Leistungsdruck Schöner Scheitern

Seite 4/4

Das Leben ist voller Selbstzweifel

In den meisten Fällen steht uns die Angst im Weg. Sie ist ein Verhinderer und Blockierer, kann aber auch zur Motivation mutieren. Betrachten wir die Angst einmal aus diesem Blickwinkel, so kann sie uns helfen, in bestimmten Situationen sogar noch besser zu funktionieren, als wir es von uns selbst dachten. Wir müssen diese Angst also überwinden und die Erfahrungen, die daraus resultieren, positiv besetzen.

Unternehmen wir einen Ausflug in ein anderes Feld, nämlich das der Akrobaten und Extremsportler. Beide gehen ein hohes Risiko ein. Der Extremsportler geht bis ans Limit seiner Möglichkeiten, er sucht den Kampf mit der Natur, und je weiter er geht, desto größer ist seine Befriedigung. Der Akrobat schult seine Fähigkeit auf ähnliche Weise, seine Kunst lebt sogar von der Gefahr und deren Bewältigung. Aus Angst wird in beiden Fällen Motivation.

Angst vor dem Versagen überwinden

Eine ähnliche Betrachtungsweise sollten auch wir an den Tag legen, um unserer Angst Herr zu werden. Auf der Bühne zu stehen, ist sicher immer auch ein Kampf gegen und um seine Fähigkeiten; es ist ein unter der Aufmerksamkeit des Publikums stattfindender, nach außen getragener innerer Prozess, den wir nur dann perfekt beherrschen, wenn wir uns der Angst vor dem Versagen gebührend vorsichtig und Schritt für Schritt annähern, um sie eines Tages spielerisch zu überwinden, sie sogar als Herausforderung in Kauf zu nehmen und zu genießen. Je häufiger wir diesen Prozess überstehen, desto stärker wird unser Glaube an das, was danach kommt: das Spiel, die Aufführung.

In diesem Gedanken liegt der Schlüssel zum Erfolg. Denn sieht man die Ummünzung der Angst in Motivation als Annäherung an unser Inneres, so ist sie eine Tür zu unserem Selbstwertgefühl. Diese Art der Motivation bedeutet, dass wir uns auf Dinge einlassen müssen, um sie gerne und sicher vollziehen zu können. Sobald wir diese innere Freude am Tun kultivieren und sie zu einer unsichtbaren Voraussetzung machen, wird sie uns auch in den Momenten begleiten, in denen unsere Zweifel vielleicht stärker sind als unsere Zuversicht. Wir tragen die übergeordnete Idee unseres Handelns als Brennzelle in uns, während unser Handeln nur noch der reine Vollzug ist und damit unabhängig von der Beurteilung der anderen zu einer Bereicherung für unser Ich wird.

So wie es eine Angst vor dem Misserfolg gibt, so existiert auch eine Angst vor dem Erfolg. Sie haben den ersten Satz nur knapp verloren. Sie haben den Partner im zweiten Satz bei 4:4 gebreakt, nun steht es im dritten Satz 5:4 bei eigenem Aufschlag, und plötzlich sagt ihr Kopf: „Ich bin so kurz vor dem Ziel, nicht dass jetzt noch etwas schiefgeht.“

Bleiben Sie ruhig und konzentriert. „Ich lasse nichts anbrennen. Ich spiele ganz ruhig meinen Stiefel durch!“, das sind produktive Gedanken, die Sie jetzt haben sollten.

Spiel, Satz, Sieg!

Alles läuft zu Ihren Gunsten. Wie prophezeit, gerät das Spiel Ihres Partners vollkommen aus den Fugen. Sie gewinnen einen Punkt nach dem anderen. Es gelingt Ihnen fast alles. Es steht 5:4. Nun kommt Ihr Matchball. Es ist mucksmäuschenstill. Eine große Anspannung liegt in der Luft. Sie tippen den Ball auf. Sie konzentrieren sich auf den Wurf und den Schlag. Der Ball fliegt über das Netz und landet mit voller Wucht im Feld. Der Partner keucht, es geht hin und her. Der Ballwechsel wird zur Geduldsprobe. Sie spüren eine große innere Ruhe und Gelassenheit. Endlich. Sie riskieren einen spitzen Winkel und spielen die Vorhand über das Feld. Der Partner spurtet weit nach außen, er spielt mit letzter Mühe seinen Ball übers Netz, aber: zu kurz.

Das haben Sie geahnt. Sie lassen den Ball mit einem Volley Rückhand kurz und unerreichbar über das Netz abtropfen. Spiel, Satz, Sieg! Applaus!

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%