Motivation Fangen Sie mit dem an, was am meisten Spaß macht

Damit ein Projekt gelingt, gilt: anfangen - und dran bleiben. Experten raten dazu, unangenehme Aufgaben zuerst zu erledigen. Also erst die Kröte schlucken, dann Eis essen. Wir sagen: Fangen Sie lieber mit dem Eis an.

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Eine Kugel Eis im Hörnchen Quelle: dpa

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, meinte zumindest Hermann Hesse. Weit weniger magisch kommen oft Starts von Arbeitsprozessen daher und so verwundert es kaum, dass sich Managementlehren mit der Frage beschäftigen, was man zu allererst tun sollte. Der gängigste Tipp stammt von einem prominenten amerikanischen Managementguru und geht ungefähr so: Wenn du beginnst zu arbeiten, mach zuerst das, was am Schwierigsten ist oder dich am meisten belastet.

Also: Eat the Frog first! Bücher und Apps proklamieren das mit wilder Entschiedenheit.

Für Feinschmecker aus südlichen Ländern mag das vielleicht eine verlockende Arbeitsperspektive sein, für Motivationskolumnistinnen gilt das allerdings weit weniger (über die tierquälerische Art des Fröschetötens schreibe ich hier nichts; schon bei der Recherche war mir schlecht). Jedoch wiegt die Frage motivationstheoretisch schwer: Sollen wir tatsächlich mit dem Mühevollsten beginnen? Hier schon ein klares Nein! Es gibt viel Besseres.

Echte Arbeitsfreude statt mantraartiger Selbstmotivation - so geht's

"Eat the Frog first" ist die falsche Strategie

Aus pragmatischer Perspektive ist die Sache allerdings nicht ganz so abwegig: Wenn der Frosch erst mal gegessen ist, wird argumentiert, haben wir an dem Tag schon etwas erreicht und alles Nachfolgende könne leichter fallen. Motivational allerdings stoßen wir auf ein Problem: Wer beispielsweise ein Instrument spielt, weiß, dass jedes Üben mit Tonleiterstudien beginnen soll - was eine quälende und langweilige Sache ist. So bedeutet diese Art der Übeplanung, dass wir uns zwingen müssen zu beginnen. Das Gleiche gilt auch für Arbeitsprozesse: "Eat the Frog first" provoziert, dass wir bereits bei jedem Arbeitsstart ein hohes Maß an Willenskraft aufbringen müssen, um mit etwas anzufangen, das energetisch in Abwärtsspiralen führt.

Würden wir die Situation hören, wäre es als Kette von absteigenden Halbtönen eine typische Schmerzmetapher der Musik, ein Passus duriusculus, ein harter, schwerer Gang.

Zudem konditionieren wir uns bei schwierigen Starts nach und nach darauf, Arbeit als anstrengend zu erleben und emotional abzulehnen - wir entwickeln Aversionen und zögern den Beginn hinaus - manchmal bis hin zur Prokrastination - dem massiven Aufschieben. In leichteren Formen erscheint der Widerstand als vorübergehende Reaktanz - also einem Verhalten das auftaucht, wenn unsere Entscheidungsfreiheit bedroht scheint und wir genau das Gegenteil von dem tuen, was gefordert ist. Facebook statt Bilanzen. "Eat the Frog first" verschärft also die Startschwierigkeiten - wir kommen noch schwerer in Bewegung.

Die Lust des Anfangs schärfen

Wollen wir uns selbst motivieren, sollten wir die Lust des Anfangs schärfen, indem wir mit etwas beginnen, was wir gerne tun. Häufig sind das jene Tätigkeiten, die unseren Motiven entsprechen und uns langfristig voranbringen: Visionen entwickeln, einen spannenden Fachartikel lesen, einen TED-Talk ansehen, einen Text schreiben oder einfach mit den Kollegen bei einem Kaffee reden (eines der größten gesellschaftlichen Probleme ist, so eine aktuelle US-amerikanische Studie, das Menschen kaum noch Freunde haben). Es kommt demnach darauf an, den Start von Arbeitsprozessen so zu gestalten, dass wir ihn als glücksbringend erleben - oder, wem das zu stark ist: freudvoll - oder noch tiefer gehängt: niedrigschwellig.

Und wann macht man dann das Schwierige?

Der niedrigschwellige Beginn vermindert den Widerstand nicht nur, sondern lässt uns die Lust des Anfangs erleben, so dass wir energetisiert in unlustigere Zeiten ziehen können. Für die Arbeitsplanung bedeutet das, dass wir uns beispielsweise eine schwierige Tätigkeit vornehmen und sie an späterer Stelle im Arbeitsablauf erledigen. Willensstarke verpflichten sich dann selbst: Heute erledige ich das! Ist die Aufgabe zu groß, hilft es, sie in kleine Teile zu zerlegen - nicht das ganze Kapitel der Bachelorarbeit schreiben zu wollen beispielsweise, sondern nur eine Seite. Aber diesen ersten Teil, den erledige ich heute und ich gehe nicht eher ins Bett, bis ich das gemacht habe!

Start with the ice cream

Beim Üben wurde mir klar, dass der Gedanke an öde Tonleiterstudien mich daran hinderte, anzufangen. Deshalb habe ich den Ablauf jetzt umgestellt und fange mit etwas an, dass mir Spaß macht. Im Übrigen ist für viele von uns Mitteleuropäer "Eat the Frog" sowieso eine ziemlich unappetitliche Sache, die auch in den sozialen Netzwerken deutlich wird: Ein Video zeigte kürzlich einen lebend servierten Frosch, der mit Soße bekleckert aus dem Reis schielt - ein motivationstheoretischer Supergau. Hier also der ultimative Motivationstipp: Sich zur Arbeit motivieren bedeutet: "Start with the ice cream". Ein Start, der wohl auch Seminaren, Unterrichtsstunden, Konferenzen und Sitzungen guttun würde: Start with the ice cream - fang mit der Freude an.

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