Hannelore Kraft Eine Landesmutter schafft sich ab

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Null-Toleranz gegenüber Andersdenkenden

In den Monaten danach trafen Sie leider nie mehr den guten Ton, den ich von Ihnen gewohnt war. Direkt, manchmal auch ein bisschen derb, aber immer gerade heraus - wie die Menschen in Ihrem Wahlkreis: So kannte ich Sie. Ein bisschen so wie Wolfgang Bosbach als Frau und von der SPD. Dass Sie so lange an Ihrem Innenminister Ralf Jäger festhielten, habe ich Ihnen anfangs noch als Loyalität durchgehen lassen.

Dass Sie seine Kritiker noch nicht mal richtig verstehen wollten, weniger. Das Bild von der „Landesmutter“ hat für mich mit der Silvesternacht von Köln einen Knacks bekommen. Und das losgelöst von irgendwelchen wirtschaftlichen Eckdaten Ihres politischen Erfolgs in NRW. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker mühte sich damals mit der „Armlänge Abstand“, genau die Empathie zu zeigen, die Sie nicht geben konnten oder wollten. Leider geriet es ihr zu tantenhaft.

Wenn Sie nach dem Januar 2016 einen Ihrer immer seltener werdenden Medienauftritte hatten, umwehte Sie ein merkwürdiger Habitus der selbstgerechten Null-Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Als ich Sie monatelang für ein innovatives Web-TV-Format einer der größten deutschen Medienmarken anfragte, ließen Sie entweder ausrichten: Termine! Oder: nicht das passende Format! Selbst beim NRW-TV-Duell blieb von Ihnen im Nachgang medial hängen: Kraft beschwert sich bei den Moderatorinnen, weil sie kein Schlusswort bekommt.

So gelingt Ihre nächste Präsentation
Der rote FadenEin wichtiges Merkmal für eine gelungene Rede ist der rote Faden. Erst wenn eine Ansprache logisch nachvollziehbar ist, werden die Zuhörer Ihrer Argumentation auch folgen – und sich überzeugen lassen. Die richtige Reihenfolge der Argumente im Kopf zu behalten, ist aber gar nicht so einfach. Die Loci-Methode hilft dabei, sich die Rede-Struktur einzuprägen. Dabei entsteht im Kopf eine vertraute, imaginäre Route, etwa von der eigenen Haustür bis zum nächsten Supermarkt, bei der an markanten Stellen Begriffe „abgelegt“ werden können. Bei der Präsentation oder der freien Rede können diese Schlagworte dann wieder – in der richtigen Reihenfolge – eingesammelt werden. Quelle: dpa
Gründe zeigenDer Autor Simon Sinek hat untersucht, wie es Ikonen wie Martin Luther King oder dem Apple-Gründer Steve Jobs gelang, Massen von Menschen von ihren Ideen zu überzeugen. In seinem Buch „Start with Why“ kommt Sinek zu dem Schluss, dass sie ähnlich dachten - und sprachen. In großen Reden ging es ihnen vor allem um das "Warum", nicht das übliche "Was?". Der Grund: Menschen lassen sich viel eher auf einer emotionalen Ebene mitreißen - etwa dann, wenn sie das Ziel und den Grund eines Projekts kennen. Quelle: dpa
Beispiele nutzenBrillante Rhetorik, geschliffene Sätze: Niemandem nutzt die beste Rede, wenn sich kein Zuhörer den Inhalt merken kann. Aber auch dafür gibt es die richtigen Mittel: Beispiele. Lebhafte Beispiele sind häufig nicht schwer zu finden, insbesondere alltägliche Phänomene bieten sich an. Auch die beiden Wissenschaftler und Autoren Chip und Dan Heath sehen darin einen Schlüssel für eine gelungene Präsentation. In ihrem Buch „Made to Stick: Why Some Ideas Survive and Others Die“ beschäftigen sie sich mit der Kommunikation von Ideen. Ein Ergebnis: Erst mit anschaulichen, bildlichen Beispielen lassen sich Menschen überzeugen. Eine Studie ergab: Nur fünf Prozent einer Studentengruppe konnte sich an den Inhalt eines Vortrags erinnern - aber knapp zwei Drittel der Studenten konnten die Beispiele wiedergeben.
Gesten sparsam einsetzenBeim Gestikulieren gilt es, einen gesunden Mittelweg zu finden. Eine Studie der Psychologin Susan Wagner Cook von der Universität von Iowa ergab, dass gestikulierende Studenten Matheaufgaben effektiver erklären und sich zeitgleich auch eine Buchstabenfolge besser merken konnten als nicht-gestikulierende Kommilitonen. Die Psychologin vermutet, dass die Studenten durch das Gestikulieren mehr „Speicherplatz“ zur Verfügung hatten, mit dem sie sich – neben dem Erklären – noch auf eine andere Aufgabe konzentrieren konnten. Gerade bei Vorträgen ist das ein doppelter Vorteil, denn eine gute Präsentation erfordert wahre Multitasking-Fähigkeiten: Zum einen sollen die Informationen sicher vermittelt werden, andererseits muss der Redner auch die Bildschirmpräsentation bedienen oder auf Stimmungen im Publikum eingehen. Aber Vorsicht: Wer zu viel mit den Armen fuchtelt, der verliert seine Glaubwürdigkeit.
Zielgruppe beachtenNicht nur Inhalt und Wortwahl beeinflussen den Erfolg der Rede, sondern auch das Verhältnis zwischen Redner und Zuhörern. Der Rhetoriktrainer und Autor Ingo Vogel („So reden Sie sich an die Spitze“) rät, jede Rede und jeden Vortrag genau auf das Publikum abzustimmen. Denn ob die Familie, ob Kollegen oder sogar die Chefetage im Publikum sitzt, macht einen gewaltigen Unterschied. In allen Fällen gilt aber: Verbindungen aufbauen und von Gemeinsamkeiten ausgehen. In Familienkreisen können das längst vergangene Erfahrungen sein, in formaleren Situationen aber auch geteilte Sorgen oder Unternehmenserfolge.
Kurz fassen60 Sekunden - dann schweifen die Zuhörer ab. Laut Darlene Price, Autorin des Buches "Well Said! Presentations and Conversations That get Results", bleibt in der Regel nicht mehr Zeit, um das Interesse der Zuhörer zu wecken. Umso wichtiger ist es, einen interessanten und lebhaften Einstieg in das Thema zu schaffen. Price warnt davor, die Zeit mit halbherzigen Witzen, Danksagungen oder verwirrenden Details zu verschwenden. Besser: eine kurze, packende Geschichte zum Einstieg, die den Zuhörern die Relevanz und die Kernaussage der Rede deutlich macht.
Klar ausdrückenIm Mittelpunkt der Rede muss die Information stehen, nicht der Sprecher. In dem Artikel “The New Articulate Executive : Look, Act and Sound Like a Leader “ verrät der Berater Granville Toogood Tricks für gelungene Präsentationen. Ein Tipp: Immer verständlich reden - so wie in einem Dialog. Eine Studie konnte zeigen, dass Redner sich gerne mit Fremdwörtern und Fachbegriffen schmücken um intelligent zu wirken – aber bei ihrem Publikum genau das Gegenteil erreichen.

Überhaupt: Das Moderne schien so gar nicht Ihres zu sein. Und so löschten Sie unmittelbar nach der Wahl Ihre Konten bei Facebook und Twitter. Und stießen Ihre immerhin 2,6 Millionen direkten Wähler vor den Kopf. Verbittert, zerknirscht, trotzig. Warum nur? Kommunikativ betrachtet ist Schweigen gepaart mit Ignoranz und Trend-Verweigerung heutzutage immer die schlechteste Lösung. Doch nicht nur Spitzenpolitiker können gestrig sein. Auch viele Wirtschaftschefs verschenken ein gewaltiges Potenzial, weil sie mit digitalen Medien nichts am Hut haben oder der Öffentlichkeit lieber gar nichts sagen wollen.

Nachfrage bei einem, der sich mit Führungskräften auskennt: Stephan Grabmeier berät seit vielen Jahren erfolgreiche Mittelständler und Top-Konzerne wie Daimler oder die Deutsche Telekom beim digitalen Wandel. Seine Beobachtung: „Deutschlands Wirtschaftslenker fahren zwar gern ins Silicon Valley, können aber noch nicht mal Twitter bedienen.“ Und noch etwas hat Grabmeier festgestellt: „Je höher die Hierarchieebene, desto weniger Ahnung hat ein Top-Manager von der Digitalisierung und von den realen Problemen im Unternehmen.“ Ein persönlicher Eindruck aus dem Berufsalltag, der kürzlich auch durch eine Untersuchung der internationalen Managementberatung Oliver Wyman gestützt wurde. Danach sind von den 195 deutschen DAX-Vorständen zwei Drittel auf keiner sozialen Internet-Plattform wie XING, LinkedIn oder Twitter zu finden.

Es gibt sie bei Spitzenpolitikern und Wirtschaftsbossen also häufiger: Die Diskrepanz zwischen dem, was heute kommunikativ auf der Höhe der Zeit wäre und dem eigenen Umgang mit Twitter & Co. Warum ist das so? Zukunftsmanager Pero Mićić sitzt im Beirat des weltweit ersten Master-Studiengangs in „Future Studies“ in Houston/USA. Er hat deutsche Mittelständler wie Miele, Ravensburger und Bosch genauso beraten wie den Weltkonzern Nestlé und das Bundeskriminalamt. Den Grund dafür, warum wir Neues so konsequent ablehnen, sieht Mićić in der Evolution: „Als wir noch gejagt und gesammelt haben, war der Blick in die Zukunft nicht nötig. Wir sind als Mensch gebaut für eine Welt, in der sich wenig verändert und in der unser Tun keinen großen Schaden anrichten kann. Und so wählen wir fast immer die kurzfristig angenehmste Option."

Sie sind also nicht allein, liebe Frau Kraft. Vor allem sind Sie laut Analyse des Zukunftsmanagers auch nur ein ganz normaler Mensch. Und als solcher haben Sie sich doch auch immer ziemlich wohl gefühlt.

Wie es einem trotz der Evolution gelingen kann, aus einer Krise wiederaufzuerstehen und gleichzeitig Menschen ungefiltert zu erreichen, beweist in Ihrer Heimat Nordrhein-Westfalen FDP-Chef Christian Lindner. Selten waren Wähler via Facebook so dicht dran an den Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf. Mal meldet sich Lindner ausführlich von seinem Privat-Balkon oder aus dem Auto zu Wort, dann wieder gibt er kurze stichwortartige Updates aus dem „Inner Circle“ der Politik. Lindner will, dass Modernisierung und sozialer Ausgleich kein Gegensatz sind, und bedroht Ihre SPD damit in ihrem Markenkern.

Persönliche Kontakt ist wichtig

Und im Gegensatz zu Ihnen empfindet der FDP-Politiker die digitale Kommunikation nicht als Bedrohung. Im Gegenteil: In einer Checkliste im Internet legt Christian Lindner offen, welche Projekte der Freien Demokraten sich im Koalitionsvertrag mit der CDU wiederfinden. Und über die Inhalte lässt er die 15.500 FDP-Mitglieder nicht in irgendeiner Stadthalle, sondern online abstimmen. Hoffen wir mal, dass er auch nach seinem sehr wahrscheinlichen Wechsel nach Berlin ähnlich offene Worte für seine Wähler in NRW findet.

Ich ahne, was Sie darüber denken, liebe Frau Kraft, denn ich weiß, wie sehr Sie den Straßenwahlkampf schätzen, dieses Klinkenputzen zwischen Bonn, Aachen und Bielefeld. Lieber noch zwischen Oberhausen, Duisburg und Dortmund. Das ungeschminkte Gespräch mit den Menschen. Der persönliche Kontakt ist zweifellos wichtig, doch Wähler – und vor allem Wechselwähler - erreicht man heutzutage nur auf allen Kommunikationskanälen. Vor allem auch auf den modernen...

 

So geht es nicht: Die populärsten Irrtümer, wie eine gute Rede aussieht

Ein Beispiel können Sie sich dafür an Ihrem Parteifreund Ralf Stegner nehmen, der unangefochtener Twitter-König aller Politiker ist. „Sympathiewerte bringt ihm das nicht“, höre ich Sie trocken sagen. Dafür aber Aufmerksamkeit. Soviel Aufmerksamkeit, dass er sich im aktuellen "Spiegel" auf zwei Seiten für seine schlechte Laune bei öffentlichen Auftritten rechtfertigen muss.

Das können Sie besser, sehr geehrte Ministerpräsidentin a.D.! Knüpfen Sie doch einfach an das an, was Sie mal beliebt gemacht hat. Sie vernachlässigen nämlich gerade Ihre eigene Marke „Hannelore Kraft: Politik mit Menschlichkeit“. Sich von Millionen Menschen wählen zu lassen und dann zu verstummen: Das ist respektlos. Wählern zu erklären, warum die „Landesmutter“ mal ein bisschen Ruhe braucht, das wäre groß. Mit 56 Jahren, da ist in einem Politikerleben doch lange noch nicht Schluss!

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