Mehr Freizeit statt mehr Geld. Was als Claim für einen gesellschaftlichen Wertewandel daher kommt, ist offenbar für viele Deutsche eine ernstzunehmende Option. So antworteten in einer Exklusivumfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey für die WirtschaftsWoche 45,5 Prozent auf die Frage, ob Sie sich für mehr Urlaub oder mehr Gehalt entscheiden würden, wenn sie die Wahl hätten, mit: mehr Urlaub.
Zu Beginn der Woche hatte die Deutsche Bahn bekanntgegeben, dass die Mehrheit ihrer Mitarbeiter sechs Tage mehr Urlaub einer Lohnerhöhung um 2,62 Prozent vorzieht. Diese Wahlmöglichkeit war das Ergebnis des vergangenen Tarifabschlusses zwischen der Deutschen Bahn und den Gewerkschaften.
Bis auch Angestellte außerhalb des Staatskonzerns die Möglichkeit bekommen, mehr freie Tage zu nehmen, anstatt sich mit einem Mini-Gehaltsplus zufrieden zu geben, könnte noch einige Zeit vergehen. „Die Bahn ist hier sicherlich eine Vorreiterin. Trotzdem glaube ich, dass in Zukunft immer mehr Unternehmen auf solche Modelle setzen werden“, erklärt Katharina Heuer, Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung. „Ich finde es erstmal gut, dass Unternehmen diese Schritte wagen und damit auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen.“
Das sagt das Arbeitsrecht zum Thema Urlaubsanspruch
Wer sechs Tage pro Woche arbeitet, hat einen Mindestanspruch von 24 Urlaubstagen pro Jahr, bei einer Fünftagewoche stehen Arbeitnehmern 20 Tage zu und bei einer Viertagewoche 16 Urlaubstage.
Tarif- oder Arbeitsverträge können deutlich längeren Urlaub vorsehen - 30 Tage Jahresurlaub sind in vielen Berufen und Branchen üblich. Die Zahl der Urlaubstage hängt allerdings noch von weiteren Faktoren ab. Verschiedene Personengruppen bekommen mehr bzw. weniger, als andere.
Auch wenn ein Mitarbeiter krankheitsbedingt das gesamte Jahr ausgefallen ist, hat er Anspruch auf seinen Jahresurlaub. Diesen kann der Mitarbeiter in den ersten drei Monaten des Folgejahres nehmen.
Bei Jugendlichen ist der Urlaubsanspruch nach Alter gestaffelt: Wer unter 16 ist, bekommt bei einer Fünftagewoche 25 Urlaubstage. Azubis unter 17 Jahren erhalten 23 Urlaubstage, bei unter 18-Jährigen sind es 21 Urlaubstage.
In der Probezeit hat man pro vollem Monat Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs. Wer also einen Anspruch auf 20 Tage Jahresurlaub hat und nach drei Monaten Probezeit Urlaub nehmen möchte, bekommt fünf Tage frei.
Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung, die fünf Tage pro Woche arbeiten, haben einen Anspruch auf fünf Extraurlaubstage.
Neue Mitarbeiter erwerben ihren vollen Urlaubsanspruch nach sechs Monaten. Wer im Januar anfängt, kann also im Februar noch keine drei Wochen Urlaub nehmen.
Der Urlaubsanspruch ist grundsätzlich aufs jeweilige Kalenderjahr beschränkt. Mitarbeiter müssen daher alle ihre Urlaubstage bis zum 31. Dezember nehmen, sonst verfällt der Anspruch. Wer seinen Urlaub wegen Krankheit, einer Urlaubssperre oder anderen betrieblichen Gründen nicht komplett verbrauchen konnte, kann den Resturlaub jedoch auf das Folgejahr übertragen. Der Resturlaub muss dann in der Regel aber bis zum 31. März genommen werden – es sei denn, Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich auf eine Übertragung über den März hinaus.
Grundsätzlich regelt das Bundesurlaubsgesetz den Urlaubsanspruch. Ein Recht auf bezahlten Urlaub haben alle, die arbeiten gehen: Vollzeitkräfte genauso wie Teilzeitkräfte, befristete oder geringfügig Beschäftigte genauso wie Lehrlinge, Referendare und Volontäre.
Auch Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen, hält das neue Konzept für eine grundsätzlich gute Idee: „Als ich erfahren habe, dass die Mitarbeiter diese Möglichkeit bekommen, war ich begeistert. Meines Wissens gibt es so etwas bisher nicht in einem deutschen Unternehmen dieser Größenordnung.“
Zwar folgt die Möglichkeit mehr Freizeit statt mehr Geld zu bekommen für Rump grundsätzlich einem gesellschaftlichen Trend hin zu mehr Work-Life-Balance, besonders in großen Unternehmen sieht sie aber ein Problem: „In Start-ups gehört das ja fast schon zum guten Ton. In großen alteingesessenen Konzernen dürfte da häufig die Unternehmenskultur im Weg stehen. Bisher ist in dem Bereich einfach noch niemand auf die Idee gekommen, das so zu machen.“
Der Planungsaufwand, wenn plötzlich ein Großteil der Mitarbeiter mehr Urlaub bekommen soll, könnte Unternehmen dann noch zusätzlich abschrecken – insbesondere wenn sich das die Mitarbeiter wie bei der Deutschen Bahn aussuchen können, ob es nun mehr Geld oder mehr Urlaub geben soll.
Für Heuer ist das jedoch kein grundsätzlich neues Problem: „Flexiblere Arbeitszeiten sind ja schon seit längerem ein wichtiges Thema und viele Unternehmen versuchen auch schon ihren Mitarbeitern entgegenzukommen.“
Rump sieht aber noch eine weitere Schwierigkeit: „Wenn die Hälfte Ihrer Mitarbeiter auf einmal sechs Tage mehr Urlaub bekommt, fehlt Ihnen die Ressource Arbeitszeit. Was machen Sie dann?“