Wie stellen Sie sich den perfekten Mitarbeiter vor? Fleißig? Strukturiert? Ehrgeizig und dennoch nicht aufmüpfig? Was sich in der Theorie optimal anhört, kann in der Realität genau das Falsche sein. Denn passend, das muss nicht im geringsten perfekt bedeuten. Entscheidend ist, wie ein Mitarbeiter sich in die Unternehmenskultur einfügt.
"Die Kultur in einem Unternehmen betrifft nicht nur den Common Sense, wie man miteinander arbeitet", sagt Katharina Prien, Head of Human Resource bei Helpling, Europas führendem Online-Markt zur Vermittlung von Haushaltshilfen. "Vielmehr ist Unternehmenskultur dafür verantwortlich, wie wohl sich die Mitarbeiter fühlen, wie produktiv sie arbeiten und am Ende auch, wie lange sie in der Firma bleiben."
Prien zufolge muss Unternehmenskultur deshalb jeden einzelnen Schritt ihrer Arbeit beeinflussen: Denn nur wenn die Kultur und Mitarbeiter zusammenpassen, kommen sie gern zur Arbeit, arbeiten effizient und engagiert. Vor allem aber sorgt die Unternehmenskultur für eines: Dass die Talente bleiben. Die Zahlen geben Prien recht: Studien zufolge erwirtschaften Unternehmen, deren Mitarbeiter gut miteinander harmonieren, fünf mal mehr Umsatz.
Schneller schlau: Unternehmenskultur
Als Unternehmenskultur bezeichnet man die vorherrschenden Wertemuster innerhalb einer Firma. So wie jedes Land über eine eigene Kultur verfügt, so entwickelt sich auch in Unternehmen ein gewisses Selbstverständnis – und mit ihm eine für dieses Unternehmen spezifische Herangehensweise.
Für Personaler ergeben sich dadurch gleich mehrere Herausforderungen im Recruiting: Sie müssen anhand des Lebenslauf erkennen, ob ein Bewerber das Potenzial hat, ihr Unternehmen weiterzubringen. Gleichzeitig aber müssen sie im Bewerbungsgespräch abklopfen, wie der Mensch hinter dem Lebenslauf tickt und ob er in das Unternehmen passt.
Ein neues Startup will diesen Prozess nun vereinfachen. Bunch aus Berlin hat ein Tool zur Berechnung von Unternehmenskultur entwickelt. Das Tool hilft Unternehmen nicht nur, ihre eigenen Strukturen unter die Lupen zu nehmen und so ihre Unternehmenskultur in Worte zu fassen. Es berechnet zudem, ob ein Bewerber eben mit dieser Unternehmenskultur harmoniert und wie er sie bereichern kann.
Sieben Voraussetzungen für ein erfolgreiches Bewerbermanagement mittels Software
Die Software muss es ermöglichen, Inserate zu erstellen, die den Bewerber auf emotionaler Ebene ansprechen. Zum Beispiel, indem sich das Team, das gerade Verstärkung sucht, in der Anzeige selbst mit Bild vorstellt. Mitarbeiter, die selbst und aktiv nach neuen Kollegen suchen, sind gerne bereit, „ihr“ Stelleninserat in den eigenen sozialen Netzwerken zu teilen.
Die Software ermittelt die Herkunft der Bewerbung, die Dauer des Personalbeschaffungsprozesses oder auch die Altersstruktur der Bewerber. So sind Unternehmen in der Lage, den für sich erfolgreichsten Kontakt- und Rekrutierungsweg zu erkennen.
Fragen nach Leistungsmotivation, Fremdsprachen-kenntnissen oder fachlicher Expertise können die Bewerber selbstständig und ortsunabhängig per Webcam beantworten – das sollte jedoch kein Muss sein.
Über eine weboptimierte Oberfläche können sich Bewerber auch von unterwegs bei ihrem Wunschunternehmen bewerben.
Damit können Unternehmen ihre Stellenanzeige ohne Abstimmungsaufwand und ohne Zeitverzug dort online stellen, wo sie ihre Kandidaten am besten erreichen.
Schnittstellen zu allen relevanten Social Media Kanälen, z.B. XING, LinkedIn etc. sollten integriert sein. So können Bewerber ihre bestehenden Profile schnell und einfach für die Bewerbung nutzen.
Potentiellen Mitarbeitern sollte es möglich sein, sich innerhalb von wenigen Minuten und mit nur wenigen Klicks beim Wunschunternehmen bewerben zu können.
Die Software sollte sich an gängigen Internetanwendungen orientieren und intuitiv bedienbar sein – für Bewerber, Mitarbeiter und Vorgesetzte.
"Unser Tool beschäftigt sich mit der Dynamik eines Teams und wie das neue Teammitglied diese durch neue Reize bereichern kann", erklärt Darja Gutnick, Psychologin, Migründerin und CEO von Bunch. Die Herangehensweise ihres Startups unterscheide sich ihr zufolge von klassischen Bewerbungsprozessen, bei denen Bewerber streng nach ihren Kompetenzen beurteilt werden. Im Bunch-Algorithmus gilt: "Nicht das, was du bist, entscheidet, ob du passt, sondern, das, was du willst und welche Prioritäten und Entscheidungen du triffst", so Gutnick.
Doch wie kann man Kultur und Persönlichkeit berechnen? Was nach Science Fiction klingt, basiert auf einem wissenschaftlichen Modell aus der Organisations- und Verhaltenspsychologie. Entwickelt hat es Charles O’Reilly von der Stanford University. Bunch hat es adaptiert, passende Fragebögen entwickelt und das Ganze in eine attraktive, User-freundliche Software verpackt.
Engagiert ein Unternehmen das Start-up, werden zunächst die Mitarbeiter befragt. Zehn Minuten dauert es, den virtuellen Fragebogen auszufüllen. Die Fragen sind vom Typ "Forced Choice", die Befragten müssen sich also unter den vorgegeben Antworten die am ehesten zutreffende aussuchen. Die Befragten müssen sich beispielsweise entscheiden, ob sie eher ehrlich oder unterstützend sind, ob sie Konflikte lieber meiden oder sich als ehrgeizig bezeichnen würden.
Aus den Antworten des Bewerbers erstellt Bunch ein Unternehmensprofil, das den Charakter der Organisation in sechs Dimensionen abbildet: Kundenorientierung, Zielorientierung, Kollaboration, Detailorientierung, Integrität und Adaptabilität. "Jedes erfolgreiche Unternehmen hat zwei bis drei Kernmotive, über die Klarheit bei jedem Mitarbeiter herrscht und die von jedem akzeptiert werden müssen“, erklärt Gutnick.
Gibt es bald keine klassischen Recruiter mehr?
Das gilt auch für neue Mitarbeiter. Nach Vorauswahl der Lebensläufe müssen daher auch die Bewerber den virtuellen Fragebogen ausfüllen. Dann gleichen Gutnick und ihre Mitarbeiter die Ergebnisse des Bewerbers mit den Resultaten des Unternehmens ab. Der Personalverantwortliche bekommt daraufhin ein Kandidatenprofil. Darin enthalten: Übereinstimmungs- und mögliche Konfliktpunkte mit dem Team sowie eine Auswertung, wie gut der Kandidat zum Unternehmen passt.
Bewerbungsstrategien für den Traumjob
Analysieren Sie, was Ihrem Traumarbeitgeber fehlt. „Das kann alles Mögliche sein, vom Youtube-Werbevideo über neue Vertriebsmethoden bis hinzu Beziehungen in einen interessanten Auslandsmarkt“, schreibt Karriereexpertin Svenja Hofert in Ihrem Buch „Die Guerilla Bewerbung“, das im Campus Verlag erschienen ist. Die Kunst ist, das Defizit vor dem Arbeitgeber zu erkennen und ihn davon zu überzeugen, dass er es mit Ihrer Hilfe beheben kann.
Schlagen Sie Ihr Adressbuch auf und suchen Sie zehn Kontakte heraus, die Ihnen bei der Suche nach Ihrem neuen Job behilflich sein könnten. Wichtig sind nicht nur Menschen, die direkt einen Arbeitsplatz für Sie haben könnten, sondern auch Personen, die viele interessante Kontakte haben. Schreiben Sie ein prägnantes Kurzprofil, schicken Sie es an Ihre Kontakte mit der Bitte es wiederum an zehn Kontakte weiterzuleiten.
Persönlich miteinander in Kontakt kommen, das ist die Idee hinter dieser Strategie. Suchen Sie sich Ihren Wunscharbeitgeber und überlegen Sie, wer vor Ort der beste Ansprechpartner sein könnte. Rufen Sie einfach an, erklären Sie Ihr großes Interesse an dem Unternehmen und bitten Sie um einen kurzen Termin zum Kaffeetrinken. So ist der erste Kontakt hergestellt.
Suchen Sie sich eine Aufgabe, die Ihrem Alter entspricht. Das hört sich erstmal hart an, ist aber ganz plausibel. Bewerben Sie sich nicht auf Inserate, die mindestens zwei bis drei Jahre Berufserfahrung voraussetzen, denn hier liegen nicht Ihre Stärken. Für viele ältere Führungskräfte, die es am Ende der beruflichen Laufbahn nochmal wissen wollen, ist die Position des Interimsmanager eine geeignete Aufgabe. Die Arbeitsagentur oder private Vermittler helfen gerne weiter.
Oftmals ist Projektarbeit der Einstieg in die Festanstellung. Deshalb überlegen Sie sich genau, erstens welches Projekt Sie realisieren könnten und zweitens für welche Institutionen oder Firmen es interessant sein könnte. Treten Sie an die potentiellen Interessenten heran und überzeugen Sie sie von Ihrer Idee. Die Bereitschaft in ein Projekt einzuwilligen ist höher, als eine neue Stelle zu schaffen. So können beide Seiten herausfinden, ob es passt.
Schaffen Sie sich Ihren Traumjob einfach selbst. Entdecken Sie den Bedarf an einer bestimmten Dienstleistung oder einem Produkt und schlagen Sie einem Träger vor, sich darum zu kümmern. Das funktioniert besonders gut im öffentlichen Bereich. Sind Sie von der Idee restlos überzeugt, können Sie es sogar wagen, einen eigenen Verein oder eine Stiftung zu gründen.
Schreiben Sie eine E-Mail, die der Leser nicht ignorieren kann. Finden Sie heraus, an welchen Stellen Ihr Lieblingsunternehmen Nachholbedarf hat und präsentieren Sie sich als Lösung. Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie in der Branche schon Erfahrungen und Kontakte haben. Für diese Variante muss „Ihr Können und Ihr Hintergrund“ sehr interessant sein.
Sie kennen sich mit einer speziellen Aufgabe oder einem Themengebiet gut aus und haben mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich? Dann könnte die Expertenstrategie die richtige sein. Wichtig ist, ihr Spezialgebiet so umfassend zu definieren, dass sie auf viele Angebote passen, aber gleichzeitig so viel Expertise zu besitzen, dass nicht viele mit Ihnen konkurrieren können. Die Autorin nennt sich zum Beispiel Expertin für neue Karrieren und nicht Spezialistin für MBA-Programme.
Dass Bewerber bewusst manipulieren, also das ankreuzen, wovon sie glauben, dass es die richtige Antwort sei, glaubt Gutnick nicht. Sie nennt dafür zwei Gründe: „Wir haben diese Befragungen schon auf höchsten Management-Ebenen getestet“, erklärt die Bunch-CEO. „Das sind Menschen, die sich bestens auskennen in ihrem Unternehmen. Dennoch waren auch sie sich nicht hundertprozentig einig, was die Kultur ihres Unternehmens ausmacht.“ Wie solle also ein Bewerber von extern sich so gut auskennen, dass er die Antworten manipulieren könnte?
Darüber hinaus, so Gutnick, sei das Bild des Bewerbers, der sich absichtlich verstellt und irgendwo einschleust, mehr als veraltet. Heutzutage entscheiden Bewerber ganz aktiv, für wen sie arbeiten wollen und für wen nicht. Verbiegen wolle sich keiner mehr. „Der Wille des Bewerbers spielt eine ganz signifikante Rolle.“
"Die Ergebnisse bieten uns ein definiertes Gerüst, wodurch Gespräche mit dem Kandidaten präziser und sachlicher geführt werden", erzählt Ralph Pieper, CFO der kapilendo AG, einem Full-Service-Anbieter im Bereich Unternehmensfinanzierung. Bei kapilendo gibt es keine klassischen Recruiter mehr - den Einstellungsprozess übernehmen die Teamleiter.
Zwei neue Mitarbeiter hat kapilendo mit Hilfe von Bunch bereits gefunden. Die Ergebnisse waren Pieper zufolge durchweg spannend: "Wir waren zum Beispiel sehr überrascht zu sehen, wie bedeutend Integrität als Basis für unsere Unternehmenskultur ist", erklärt er. "Des Weiteren hat Bunch uns geholfen, Baustellen innerhalb und zwischen den Teams klarer und sachlicher aufzuzeigen."
Der perfekte Bewerber aus Sicht von Deutschlands Personalern
81% sagen: Praxiserfahrung überzeugt mehr als ein guter Abschluss in Regelstudienzeit.
Quelle: JobTrends 2017 von Staufenbiel Institut und Kienbaum. An der Befragung haben 297 Unternehmen teilgenommen.
Personaler schätzen Übersichtlichkeit mehr als kreatives Design.
Eigeninitiative/Einsatzbereitschaft: 100%
Leistungsbereitschaft: 98%
Kommunikationsfähigkeit: 95%
Teamfähigkeit: 94%
Ergebnis-/Leistungsorientierung: 93%
Nur 3% checken alle Bewerber im Social Web.
75% sehen den Lebenslauf zuerst an, 99% finden ihn wichtig oder sehr wichtig.
Fehler in der Bewerbung sind das K.-o.-Kriterium Nummer eins.
Englischkenntnisse: 77%
Praktika: 73%
Berufserfahrung: 55%
Auslandserfahrung: 38%
Sonst. Fremdsprachen: 24%
(jeweils Anteil der Befragten, die diesen Aspekt wichtig oder sehr wichtig finden)
Dass jetzt alle Unternehmen ohne Personaler und HR-Abteilungen auskommen, glaubt Darja Gutnick von Bunch nicht. "Unsere Analysen sollen nicht dazu führen, dass es keine Personaler mehr braucht", erklärt sie. "Ich glaube, es ist nur eine Veränderung der Rolle - weg vom operativen hin zum strategischen und analytischen." Was die Unternehmen mit den Ergebnissen der Bunch-Analyse anstellen, hängt vom Kunden ab.
Auch Katharina Prien von Helpling könnte sich eine Zusammenarbeit mit Bunch vorstellen. Gerade für großen Firmen könne die Chance, den cultural fit zu erhöhen, Gold wert sein, sagt sie. Dennoch dürfe ein Algorithmus nur ein Teil des Bewerbungsprozesses sein. "Bei uns steht das persönliche Kennenlernen an oberster Stelle und das kann unter keinen Umständen ersetzt oder vernachlässigt werden.“