Zumindest in einem sind sich Parteifreunde und -feinde einig: Zieht die FDP im Herbst in den Bundestag ein, ist dieser um einen herausragenden Rhetoriker reicher: „Christian Lindner ist der Prototyp des modernen Redners in der deutschen Politik“, sagt Kommunikationscoach Stefan Wachtel. „Er weiß, dass der Vortragsstil darüber entscheidet, ob er die Menschen mitnimmt oder nicht.“
Eine Kostprobe gab es Anfang Januar beim Dreikönigstreffen der Liberalen. Die Vorsitzenden anderer Parteien verstecken sich gerne hinter altmodischen Stehpulten und vorformulierten Texten. Der FDP-Chef stand in gedämpftem Licht auf der Bühne des Stuttgarter Staatstheaters und sprach eine Stunde lang ohne Manuskript, dafür aber mit umso mehr Elan in sein Headset.
Vorbild für solche Reden, die in der deutschen Politik eher Ausnahme als Regel sind, ist die US-Ideenkonferenz Ted. Sie richtete sich bereits 1984 an Vertreter aus Technik, Unterhaltung und Design. Mittlerweile reichen die Themen von Cyberkriminalität über Riesenkalmare bis hin zu Introvertiertheit. Die Vortragenden sind Unternehmer, Wissenschaftler, Intellektuelle – darunter der Vater des Internets, Tim Berners-Lee, oder Tesla-Gründer Elon Musk.
Doch erst seit Veranstalter Chris Anderson im Jahr 2005 damit begann, alle Vorträge im Internet zu veröffentlichen, sind die Reden weltweit bekannt. „So wie die Druckerpresse die Reichweite von Schriftstellern vergrößert hat, so vergrößert das Internet die Reichweite von Rednern“, schreibt Anderson in seinem kürzlich erschienenen Buch. Die beliebtesten Vorträge erreichen auf YouTube mehr als eine Million Menschen. Zum Vergleich: Die letzte Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel schauten auf YouTube gerade mal 70.000 Zuschauer.
Bitte nicht langweilen
Egal, ob berühmte Silicon-Valley-Ikone oder unbekannter Universitätsprofessor: Für alle gelten dieselben Regeln. „Das Publikum lässt sich nichts Langweiliges mehr bieten“, sagt Experte Wachtel. Wenn er einen Tag lang Topmanager schult, wollen alle irgendwann Ted Talks ansehen. Für seine Klienten seien diese Vorträge „Fixpunkte“. Sie würden gern selbst häufiger mitreißende Geschichten erzählen.
So wie Daimler-Chef Dieter Zetsche, der im vergangenen Herbst auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin ganz ohne Manuskript vor sein Publikum trat. „Als Redner kommt es nicht nur darauf an, was man sagt, sondern auch, wie man es sagt“, sagt Zetsche. „Manchmal bin ich selbst in der Rolle des Zuhörers und freue mich jedes Mal, wenn ich keinen Espresso brauche, um bis zum Ende durchzuhalten.“
Maximal 18 Minuten Redezeit
Damit auch die Ted-Zuhörer wach bleiben, feilt Chris Anderson vorab mit den Referenten an allen Details, präzisiert die Botschaften, schärft die Sprache. In seinem neuen Buch skizziert er, warum das gesprochene Wort derzeit eine Renaissance erlebt – und was auch normale Angestellte aus seinen Erfahrungen lernen können. Daraus lassen sich sieben Erfolgsregeln für vorbildliche Sprecher destillieren.
Ted Talks dürfen maximal 18 Minuten dauern. Wie genau Anderson auf diese Zahl kam, ist nicht überliefert. Fest steht allerdings, dass er damit die sinkende Aufmerksamkeitsspanne berücksichtigen will. Im digitalen Zeitalter ist die nächste Attraktion immer nur einen schnellen Mausklick entfernt. Wer auch im analogen Leben erfolgreich sein will, muss sich daher kurz fassen – aber gleichzeitig so lang, dass er noch Sinnvolles vermittelt.
Die Königsdisziplin
Damit Sie die knapp bemessene Zeit effektiv nutzen, sollten Sie sich zu Beginn genau überlegen, was Sie mit Ihrem Vortrag sagen möchten. Andersons Tipp: Fassen Sie Ihre These in weniger als 15 Wörter zusammen. Daran hielt sich auch der Gründer der Lernplattform Khan Academy. Die Essenz des Auftritts von Salman Khan: „Internetvideos machen den Unterricht menschlich und revolutionieren die Bildung.“ Bevor Sie Ihren Auftritt weiter vorbereiten, prüfen Sie bei jedem Punkt, ob er für Ihre Argumentation notwendig ist. Falls nicht – streichen! Wenn Sie Ihren Vortrag proben, achten Sie darauf, dass er kürzer ist als geplant. So können Sie befreit auf die Bühne treten, ohne ständig auf die Zeit achten zu müssen.
Lassen Sie sich allerdings nicht täuschen. Schon der US-amerikanische Präsident Woodrow Wilson sagte: „Wenn eine Rede zehn Minuten lang sein soll, dann brauche ich ganze zwei Wochen für die Vorbereitung. Für eine halbstündige Rede brauche ich eine Woche. Und wenn ich so lange reden kann, wie ich will, dann muss ich mich gar nicht vorbereiten.“
Zuhörer wollen Menschen, keine Rederoboter
„Wenn Sie einen Vortrag halten, müssen Sie als Allererstes eine vertrauensvolle Beziehung mit Ihren Zuhörern herstellen“, sagt Anderson, „damit diese Ihnen ein paar Minuten Zugang zu ihren Köpfen gewähren.“
Der erste Schritt ist scheinbar simpel: Blickkontakt herstellen, dezent lächeln. Aber auch hier gibt es Tücken. Zum Beispiel, wenn die Scheinwerfer Sie blenden und Sie Ihr Publikum nicht sehen können. Besprechen Sie das vorab mit den Organisatoren, bitten Sie notfalls darum, das Licht zu dimmen.
Zehn Tipps für die perfekte Rede
Wenn Sie vollkommen auf die Situation und den Inhalt Ihrer Rede fokussiert sind, können Sie Ihr Gegenüber am besten fesseln. Sind Sie nicht bei der Sache, bemerkt das Ihr Publikum zumindest unbewusste und schweift ebenfalls ab.
Am besten ist es natürlich frei zu sprechen. Wenn das nicht geht, schreiben Sie sich Stichwörter auf. Ein ausformulierter Text ist unübersichtlich und verführt zu monotonem Ablesen.
Schon beim Betreten des Raumes oder auf dem Weg zum Rednerpult müssen Sie konzentriert sein und Ihre Sprechhaltung einnehmen. Denn die Zuhörer nehmen Sie schon wahr, bevor Sie die Bühne betreten.
Damit die Distanz zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern nicht zu groß wird, sprechen Sie sie direkt an und beziehen Sie sie so in den Vortrag mit ein.
Bei einem Fragezeichen muss die Stimme oben bleiben. Bei einem Punkt muss die Stimme gesenkt werden. Pausen am Satzende oder zur Abgrenzung zweier Gedanken im gleichen Satz sind meist sinnvoll.
Wer zu schnell spricht, hängt seine Zuhörer ab. Deshalb sinnvolle Pausen setzen, deutlich betonen und nicht durch den Text hasten.
Ihre Gesten müssen das Gesagte unterstreichen und gezielt eingesetzt werden. Zu viel Bewegung kann vom Inhalt ablenken und wirkt hektisch. Symmetrische Gesten und eine geschlossene Körperhaltung, zum Beispiel verschränkte Arme, kommen beim Zuhörer nicht gut an.
„Meiner Meinung nach“, „Am Ende des Tages“, „äh“ oder „übrigens“ sind Floskeln, die Sie nicht brauchen und den Zuhörer nerven. Überlegen Sie, was Sie stattdessen sagen können, damit Sie diese Lückenfüller nicht brauchen.
Wählen Sie Ihre Formulierungen so, dass Sie den Inhalt glaubwürdig vertreten können. Neutrale Ausdrücke können dabei helfen, wenn eigenes Empfinden und Firmenpolitik auseinander fallen.
Sich über Nervosität zu ärgern oder sie verdrängen zu wollen, macht es meist noch schlimmer. Nehmen Sie ihre Nervosität hin. Häufig erhöht sie sogar die Konzentration.
Leichter haben Sie es, wenn die Bühne ein Besprechungsraum ist und keine Scheinwerfer auf Sie gerichtet sind. Aber auch dann sollten Sie nicht einfach nach vorn stürzen und Ihren Vortrag beginnen, sondern erst einmal kurz und freundlich in die Runde blicken. Eine weitere Möglichkeit, eine Beziehung zum Publikum aufzubauen, ist es, die eigene Verletzlichkeit preiszugeben. Sie sind nervös und Ihnen fehlen die Worte? Geben Sie es einfach zu!
Die Königsdisziplin ist das Geschichtenerzählen. Denn mit Geschichten lassen sich nicht nur komplexe Zusammenhänge verständlich erklären. „Sie erzeugen augenblicklich Interesse, Mitgefühl, Emotionen und Spannung“, sagt Anderson.
Dabei gilt: Die Verbindung klappt umso besser, je mehr die Geschichte mit Ihnen zu tun hat. Sie kann den gesamten Rahmen für den Vortrag bilden oder nur hin und wieder eingestreut werden. Vor allem vier Punkte gilt es nach Meinung von Anderson zu beachten:
- Wählen Sie einen Protagonisten. Mit ihm sollte sich das Publikum identifizieren.
- Erzeugen Sie Spannung, etwa durch eine vermeintliche Intrige oder eine tatsächliche Gefahr.
- Verwenden Sie ausreichend Details, damit die Geschichte lebhaft wird – aber überfrachten Sie sie nicht.
- Formulieren Sie ein befriedigendes Ende – erhellend, witzig oder bewegend.
Anfang und Ende müssen sitzen
Sie kennen den Spruch: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Die teilweise gelähmte US-Schauspielerin und Komikerin Maysoon Zayid etwa kam mit einem Zittern auf die Bühne und sagte: „Ich bin nicht betrunken – aber der Arzt, der mich auf die Welt gebracht hat, war betrunken.“ Die volle Aufmerksamkeit ihres Publikums war ihr nach wenigen Sekunden sicher.
Ähnlich wichtig ist es, die Zuhörer mit einem guten Gefühl zu entlassen. Der Polarforscher und Abenteurer Benjamin Saunders beendete den Vortrag über seine Expedition so: „Wenn wir nicht hier und jetzt zufrieden sind, in diesem Moment, auf unserer Reise, inmitten des ganzen Durcheinanders, den losen Enden, den halb abgearbeiteten To-do-Listen, dem Beim-nächsten-Mal-wird-alles-besser, dann werden wir vielleicht niemals zufrieden sein.“
Sie können aber auch mit einem Appell, einer Vision oder einem Versprechen enden. Oder Sie schlagen noch einmal den Bogen zum Anfang. Weil Einstieg und Schluss sich entscheidend auf den Gesamteindruck eines Vortrags auswirken, sollten Sie diese beiden Teile tatsächlich ausformulieren und vorher auswendig lernen.
Zeigen statt erklären
„Keine Bilder sind besser als schlechte Bilder“, lautet Andersons Maxime. Dennoch rät er, Fotos oder Videos immer dann zu zeigen, wenn sie einen Nutzen erfüllen. Sie können zum Beispiel etwas greifbar machen, was sich nicht in Worte fassen lässt, oder komplexe Zusammenhänge erklären. Vor allem, wenn es um technische Neuerungen geht.
Tipps für die perfekte Rede
Schon beim Betreten des Raumes oder auf dem Weg zum Rednerpult müssen Sie konzentriert sein und Ihre Sprechhaltung einnehmen. Denn die Zuhörer nehmen Sie schon wahr, bevor Sie die Bühne betreten.
Reden Sie nie ohne Plan. Auch wenn Sie sich im Thema blind auskennen – überlegen Sie sich ganz genau, wie Sie Ihren Zuhörern die Informationen vermitteln wollen.
Machen Sie sich Stichwörter auf Moderationskarten. Ein ausformulierter Text ist unübersichtlich und verführt zum monotonen Ablesen.
Verzichten Sie auf lange Handouts oder eine vollgestopfte PowerPoint-Präsentation – Folien oder Charts sollen den Vortrag unterstützen und ihn nicht überflüssig machen.
Was wollen Sie erreichen? Bauen Sie eine Beziehung zu ihrem Publikum auf und verzichten Sie auf Belehrungen von oben herab. Damit die Distanz zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern nicht zu groß wird, sprechen Sie sie direkt an und beziehen Sie sie so in den Vortrag mit ein.
Ihre Gesten müssen das Gesagte unterstreichen und gezielt eingesetzt werden. Zu viel Bewegung kann vom Inhalt ablenken und wirkt hektisch. Symmetrische Gesten und eine geschlossene Körperhaltung, zum Beispiel verschränkte Arme, kommen beim Zuhörer nicht gut an.
„Meiner Meinung nach“, „Am Ende des Tages“, „äh“ oder „übrigens“ sind Floskeln, die Sie nicht brauchen und den Zuhörer nerven. Überlegen Sie, was Sie stattdessen sagen können, damit Sie diese Lückenfüller nicht brauchen.
Wählen Sie Ihre Formulierungen so, dass Sie deren Inhalt glaubwürdig vertreten können. Neutrale Ausdrücke können dabei helfen, falls eigenes Empfinden und Firmenpolitik auseinander fallen.
Sich über Nervosität zu ärgern oder sie verdrängen zu wollen, macht es meist noch schlimmer. Nehmen Sie ihre Nervosität hin. Häufig erhöht sie sogar die Konzentration.
Lassen Sie die Bilder aber immer nur so lange stehen, wie sie zum Gesagten passen. Fügen Sie danach eine schwarze Folie in Ihre Präsentation ein, um wieder die volle Aufmerksamkeit Ihres Publikums zu ergattern. Aus dem gleichen Grund sollten Videos nie länger als 30 Sekunden dauern.
Vermeiden Sie unbedingt PowerPoint-Präsentationen, die das Gesagte noch mal in Stichworten abbilden. Sie führen dazu, dass die Zuhörer bereits lesen, was Sie in den nächsten Minuten zum Besten geben – dann wandern sie automatisch ins gedankliche Exil. Schade eigentlich.
Manuskripte gehören in den Papierkorb
Vorlesen ist ein beliebtes Einschlafritual. Das gilt nicht nur für kleine Kinder, sondern auch für große Erwachsene. Trennen Sie sich daher unbedingt von Ihrem Manuskript. Erzählen Sie Ihre Geschichte, anstatt sie abzulesen.
Das geht auf zwei Arten: Entweder Sie formulieren Ihren Vortrag aus und lernen ihn auswendig. Oder Sie machen sich Stichpunkte und formulieren spontan auf der Bühne.
Die erste Variante ist konservativer. Allerdings dürfte es Ihnen schwerfallen, sich von Schachtelsätzen und Substantivierungen zu verabschieden – denn die dominieren nun mal die geschriebene Sprache. Eine Möglichkeit, diese Falle zu umgehen: Sprechen Sie auf Band, was Sie in Ihrer Rede unterbringen wollen. Das kann ruhig noch unstrukturiert und abgehackt klingen. Danach tippen Sie die Aufnahme ab – und verwenden das Protokoll als ersten Entwurf für Ihren Vortrag.
Üben, üben, üben
Außerdem ist es wichtig, die Rede so zu verinnerlichen, dass sie nicht mehr auswendig gelernt klingt. „Sie sollen Ihren Vortrag nicht aufsagen“, sagt Ted-Chef Chris Anderson, „Sie sollen ihn leben.“
Sprechen Sie sich Ihren Vortrag immer wieder laut vor, beim Autofahren, unter der Dusche, beim Kochen. Am besten proben Sie auch vor Publikum. Suchen Sie sich Freunde und Verwandte, die von Ihrem Thema wenig wissen. Sie können Sie am besten auf Schwächen in der Argumentation oder Probleme bei der Verständlichkeit hinweisen. Nur wer fleißig übt, wirkt auf der Bühne sicher und unverkrampft. Das berühmteste Beispiel für akribische Vorbereitung ist Apple-Gründer Steve Jobs. Jede seiner Produktpräsentationen probte er stundenlang bis ins Detail.
In den zahlreichen Probeläufen schleifen Sie auch Gestik und Mimik. Sie lernen, Blickkontakt herzustellen und Ihre Hände dazu einzusetzen, Ihre Aussagen zu unterstreichen. Die beste Ausgangsposition: gerade hinstellen und die Füße hüftbreit auseinander. Wer lieber auf der Bühne auf und ab geht, kann immer dann stehen bleiben, wenn er etwas besonders betonen möchte.
Auch bei der Kleiderwahl sollten Sie darauf achten, dass Sie sich wohlfühlen. Orientieren Sie sich am Kleidungsstil ihrer Zuhörer, dann sind Sie auf der sicheren Seite. Wenn Sie ein Headset-Mikro tragen, sollten Damen auf große Ohrringe verzichten. Sie können den Ton genauso stören wie Bartstoppeln bei Männern. Die Batterie des Mikros muss irgendwo befestigt werden, ideal sind dafür feste Gürtel oder ein stabiler Hosenbund. Wird Ihre Ansprache auf Video aufgezeichnet, ist sowohl strahlendes Weiß als auch Schwarz die falsche Wahl. Ebenso sollten Sie auf kleine Muster verzichten, sie lösen im Video ein Flimmern aus.
Ein doppelter Boden gibt Sicherheit
Sie trauen sich nicht ohne Gedankenstütze auf die Bühne? Kein Problem – solange Sie es richtig anstellen.
Die eleganteste Lösung ist laut Anderson, einen Tisch oder ein unscheinbares Pult an den Rand des Podiums zu stellen. Dort können Sie Ihre Notizen ablegen und eine Flasche Wasser platzieren. Haben Sie einen Blackout, können Sie dort entspannt einen Schluck trinken und dabei in Ihr Manuskript schauen. Auf Ihre Zuhörer wirkt das ganz natürlich.
Außerdem entgehen Sie durch die Positionierung am Rand der Versuchung, ständig in Ihre Unterlagen zu schauen. In den meisten Fällen werden Sie diese überhaupt nicht brauchen. Allein die Gewissheit, nachsehen zu können, verleiht Ihnen Sicherheit.