Der Kollege kommt zum dritten Mal in Folge zu spät und überzieht dann noch die Mittagspause? Den Kollegen oder dem Chef kann dann schnell der Kragen platzen. Zu recht! Nur sollten Sie Ihrem Ärger möglichst nicht direkt in der Situation Luft machen. Denn Kritik ist selten angenehm, so berechtigt sie auch sein mag. Um Kritik zu äußern, muss man sich vor allem eines: Zeit nehmen.
Nur so kann Kritik dafür sorgen, dass andere ihre Fehler erkennen. Die falsche Wortwahl oder die falsche Umgebung sorgen dagegen dafür, dass der Kritisierte sich angegriffen fühlt - und sich verteidigt, anstatt sein Verhalten zu überdenken. "Die Kritikäußerung durch eine Führungskraft sollte im Rahmen eines dem Mitarbeiter im Vorfeld angekündigten, konstruktiven Gespräches, in dem auch die positiven Aspekte der Zusammenarbeit hervorgehoben werden, stattfinden", sagt Jana Völkel-Kitzmann. Sie ist Management-Coach und bietet in einer eigenen Akademie Seminare für Führungskräfte an.
Das Ziel des Gespräches sei, eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Dies könne jedoch nur mit der gemeinsamen Übereinkunft einhergehen, wie die nächsten sinnvollen Schritte sind. "Durch die Etablierung einer entsprechenden Gesprächskultur kann diese Form des Austausches für beide Seiten – Führungskraft sowie Mitarbeiter - sehr klar, direkt und auch entsprechend zielführend sein", sagt Völkel-Kitzmann.
Regel eins: Werden Sie sich klar, was Sie wirklich stört
Um das tun zu können, müssen sich die Führungskräfte gut vorbereiten - und einige Dinge beachten: Zunächst muss der Chef reflektieren, was ihn am Verhalten des Mitarbeiters stört. Dazu kann etwa ein Stichpunktzettel helfen, um im Gespräch nicht den roten Faden zu verlieren. Dieses sollte vorher terminiert werden und schließlich in ruhiger Atmosphäre stattfinden.
Regel zwei: Kritik immer unter vier Augen
Wichtig dabei ist es, das Gespräch unter vier Augen zu führen. Kritik vor anderen Kollegen wirkt oft kontraproduktiv. "Kritik vor anderen kann als entwürdigend erlebt werden, was dazu führen kann, dass dies vom Mitarbeiter später dem Vorgesetzten in irgendeiner Form " zurückgezahlt" werden könnte", sagt Helmut Hofbauer, Managementberater aus Wörthsee in Oberbayern. Er berät seit 25 Jahren Führungskräfte.
"Sollte ein Mitarbeiter vor anderen kritisiert werden, ist eine wahrscheinliche Reaktion, dass dieser anfängt sich taktisch zu verhalten, weil er einerseits einen bestimmten Sachverhalt vor Kollegen nicht einräumen möchte, anderseits er sein Gesicht vor den anderen wahren möchte. Kurzum, Kritik vor anderen verhindert Offenheit und Vertraulichkeit", gibt Hofbauer zu Bedenken.
Fünf Regeln für sinnvolle Kritik
Selbstbewusste Menschen lassen sich durch negative Kritik motivieren, bei unsicheren bewirkt sie oft das Gegenteil – und muss daher vorsichtiger geäußert werden.
Je genauer die Kritik, desto sachlicher wirkt sie. Und erleichtert es dem Kritisierten, damit umzugehen.
Wer kritisiert, muss deutlich machen, dass es sich um eine persönliche Sichtweise handelt. Das Wort „Du“ also bitte durch „Ich“ ersetzen. Dass andere Kollegen ein Problem ähnlich sehen, ist unwichtig.
Im Meeting geärgert, schon dem Kollegen eine böse E-Mail geschickt. Falsch! Lieber den Ärger sacken lassen – und abwarten, bis sachlich über ein Vorkommnis gesprochen werden kann.
Jeder sollte die Chance bekommen, es besser zu machen – und das sollte der Chef auch wertschätzen. Korrekturen durch Lob anzuerkennen ist gut für die Unternehmenskultur – und das Selbstbewusstsein des Mitarbeiters.
Das unterstützt auch Völkel-Kitzmann: "Es muss eine Vertraulichkeit herrschen, in der beide Seiten offen ihre Anliegen formulieren können und auch Raum gegeben wird, die menschlichen Themen der Zusammenarbeit – neben den sicherlich vielfältigen fachlichen Aspekten – zu äußern. In einem großen Plenum oder vor Dritten besteht gegebenenfalls die Gefahr, dass aufkommende Themen außerhalb des Kontextes zitiert oder benutzt werden."
Gesicht wahren als A und O
Regel drei: Konkretes Verhalten kritisieren
Für Führungskräfte ist es zudem wichtig, Kritik möglichst konkret und beispielhaft an Situationen zu beschreiben. Verallgemeinerungen führen zu einer Abwehrreaktion des Kritisierten. Dazu braucht es die sogenannten ZDFs, also Zahlen, Daten und Fakten. Dabei sollten auch die möglichen Auswirkungen des Verhaltens zum Beispiel auf den Kunden oder das Team sollten beschrieben werden. "Hat die Führungskraft ihre Punkte klar dargestellt, ist wichtig, dass der Mitarbeiter Gehör für seine Sichtweise erhält", sagt Hofbauer.
Dies sei deshalb wichtig, damit die Führungskraft seine Perspektive mit der seines Mitarbeiters abgleicht, um eventuell neue Informationen zu erhalten oder auch berechtigte Gründe seines Gegenübers für sein Verhalten zu erhalten, wie beispielsweise unzureichende Informationen über Rahmenbedingungen.
Regel vier: Vereinbaren Sie Maßnahmen für die Zukunft
"Danach sollten beide Perspektiven abgeglichen und überprüft werden, inwieweit ein Konsens beziehungsweise Dissens vorhanden ist. Im letzten, besonders wichtigen, Schritt werden konkrete Ziele und Maßnahmen vereinbart, was erreicht beziehungsweise verändert werden soll, damit sich der Sachverhalt beziehungsweise das Verhalten des Mitarbeiters entsprechend verändert", sagt Hofbauer. "Die Führungskraft, also in den allermeisten Fällen der/die Kritisierende, sollte alles daran setzen, dass das Kritikgespräch im Idealfall im besten Fall motivierend, mindestens aber gesichtswahrend verläuft.
So werden Sie in Ihrem Unternehmer zum Konfliktlöser
Der unternehmensinterne Konfliktmoderator sollte professionell trainiert sein. Die Lektüre von Fachtexten zum Konfliktmanagement kann hilfreiche Impulse liefern. Sie kann aber eine professionelle Qualifikation nicht ersetzen. Als Konfliktmoderator ist es entscheidend, auch die psychischen Prozesse des Konfliktes zu erkennen und zu berücksichtigen. Wer das nicht kann, muss sich entweder weiterbilden oder einen externen Experten beauftragen.
Quelle: Institut für Konfliktmanagement und Führungskommunikation (www.ikuf.de).
Der Vorteil eines unternehmensexternen Konfliktmoderators ist, dass dieser in den meisten Fällen ein größeres, fachspezifisches Know-how hat und in der Begleitung von Konfliktmoderationsprozessen geübter ist. Außerdem wird eine externe Person eher als überparteilich wahrgenommen – und nicht als „verlängerter Arm“ der Geschäftsführung. Dies ist unter anderem bei der Moderation von Konflikten zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern relevant.
Es ist wichtig, wie der Anlass einer Konfliktmoderation kommuniziert wird – insbesondere wenn die Mitwirkung der Streitenden nicht freiwillig ist. Stellen Sie keine Problembeschreibungen in den Vordergrund, sondern positive Ziele des Konfliktmoderationsprozesses, für deren Erreichen sich Mitmachen und auch Anstrengungen lohnen.
Setzen Sie sich in Ihrem Unternehmen für eine konstruktive Fehler-Kultur ein, die Fehler nicht als Schuldfrage behandelt, sondern als Möglichkeit zur Weiterentwicklung. Sie verhindern dadurch, dass Konflikte von Führungskräften „unter den Teppich gekehrt werden“ und die Illusion eines konfliktfreien Unternehmens entsteht.
Wenn Führungskräfte ihren Mitarbeitern Rückmeldungen über deren Leistungen geben, sind dies Situationen, die leicht zu Konflikten führen können. Bilden Sie Ihre Führungskräfte in der Feedback-Kommunikation fort, damit diese konfliktvorbeugend und auch deeskalierend handeln können.
"Hierzu gehört natürlich auch eine gewisse Erfahrung und Menschenkenntnis", ergänzt Völkel-Kitzmann. Gerade wenn es um das Äußern von Kritik geht, haben viele Führungskräfte damit ein Problem - dabei zählt es unweigerlich zu ihren wichtigsten Aufgaben. Denn nur so können sich Mitarbeiter weiterentwickeln und verbessern.
Über kurz oder lang werden es die Mitarbeiter auch danken, nämlich dann, wenn sie verstehen, dass es auch vom Chef Mut erfordert, zu kritisieren. Denn letztlich ist die Situation für beide unangenehm. Umso besser, wenn das Gespräch gesucht wurde, denn das bedeutet nicht zuletzt auch, dass weiterhin Interesse an einer Zusammenarbeit besteht.