichtiger Begleiter bei der Depressionsarbeit sein. Ausschlaggebend für den Erfolg ist nicht in erster Linie die Methode, sondern die Beziehung, die zwischen dem Therapeuten und der Klientin entsteht.
Niemanden behandeln Frauen, ganz besonders depressive Frauen, so schlecht wie sich selbst. Depressionsgefährdete Frauen neigen dazu, mit sich selbst ungeduldig zu sein und sich selbst zu kritisieren, sie beschuldigen sich für ihr Versagen und werfen sich vor, anderen Menschen Probleme zu bereiten.
Doch wichtig ist vor allem die Selbstfürsorge und das Mitgefühl für sich selbst. Kommt die Selbstfürsorge dauerhaft zu kurz, dann kann das auch zu einem Stressfaktor werden, der in die Depression führen kann. Frauen müssen erkennen, dass ihr Leben nicht dadurch lebenswert wird, indem sie möglichst viel für andere leisten, sondern dass es vielmehr darauf ankomme, dass sie sich möglichst viel ersparen.
Die reife Form der Aggressionsverarbeitung kann man nur dadurch erwerben, dass man Erfahrungen mit seiner Aggression macht. Wir alle haben das Recht auf alles, was wir fühlen. Das geringe Selbstwertgefühl Depressiver hat eine wichtige Wurzel in ihrer nicht gewagten, nicht gekonnten Aggressivität. Depressive Frauen müssen lernen, den Ton lauter zu stellen. Frauen, die ihre Depression überwinden wollen, müssen ihre Rolle als nettes Mädchen aufgeben. Denn Nettsein ist eine Einbahnstraße. Wer nett ist, ist beliebt, aber er wird ausgenutzt und bekommt nicht, was er sich wünscht, nämlich Anerkennung und eine Gegenleistung für das Nettsein.
(Quelle: Ursula Nuber, "Wer bin ich ohne dich?", Campus-Verlag)
Kann man sich auf den Winter einstellen?
Vielleicht kann man einfach etwas mehr schlafen, also früher ins Bett gehen. Aber im Grunde bleibt uns nichts anderes übrig, als das hinzunehmen.
Und was sollten Arbeitgeber tun, um diese Anpassung zu erleichtern?
Unser ganzes Berufsleben ist ja nicht mehr vom natürlichen Lichtfluss gesteuert. Eigentlich wäre es sinnvoll, im Winter erst später mit der Arbeit zu beginnen. Aber das dulden die Unternehmen und Behörden nicht. Auch der Schulbeginn um 8 Uhr ist für Kinder im Winter eigentlich zu früh. Die Firmen sollten wenigstens dafür sorgen, dass das künstliche Licht am Arbeitsplatz dem Tageslicht ähnelt.
Magische Beschwörungsformeln
Zum Jahresende blicken viele Menschen, gerade wir Journalisten, auf das abgelaufene Jahr zurück und fragen, was das nächste bringen wird. Warum tun wir das? Liegt es nur daran, dass die Jahreszahl auf dem Kalender sich ändert?
Zunächst einmal ist das biologisch bedingt: Auch Tiere spüren, dass die Tage wieder länger werden. Dazu kommt eine jahrtausendealte kulturelle Prägung. Die Wintersonnenwende war und ist in allen Religionen und Gesellschaften von größter Bedeutung. Dieses Ende des Jahres wurde als bedrohlich wahrgenommen. In allen Kulturen gibt es die Vorstellung einer Lücke, die in etwa der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr entspricht. Und durch diese Lücke, so die Vorstellung, könnten böse Geister einbrechen. Daher kommen diese ganzen Rituale. Die Silvesterknallereien sollen die bösen Geister zu vertreiben. Wünsche sollen auf magische Art und Weise das Geschehen im neuen Jahr beeinflussen. Die Sorge um die Zukunft ist im Menschen ganz tief verankert, auch neurobiologisch. Wir vollziehen diese Bräuche, ohne zu wissen, wo das alles herkommt. Wünsche sind im Grunde nichts anderes als Beschwörungsformeln. Eine ganz abgeschwächte Form sind Wünsche , sich zu ändern. Weniger Rauchen, mehr Sport und so weiter. Gute Vorsätze sind der letzte Abglanz dieser starken Beschwörungsformeln.
Gute Vorsätze richten sich also ursprünglich nicht an uns selbst, sondern an eine Gottheit?
Ja. Auch wenn ich „Guten Tag“ sage, ist das eigentlich eine magische Beschwörungsformel, die davon ausgeht, dass Wünsche irgendeine Kraft haben. In der ganzen Welt gibt es diese Formeln.
Warum fällt es uns so schwer, unsere eigenen Vorsätze zu realisieren? Warum ist unser Gehirn so widerspenstig?
Es ist schwer, andere Menschen zu verändern. Und sich selbst zu verändern, ist noch schwerer. Ich selbst bin ein schlechter Adressat für meine Wünsche. Insbesondere weil ich mir selbst der schlechteste Schiedsrichter bin. Zweitens weil ich aus komplizierten Gründen mich selbst gar nicht durchschauen kann. Ich bin wie ein Regierungssprecher, der bei der entscheidenden Kabinettsitzung nicht dabei war. Der allergrößte Teil dessen, was in unserem Gehirn vorgeht, ist unserem Bewusstsein nicht zugänglich. Einschließlich der Intentionen und Gefühle. Das Bewusstsein erfasst nur einen ganz kleinen Teil dessen, was das Gehirn mit uns macht. Wir glauben, dieser kleine Teil sei die Welt, aber darunter ist sehr viel mehr. Der außen stehende Fachmann, also der Psychologe, Psychiater oder Hirnforscher, kann besser in den Menschen hereinschauen als er selbst. Menschen haben häufig ein extrem verzerrtes Bild von sich - und reden auch so. Normalerweise ist es relativ zwecklos, am 31. Dezember zu sagen: Nächstes Jahr werde ich mich bessern. In der Regel wird sich nichts ändern, weil der Anlass falsch ist. Es ist eben nur ein Ritual. Ich freue mich schon auf den 31. Dezember, wo ich mir wieder vornehme, dies und jenes zu ändern, was ich aber eigentlich nicht ändern will.
Wie man sich ändern kann
Also kann der Mensch sich überhaupt nicht ändern?
Es gibt drei Möglichkeiten, einen Menschen zu ändern. Die erste Methode ist eine Gehirnwäsche. Indem man einen Menschen brutal isoliert, demütigt, entmenschlicht, kann man den Willen eines jeden Menschen brechen. Der Nachteil ist, dass das sehr unmoralisch ist und man den Menschen dann zerstört hat. Der zweite, humanere Weg ist ein starker emotionaler Aufruhr. Also ein schockierendes Erlebnis, eine schwere Krankheit oder der Tod eines geliebten Menschen. Irgendetwas, das mich zutiefst erschüttert. Dann kann es gelegentlich zu starken Veränderungen der Persönlichkeit kommen.
Muss das denn immer ein großes Unglück sein?
Es kann auch die Bekanntschaft eines Menschen sein. Ein großes Vorbild. Aus irgendeinem Grund kann es dann zu einem Erweckungserlebnis kommen. Wenn man nachgräbt, merkt man, dass diese erweckten Menschen schon vorher bereit dazu waren. Die Begegnung ist der Funke. Ich war mit dem Beruf oder der Beziehung unzufrieden, habe es aber nicht eingestanden. Und jetzt, wo ich ihn oder sie kennengelernt habe, jetzt mache ich es.
Kampf gegen Zeitfresser und Fremdbestimmung
Die Unternehmensberater Michaela Lang und Oliver Fritsch geben in ihrem gerade erschienenen Buch "Das Anti-Bunrout-Buch" (MVG-Verlag) wertvolle Tipps in Form von 14 Denkwerkzeugen. Wir haben die wesentlichen Tipps für Sie zusammengefasst.
Zeitmangel ist ein immer wiederkehrender Stressfaktor. Zu wenig Zeit zu haben, um seine Arbeit gut zu machen, wirkt sich genauso verheerend aus, wie zu wenig Zeit zum Schlafen zur Verfügung zu haben.
Das alte Zeitmanagement, bei dem es nur darum ging, so effektiv wie möglich zu arbeiten, hat ausgedient. Jetzt müssen wir anders vorgehen.
Stress durch Zeitmangel zu besiegen. Herauszufinden, welches die Zeitfresser sind und wo Zeitsparpotenziale liegen. Freie Zeit zu gewinnen und sie dann genauso einzusetzen, dass sie zu Lebensfreude und Produktivität verhilft.
Woran es am meisten hapert, wenn jemand sich durch Zeitknappheit gestresst fühlt:
- Schlechte Organisation des Schreibtisches und der Arbeitsmittel, nach dem Motto: „Wer Ordnung hält, ist bloß zu faul zum Suchen.“
- Die Unfähigkeit, Nein zu sagen und klare Grenzen zu ziehen. Das kommt nur vor, wenn du zulässt, dass andere Menschen (Mitarbeiter, Chefs, Kunden, Lieferanten) dich fremdbestimmen, dir die Hucke vollquatschen, deine Zeit stehlen, sodass du deine anliegenden Arbeiten nicht mehr erledigen kannst.
- Eine unproduktive Arbeitsphilosophie, die zunächst von langen Ruhephasen dank „Aufschieberitis“ geprägt ist und danach in wilde Hektik umschwenkt, weil alle noch zu erledigenden Arbeiten auf den letzten Drücker gemacht werden müssen, um Termine einzuhalten.
- Schlechte Organisation der Prioritäten, bei der das Dringende und Unwichtige vor dem Wichtigen Vorrang hat.
- Nichts verpassen wollen, sich selbst nicht beschränken und stattdessen alles „mitnehmen“, was geht. Auf gut Deutsch, „auf zu vielen Hochzeiten tanzen wollen“.
- Sich unbewusst von den eigenen inneren Motiven dazu verleiten lassen, sie extrem auszuleben. Besonders gefährdete Kandidaten: sehr hilfsbereite Menschen, Gesellige und Menschen mit einem erhöhten Bedarf an körperlicher Aktivität.
Ein Ziel des Denktricks besteht darin, herauszufinden, wo Zeitsparpotenziale liegen. Es geht darum, Verhaltensmuster aufzudecken, die sich eingeschlichen haben und durch die man Zeit verliert bzw. vergeudet. Vergeudete Zeit ist Zeit, die weder produktiv eingesetzt ist, noch Freude bereitet. Als klassisches Beispiel dafür dient die Zeit, die man ungenutzt vor dem geöffneten E-Mail-Eingangsfach verbringt, während man darauf wartet, dass eine Nachricht hereinkommt.
Darüber hinaus sollen Fehler aufgedeckt werden, die man wiederholt begeht. Zum Beispiel die Abgabe einer Arbeit jedes Mal bis zur letzten Minute hinauszuzögern. Die Frage lautet: „In welche Falle tappe ich immer wieder?“
Zeichnen Sie in eine 24-Stunden-Uhr ein, wie Sie im Schnitt Ihre Zeit verbringen. Tragen Sie ein: Schlafenszeit, Essenszubereitung und -konsum, Arbeitszeit (eventuell grob segmentiert nach der Zeit, die Sie allein oder mit anderen verbringen), Freizeit, Gartenarbeit, Sport, Medienkonsum, PC-Spiele ...
- Schraffieren Sie in einer Farbe die Zeiten, in denen Sie produktiv und glücklich sind.
- Schraffieren Sie in einer anderen Farbe die Zeiten, in denen Sie unproduktiv und/oder unglücklich sind.
- Heben Sie zusätzlich Kontakte mit anderen Menschen, die Ihnen guttun, durch Sternchen hervor.
- Schauen Sie sich Ihr Bild an und fragen sich:
- Welcher prozentuale Anteil Ihrer Zeit ist produktiv genutzt?
- Welchen prozentualen Anteil Ihrer Zeit verbringen Sie glücklich?
- Welchen prozentualen Anteil Ihrer Zeit verbringen Sie unproduktiv und/oder unglücklich?
- Welcher prozentuale Anteil davon ist vertrödelt (macht Ihnen weder Spaß noch bringt es Sie irgendwie weiter)?
- Welche Dinge sind es konkret, die Sie immer wieder locken und ablenken und über die Sie sich hinterher ärgern (Surfen im Internet, Fernsehen ...)
- Bei welchen Dingen verzetteln Sie sich und wo läuft Ihnen schnell die Zeit davon?
- Welche Menschen stehlen Ihnen Ihre Zeit? Und Sie lassen sie trotzdem gewähren?
Bitte schreiben Sie für sich auf:
- Welche zeitraubenden Aktivitäten werden Sie aus Ihrem Alltag verbannen?
- Wie können Sie sich ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Sie produktiv sein und Stress eliminieren können?
- Was müssen Sie ändern. damit Ihr Privatleben Ihnen Kraft verleiht und nicht zusätzliche Energie raubt?
Vielleicht kennen Sie diesen Spruch:
„Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter!“
Gehen Sie nun einmal vom Gegenteil aus: Denken Sie darüber nach, wie Ihr Leben aussähe, wenn Zeit keine Rolle spielen würde und Sie ewig leben dürften. Hätten Sie dann weniger Stress?
Es gibt Menschen, die uns hin- und herschubsen, uns zum Spielball ihrer Kräfte machen und uns ihre Prioritäten aufzwingen. Wenn wir uns das gefallen lassen, liefern wir uns ihnen aus und können kein selbstbestimmtes Leben führen.
Ebenso lassen wir uns durch Abhängigkeiten fremdbestimmen. Wer diese Abhängigkeiten nicht kontrolliert und darauf bedacht ist, sein eigenes Leben zu leben, setzt sich selbst großem Druck und Stress aus.
Sich dessen bewusst zu werden, wie viel Ihrer Zeit fremdbestimmt ist, und die Kontrolle über Ihr Leben wieder zurückzugewinnen.
Fremdbestimmung liegt normalerweise dann vor, wenn wir uns von jemandem sagen lassen müssen, „was zu tun ist“, weil dieser Jemand in irgendeiner Weise Macht über uns besitzt.
Eine solche Situation existiert in so gut wie jedem hierarchischen System, in dem eine Person (oder Gruppe) eine Stufe höher steht als die untergebene Person, also beispielsweise:
- der Chef über dem Angestellten,
- der Wähler über dem Politiker
Wir behaupten, dass jeder auf die eine oder andere Weise fremdbestimmt ist.
Es gibt verschiedene Arten der Fremdbestimmung. Das sind die drei wichtigsten:
- Manchmal sind wir so ambitioniert und wollen etwas Bestimmtes erreichen, dass wir uns automatisch in einen Sog begeben, der auf selbst gesetzten oder durch die Sache an sich entstehenden Terminen beruht. Dieser Zustand stresst uns aber nicht wirklich, weil das Ziel, das wir verfolgen, etwas ist, das wir von innen heraus wirklich wollen.
- hin und wieder lassen wir uns fremdbestimmen, weil andere das aufgrund ihrer Funktion oder Macht mit uns tun können. Dieser Zustand dagegen stresst uns sehr, weil das etwas ist, das wir von innen heraus nicht wollen, und weil wir glauben, ihm hilflos gegenüberzustehen
- Schließlich kommt es immer wieder vor, dass wir uns von „untergeordneten“ Menschen fremdbestimmen lassen, weil wir ihnen von uns aus die Macht dazu überlassen. Zum Beispiel aufgrund von Schulgefühlen, wenn wir denken, dass wir zu wenig Zeit mit unseren Kindern verbringen. Es besteht die Gefahr, dass wir uns abends nach der Arbeit komplett von ihnen in Beschlag nehmen lassen und keine Zeit mehr für uns oder unseren Partner übrig bleibt.
Ändern wird sich für Sie nur dann etwas, wenn Sie:
- entscheiden, wem Sie die Macht geben wollen, Sie fremdzubestimmen, und welches Ausmaß davon Sie zulassen wollen;
- sich bewusst machen, was Sie wirklich tun müssen und wollen;
- sich darüber klar werden, was Sie wirklich brauchen;
- Ihre Grenzen klar erkennen und stecken;
- sich diesem Sog entziehen und Ihren eigenen Weg finden;
- Verantwortung für sich und Ihr Leben übernehmen;
- das Steuer selbst in die Hand nehmen.
Zeichnen Sie einen Kreis mit drei Feldern: selbstbestimmt, fremdbestimmt und selbst produzierter Stress. Die Grenzlinien zwischen den Feldern können Sie verschieben. Der Kreis stellt einen durchschnittlichen Tag in Ihrem Leben dar. Dabei handelt es sich nur um Ihre Wach-Stunden. Überlegen Sie sich nun,
- wie viel Zeit Sie an einem durchschnittlichen Tag von anderen fremdbestimmt werden (rote Linie),
- wie viel Sie durch sich selbst fremdbestimmt werden, zum Beispiel, weil Sie etwas erreichen wollen (gelbe Linie),
- wie viel Zeit Sie zur Verfügung haben, bei der Sie allein entscheiden, wie Sie sie einsetzen möchten (grüne Linie).
Zeichnen Sie Ihre eigenen Linien ein und schraffieren Sie die Segmente farblich. Fühlen Sie sich in Ihren Kreis hinein und fragen Sie sich, ob die Aufteilung so für Sie passt oder ob Sie etwas verändern müssen, um wieder durchatmen zu können und Ihr Burnout-Risiko zu senken.
Je belastender Ihr gegenwärtiger Zustand für Sie ist, desto dringender sollten Sie etwas daran ändern. Fragen Sie sich, wo sich die Fremdbestimmug belastend bemerkbar macht, und notieren Sie, was Sie verändern möchten.
Wir werden in viele Aufgaben und Verpflichtungen hineingezogen und glauben, dass wir uns nicht dagegen wehren können, weil wir nur noch funktionieren und nicht mehr hinterfragen, ob wir es wirklich tun wollen, können oder müssen.
Dadurch wird unsere Aufgabenlast immer größer und führt uns in einen nicht endenden Dauerstress.
Sich darüber klar werden, was Sie wirklich tun wollen, können oder müssen, um dann einen Ausweg aus dem Stress zu finden.
Dieser Schnellcheck mit drei entscheidenden Fragen soll bei ehrlicher Beantwortung helfen, herauszufinden, wo Sie ansetzen können, um einen Burnout zu verhindern. Sie lauten:
Muss ich das wirklich mitmachen oder nicht?
- Muss ich wirklich in diesem Job bleiben?- Muss ich mir das wirklich alles gefallen lassen?
- Muss ich mich wirklich an alle Regeln halten?
Will ich es wirklich oder will ich es eigentlich nicht mehr?
- Will ich meine Ehe wirklich retten oder will ich es eigentlich nicht mehr?
- Will ich wirklich in meiner Firma bleiben oder will ich es nicht mehr?
- Will ich wirklich abnehmen oder will ich es nicht?
Kann ich damit wirklich auf Dauer leben oder kann ich es nicht?
- Kann ich auf Dauer die Spielregeln meiner Firma akzeptieren oder frustrieren sie mich jeden Tag aufs Neue?
- Kann ich es auf Dauer körperlich und seelisch verkraften, die Pflege eines Verwandten zu übernehmen?
- Kann ich die sehr unterschiedlichen Einstellungen in der Partnerschaft auf Dauer aushalten?
Wenn wir bei der Erledigung von Aufgaben ständig gegen unsere inneren Werte verstoßen und keine Motivation verspüren, sie zu erledigen, wird uns das auch nie zufriedenstellend gelingen. Im Gegenteil: Dadurch manövrieren wir uns in einen permanenten Stresszustand, der irgendwann zwangsläufig zum Burnout führen wird.
Die folgende Übung verdeutlicht noch einmal, dass jedes ehrlich gemeinte Nein bei der Beantwortung der drei Fragen die Möglichkeit eröffnet, das bestehende System zu verlassen, neue Weg zu finden und somit dem eigenen Stress entgegenzuwirken.
Stellen Sie sich jetzt die drei Fragen für den Aufgabenbereich, in dem Sie sich fremdbestimmt fühlen oder der Sie belastet. Notieren Sie dann Ihre Erkenntnis.
- Muss ich das wirklich mitmachen oder nicht?
- Will ich es wirklich oder will ich es eigentlich nicht mehr?
- Kann ich damit wirklich auf Dauer leben oder kann ich es nicht?
So eine erweckende Begegnung kann man aber wohl leider nicht herbeizwingen. Sie sprachen von drei Methoden…
Die dritte Methode ist die harmloseste: In ganz kleinen Schritten, über lange Zeit. Das funktioniert nicht immer. Alleine fast nie, weil man zu früh aufgibt. Aber wenn man einen Menschen hat, der sagt, du wolltest doch, also tu es auch, dann kann es klappen. Am besten man beschwört seinen Lebenspartner: Egal was passiert, du treibst mich an. Das Wetter ist schlecht? Egal, du gehst jetzt laufen!
Wirklich ernst gemeinte Vorsätze muss man also öffentlich machen.
Selbst ein großer Zettel über dem Bett – „Ab morgen wird gespart!“ – nützt nichts. Da muss jemand sein, der richtig sauer wird, wenn ich mich nicht ändere.
Mein Chef, der Motivator
Kann das auch der Chef sein?
Ja. Ich habe es selbst erlebt. Wenn jemand chronisch unpünktlich ist, den man nicht gleich rauswerfen will. Dann macht man einen Konditionierungsplan und sagt: Sie stehen früher auf und versuchen schneller fertig zu werden. Da muss man trainieren. Angenommen, jemand kommt chronisch eine halbe Stunde zu spät. Dann sollte der Chef sagen: Sie kommen jede Woche fünf Minuten eher. Nicht gleich: Nächste Woche kommen Sie pünktlich, sonst fliegen Sie raus. Sondern langsam. Dann belohnt man ihn durch Aufmunterung. Das klappt bei manchen Menschen. Andere, bei denen auch das nicht zieht, muss man eben rausschmeißen. Auch wenn die um sechs Uhr aufstünden, würden die zu spät kommen, weil sie sich sagen, jetzt hab ich ja eine Stunde länger Zeit, um richtig genüsslich die Zeitung zu lesen.
Was passiert, wenn man merkt, dass man seine eigenen guten Vorsätze nicht einhalten kann?
Das kommt auf die Persönlichkeit an. Die einen nehmen es locker. Sie sagen: Ich bin so, wie ich bin. Es gibt Leute, die ständig einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen, weil sie unzuverlässig sind, und nichts dabei finden. Andere sind extrem enttäuscht von sich selbst. Wieder andere geben anderen Menschen die Schuld: Der Chef solle sich mal nicht so anstellen. Ob man sich gut ändern kann oder nicht, ist sehr früh angelegt. Ob genetisch oder frühkindlich geprägt, die Veränderungsfähigkeit ist individuell ziemlich genau festgelegt. Dem einen fällt es leicht, dem anderen schwer.
Hängt das mit der Intelligenz zusammen?
Nein, leider nicht. Das ist völlig abgekoppelt von Intelligenz und anderen Eigenschaften.
Nehmen Sie sich selbst eigentlich auch vor, im nächsten Jahr etwas anders zu machen?
Da ich neben meiner Professur auch eine Firma habe, muss ich immer für das kommende Jahr viele Termine planen. Die letzten Monate vor Weihnachten sind immer grausam. Da nehme ich mir immer vor: Nächstes Jahr passiert mir das nicht mehr. Das ist dann der eben genannte berühmte Irrtum. Es würde nur funktionieren, wenn ich meiner Assistentin sagte: Du kannst mich tot hauen, wenn ich wieder so viele Termine mache. Nur so geht es. Hindere mich daran, diese Fehler zu machen! Treib mich mit aller Brutalität dazu, mehr Sport zu machen, weniger zu rauchen, was auch immer. Sonst wird das nichts. Man selbst betrügt sich bewusst oder unbewusst pausenlos. Man muss nicht immer gleich zum Psychiater rennen. Man muss jemanden haben, der einen richtig in die Mangel nimmt. Wenn ich weiß, ich muss dies und das dringend ändern, dann muss ich Ziele vereinbaren mit jemandem, der aufpasst wie ein Schießhund. Und ansonsten muss man eben langmütig und geduldig mit sich selbst sein.