Ehrgeiz Inneres Feuer

Was die einen zur Macht treibt, die anderen zu immer neuen Rekorden, ist das eigentliche Schmiermittel der Ökonomie – Ehrgeiz. Wie er auf dem Weg zu unternehmerischer Freiheit beflügelt, wovon Ehrgeiz abhängig ist, und wie er unser Handeln beeinflusst.

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Extremes Bergsteigen: Ehrgeiz Quelle: AP

In diesen Tagen ist in Zuffenhausen und Wolfsburg gut zu besichtigen, wie strategischer Ehrgeiz zu visionärer Kraft wird. „Zusammen können wir zur Weltspitze vorstoßen“, so war in teuren Anzeigen zu lesen, die Porsche-Chef Wendelin Wiedeking Anfang März in Tageszeitungen drucken ließ. Weltspitze! Vorstoßen! Eindrucksvoll wirft die Wortwahl ein Schlaglicht auf den Ehrgeiz des Konzernlenkers, der vielleicht sein Lebensziel ist: Er will den weltbesten Autokonzern schmieden und trifft bei diesem Vorhaben auf einen Partner, der sein Leben lang von ähnlich brennendem Ehrgeiz war: Ferdinand Piëch. Zurzeit fügen beide ihre Ambitionen zusammen, um die gemeinsame Vision zu realisieren, und sei es gegen enorme Widerstände.

Ehrgeiz ist das Schmiermittel des Erfolgs. Ohne Ehrgeiz, ohne den mitunter sturen Willen zur Machbarkeit, wären Erfindungen und Entwicklungen ausgeblieben, hätten berufliche Karrieren nie stattgefunden, wären Manager traumverlorene Bubis geblieben, würden sich hoch bezahlte Top-Spezialisten weiter als Straßenmusiker durchs Leben schrammeln. Ehrgeiz ist die Welle, auf der es nach oben und nach vorne geht, manchmal mit einer erstaunlichen Eigendynamik, von der zum Beispiel das Buch von Peter Watson „Ideas. A History of Thought and Invention, from Fire to Freud“ erzählt. Die 1118 Seiten lesen sich streckenweise wie das menschheitsgeschichtliche Kompendium des Ehrgeizes, wie ein Ausflug in die Kultur der (Selbst-)Motivation und die Verifizierung des Victor-Hugo-Klassikers „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“.

Geradezu als Paradigma dieser ehrgeizigen Sehnsucht kommt der autobiografische Buchtitel des Extrembergsteigers Reinhold Messner daher: „Die Freiheit, aufzubrechen, wohin ich will“. Wahrscheinlich ist es dieser Freiheitsdrang, der die Angst aushebelt und überflügelt und der ihn motiviert, Hindernisse immer wieder neu zu überwinden. Auch in diesem Ziel kann ein halb beruflicher, halb sportlicher Ehrgeiz verankert sein – Hürden zu nehmen, schier Unerreichbares anzuvisieren, Prozesse und Prozeduren möglich zu machen, deren Realisierung bisher als unmöglich verschrien waren: Wer ehrgeizig ist, will es „denen“ zeigen – und damit sich selbst. Ehrgeiz durchbricht Tabus und Denkverbote, braucht aber auch die Überwindung von Furcht und den Mut, sie zu brechen, „den Mut, sich über das Urteil der andern zu stellen“, wie der Schweizer Unternehmensberater und Philosoph Richard Egger schreibt.

Friedhelm Zawatzky-Strombergs Experimentierfeld ist der Schutz vor Datenspionage in der Wirtschaft. Der 52-Jährige ist Spezialist für die Sicherheit von lokalen Datennetzen. Mit Comco, einem IT-Dienstleistungsunternehmen in Dortmund, das er zusammen mit einem Partner gegründet hat, entwickelt er technische Sicherheitslösungen, die unternehmensweite Datennetze vor internen Angriffen schützen. Zawatzky-Stromberg ist ständig auf dem Sprung; er muss wissen, was der Feind, die andere Seite, macht. „Ich sehe meinen Einsatz als sportliche Herausforderung“, so wie früher das Fußballtraining für die Landesliga beim SV Westfalia Huckarde 1921 und heute das Lauftraining für den Marathon.

Mit Mitte 20 hat der Ehrgeiz den Westfalen gepackt. Mit seiner Ausbildung als Radio- und Fernsehtechniker war er an seine Grenze geraten, obwohl er es immerhin zum Werksleiter gebracht hatte. Der junge Familienvater machte das Abitur nach und setzte ein Studium der Nachrichtentechnik an der FH in Dortmund drauf. Seit zehn Jahren gibt es die Comco, für die Zawatzky-Stromberg manchmal auch seinen Ehrgeiz im Zaum halten muss. „Es gibt Projekte, die eine Mission Impossible sind. Wenn es zu hohe Risiken gibt, lasse ich lieber die Finger davon.“

Hinter dem Ehrgeiz stecken der Wille und die Motivation, an Zielen zu arbeiten, die den ehrgeizigen Streber selbst in die erste Liga bringen. „Ehrgeiz, Eitelkeit, Stolz, das sind Kräfte, die eine ungeheure Elastizität haben und einen Menschen weit bringen können“, schrieb 1843 der dänische Existenzphilosoph und Theologe Søren Kierkegaard. Andere stürzt ihr Ehrgeiz aber auch ins Verderben. Beispiel Jérôme Kerviel. Dessen Gier nach Anerkennung bescherte der französischen Großbank Société Générale einen Verlust von knapp 4,9 Milliarden Euro. Es hatte den kleinen Händler aus einfachen Verhältnissen, Sohn einer Friseurin und eines Metallarbeiters, gepackt: Weil er bei der Bank nur einen der untersten Plätze im Handel mit Finanzderivaten einnahm und ihn niemand förderte, entwickelte Kerviel einen folgenschweren Ehrgeiz mit seinen Betrugsspielen.

Was aber prägt ehrgeizige Menschen? Immer schwingt, meist eher unbewusst als eindeutig, auch die Sehnsucht mit, begehrt und geliebt zu werden – eine sich gegenseitig verstärkende Anziehungskraft der Ehrgeizigen. Erfolgreiche Frauen fühlen sich zu Männern hingezogen, die beruflich ehrgeizig sind und an die Spitze drängen. Hoch motivierte Männer legen sich umso mehr ins Zeug, sind umso ambitionierter, je mehr sie auf die Gunst attraktiver Frauen hoffen dürfen. Sex und Ehrgeiz sind Geschwister, anthropologisch gesehen.

Auf der Suche nach weiteren Antworten lohnt ein Blick in das psychologische Labor von Eignungsdiagnostiker Heinz Schuler. Der Professor für Psychologie an der Stuttgarter Universität Hohenheim ist einer der profiliertesten Eignungsdiagnostiker in Deutschland. Er entwickelt Tests, mit denen die Leistungsmotivation von Schülern oder Sportlern gemessen werden kann. „Leistungsmotivation wird häufig mit Ehrgeiz gleichgesetzt. Und die Leistungsmotivation ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg“, sagt Schuler.

In den Fragebögen müssen Testkandidaten Fragen zu ihrem Arbeits- und Leistungsverhalten beantworten. Die Ehrgeizigen unter den Kandidaten zeichnen sich durch hohe Werte in Bereichen aus, die Schuler als Leistungsstolz, Wettbewerbsorientierung und Statusorientierung bezeichnet. Wer ehrgeizig ist, will zufrieden mit seinen Leistungen und mit sich selbst sein. Er sieht sich gerne im Wettbewerb mit anderen.

Viele ehrgeizige Menschen haben sich aus ungünstigen Verhältnissen nach oben gearbeitet. Ihnen ist oft eine Fähigkeit zu eigen, die Schuler „kompensatorische Anstrengung“ nennt. Weil die Angst vor dem Abstieg immer mitschwingt, entwickelt der ehrgeizige Emporkömmling Kontrollstrategien, indem er etwa immer übervorbereitet in Meetings geht – auch auf die Gefahr hin, zum Streber vom Dienst zu werden.

Ehrgeiz verändert sich im Laufe der Zeit: „Bei jungen Menschen ist der Ehrgeiz größer. Wer einen gefestigten Status und Anerkennung erhalten hat, konzentriert sich darauf, die Macht zu erhalten“, sagt Schuler. Ein Ergebnis der Leistungsmotivationsforschung ist auch, dass sich Ehrgeiz keiner Berufsgruppe zuordnen lässt. In den Leistungsmotivationstests erweist sich der Faktor Ehrgeiz eher bei Menschen als dominant, die intellektuell brillieren wollen, etwa Wissenschaftler. Unternehmer zeichnen sich dagegen eher durch Motive wie Unabhängigkeit und Furchtlosigkeit aus.

Ein ehrgeiziger Stil ist demnach Teil der Persönlichkeit, freilich nicht unbedingt schicksalhaft. „Mag ja sein“, sagt der amerikanische Psychologe Dean Simonton von der Universität von Kalifornien, UC-Davis, „dass bestimmte Energien in uns von vorneherein genetisch bedingt sind. Aber oft kommt es einfach darauf an, herauszufinden, wofür sich diese inneren Antriebskräfte lohnen.“ Die Frage ist: Was, bitte schön, kann ich mit meinem Ehrgeiz am besten anstellen?

Auf diese Frage gab Michael Groß als junger Mann eindrucksvolle Antworten, während er in den Achtzigerjahren olympisches Gold, Weltmeisterschaftsehren und Schwimmrekorde in Serie gewann. Der „Albatros“, wie Fans ihn beinahe andächtig nannten, wurde zum deutschen Vorzeigeathlet auch deswegen, weil er sich immer wieder neu motivieren konnte und von Wettkampf zu Wettkampf darauf brannte, das Beste aus sich herauszuholen.

Diesem Ziel lagen, wie Psychologen sagen, seine „intrinsischen Motive“ zugrunde, eine Art inneres Feuer. „Meine Motivation war“, sagt Michael Groß heute, „immer meine Top-Leistung abzurufen, ich wollte der Weltbeste sein. Der Ehrgeiz, Gegner zu besiegen, war der Ausdruck dieser inneren Motivation.“

Das war vor 20 Jahren. Und heute? Immer wieder durchziehen auch den aktuellen beruflichen Alltag des 43-Jährigen Muster von sportlicher Herausforderung. Etwa dann, wenn es darum geht, neue Kunden von der Kompetenz und Leistungskraft der Peakom GmbH zu überzeugen, der Groß als geschäftsführender Gesellschafter vorsteht. Die Frankfurter Peakom erarbeitet Kommunikationsstrategien, -konzepte und -kampagnen für Unternehmen in den Bereichen Corporate Branding, Channel Marketing und Change Communication. Gewiss geht es in erster Linie darum, die Geschäfte des 22-Mitarbeiter-Beratungsunternehmens voranzubringen, Umsätze und Gewinne zu mehren. Aber immer schwingt auch der sportliche Ehrgeiz mit, einen „Pitch“ zu gewinnen, im Wettbewerb um die Gunst eines neuen Kunden die Nase vorn zu haben. Motivation als Lebenshaltung, Ehrgeiz in action: Davon weiß der Ex-Sportler und promovierte Kommunikationsmanager Michael Groß eine Menge zu erzählen, etwa in Motivationsseminaren, die er regelmäßig veranstaltet, oder als Lehrbeauftragter an der Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt.

Ehrgeiziges Unternehmensziel: Quelle: dpa

Die Kunst, wird er dort sagen, besteht immer auch in der Kraft der Selbstmotivation: Wer ehrgeizig ist, braucht weniger Leistungsanreize, die von außen an ihn herangetragen werden, sondern eine innere Stärke, die ihr oder ihm immer wieder ausreichend Lust und Disziplin gibt, weiterzumachen, voranzukommen und Widerstände zu überwinden.

„Ehrgeiz ist positiv, wenn ich aus starkem innerem Antrieb etwas tue, weil es mir Freude und Befriedigung verschafft“, sagt auch Christine Öttl, Karriere-Coach aus München. Es gehe darum, die eigenen Potenziale und Stärken zu entdecken und klare Vorstellungen zu haben. Öttl war früher selbst Managerin in einer internationalen Fotoagentur. Ihr warf ein Chef vor: „Sie wollen ja nur Ihren eigenen Ehrgeiz befriedigen.“ Christine Öttl bejahte fröhlich, denn es ging ihr wirklich nicht in erster Linie darum, ferne Konzernchefs in London von ihrer Arbeit zu überzeugen, sondern ihren Arbeitsbereich optimal zum Laufen zu bringen und vor sich selbst zu bestehen. Ein großer Pluspunkt: Positiver Ehrgeiz macht nicht unbedingt beliebt, aber unabhängig von der Meinung anderer.

Forscher wissen: Neben Ausdauer und Lernbereitschaft ist Ehrgeiz für den Erfolg wichtiger als Intelligenz. Was will der Mensch mit geschliffener Intelligenz und hoher Bildung, wenn er sie nicht auf dem Altar des Ehrgeizes zur Entfaltung bringen kann? Die Welt ist schließlich nicht nur Vorstellung, sondern auch Wille (Schopenhauer). „Ehrgeiz“, darauf beharrt US-Psychologe Simonton, „ist zwar Energie plus Entschlossenheit, aber er braucht auch Ziele.“

Zum Beleg erzählt er gerne von Leuten, die zwar das Ziel haben, eine funktionierende Mausefalle zu bauen, aber nicht genug Energie, um mehr als die immer gleiche Vision zu formulieren: „Eines Tages werde ich eine bessere Mausefalle bauen.“

Oft geht ein anderes Motiv mit dem Ehrgeiz Hand in Hand – Macht. Wenn Politiker etwas verschämt von ihrem Gestaltungswillen sprechen, von ihrem Ehrgeiz, gesellschaftliche Prozesse in Gang zu bringen und zu begleiten, dann bemänteln sie damit, dass sie von der Aussicht auf Macht fasziniert sind und davon, Mehrheiten von Gleichgesinnten um sich zu scharen und (auf Zeit) zu führen.

Das Karrieremotiv „Macht“ gilt zwar als Tabu-Vokabel, ist aber die wohl stärkste Triebfeder, die einen erfolgsorientierten Menschen nach vorne katapultieren kann. „Auch Mutter Teresa war eine sehr machtvolle Frau. Sie wäre ohne ihren Ehrgeiz, Armut und Not zu lindern, eine Betschwester geblieben“, sagt der promovierte Diplompsychologe Ulrich Kuhl, der mit seinem Partner Joachim Siegbert Krug ein vielbeachtetes Buch über „Macht, Leistung, Freundschaft“ geschrieben hat.

Wer ein Team voranbringen will, braucht den Faktor Macht. Führungskräfte und solche, die es werden wollen, wachsen aber zumeist nicht mit dem Willen zur Macht auf, sondern stoßen allmählich zu den Strukturen von Einfluss und Leadership vor.

Die Fähigkeit, delegieren zu können und andere zu motivieren, sie mitzureißen, ist wahrscheinlich nicht angeboren, sondern „durchaus auch trainierbar“, sagt der Psychologe Ulrich Kuhl, der in seinen Coachingprogrammen unter anderem leistungsorientierte Aufsteiger dabei berät, zu machtbewussten Führungskräften zu werden: Wie kanalisiere ich meinen Ehrgeiz? Wie steuere ich ein Team von Erfolg zu Erfolg? Welche Meilensteine plane und setze ich in welchem Abstand?

Kuhl arbeitet in Essen, im Herzen des Ruhrgebiets, wo der Aufsteigerehrgeiz seit jeher zu Hause war, wo Väter geradezu rituell ihren Kindern wünschen, es mal besser zu haben als sie selbst, und wo viele Kinder quasi mit dem Ehrgeiz aufwachsen, den kleinen Verhältnissen ihres angestammten Milieus zu entkommen. Soziale Triebfeder: Ja. Automatismus? Nein. Der Anthropologe Edward Lowe von der kalifornischen Soka Universität vermutet, dass Ehrgeiz ein „evolutionäres Produkt“ sei: „Egal, wie der soziale Status definiert ist, es gibt in jeder Gemeinschaft immer Menschen, die vor Ehrgeiz brennen und immer auch solche, die ihm nicht besonders verfallen sind.“

Viele Ehrgeizige zeichnet aus, dass sie sich mit Leistung und Selbstbewusstsein von den Altvordern lösen wollen und das Herkömmliche und Hergebrachte infrage stellen. Das bestätigt auch die amerikanische Psychologin und Ärztin Nancy Andreasen in ihrem Buch „The Creating Brain“ – herausragende Persönlichkeiten sind immer abenteuerlustig, widerständig, individualistisch, verspielt, hartnäckig, neugierig – und gleichzeitig ehrgeizig.

Ein Beispiel ist Dogan Gündogdu. Sein Ehrgeiz brachte den türkischen Unternehmer aus Anatolien dazu, sich nach dem Wirtschaftsstudium in Istanbul und einem Intermezzo bei der türkischen IS-Bank in Frankfurt mit einem MBA-Programm auf der spanischen Eliteschule IESE konsequent auf eine internationale Karriere vorzubereiten. Zurück in Deutschland gründete er die Finanzberatungsgesellschaft TDVM Capital AG, die Migranten bei Kapitalanlagen, Bausparverträgen und Versicherungen berät; heute unterstützt er im Bereich Finanzen als Berater das Bremerhavener Unternehmen Innovative Wind Power, einen Hersteller von Windkraftanlagen.

Gündogdu glaubt an sich und die Macht der Bildung. „Die ständige Weiterqualifikation war mein Motor“, sagt der 40-Jährige. Sein Ehrgeiz treibt ihn an, besser zu sein als alle anderen, sich immer neue Ziele zu suchen und seine Potenziale geschickt zu nutzen. Er knüpft Firmenkontakte zwischen der Türkei, Deutschland und Spanien; er sieht Chancen, wo andere Probleme sehen. Jetzt will er unter anderem türkische Immobilienprojekte von Deutschland aus unterstützen. Sein Vorbild ist der Reiseveranstalter Vural Öger, der nicht nur seine Unternehmen vorantreibt, sondern auch durch gesellschaftliches Engagement überzeuge. Doch Gündogdu weiß auch, dass der Ehrgeiz ihn zum Stolpern bringen kann: „Ich bin oft zu dominant und muss mich manchmal bremsen.“

Engagierte „Querdenker“ wie Gündogdu weiß auch der Bremer Reeder Niels Stolberg zu schätzen. Wie viele Karrierebewusste ließ sich auch Stolberg vom Motiv der Befreiung leiten, von der Sehnsucht jedes Unternehmers, Selbstständigen und Top-Managers, möglichst nur noch gegenüber sich selbst und dem Unternehmen Verantwortung zu haben – und nicht in fragwürdigen Hierarchien eingebunden zu sein.

Freiheitsdrang ist eine geradezu klassische Triebfeder für den Ehrgeiz: „Warum wollen Manager immer höher hinaus?“, lautete die Frage einer Studie über Aufstiegsmotivation von Führungskräften. Meistgenannte Antwort: „Um endlich soweit oben zu sein, dass niemand mehr über einem ist, der einem sagen kann, was man zu tun und zu lassen hat.“

Auch dem Essener Wirtschaftspsychologen Kuhl fällt auf Anhieb erst einmal die dunkle Seite dieser Charaktereigenschaft ein: Er assoziiert „zerfressen“, „krankhaft“ und „erbittert“, bevor er auf die enormen Schubkräfte zu sprechen kommt, die vom Ehrgeiz ausgehen können. Die Janusköpfigkeit des Ehrgeizes durchzieht unsere Kultur seit der Antike. „Den Ehrgeizigen tadelt man“, schreibt Aristoteles, „weil er mehr als recht ist und mit unrechten Mitteln nach Ruhm strebt; den Mann ohne Ehrgeiz, weil er auch nicht durch edle Taten Ehre zu erwerben sich zum Ziel setzt.“

„Der Preis für Ehrgeiz ist hoch“, sagt Manfred Kets de Vries, Leiter des Global Leadership Centre der französischen Business School Insead. „Ein Banker hat mir erzählt, dass er seine Tochter meist nur schlafend gesehen habe, weil er früh nach Manhattan fuhr und spät zurückkam“, sagt Kets de Vries. Mittlerweile ist das Kind 15 Jahre alt und der Banker hat es fast nur in den Ferien erlebt. Das frustriert ihn ungeheuer. Nicht wenige ehrgeizige Manager wollen zwar im Beruf immer alles besser machen, im Privaten aber scheitern sie.

Der Grat zwischen aufbauendem und fehlgeleitetem Ehrgeiz ist schmal. Läuft es positiv, können Ehrgeizige Berge versetzen, läuft es schlecht, dann können sie ganze Länder ins Verderben stürzen, wie die Geschichte des kollektiven Ehrgeizes zeigt, der meist nur blutgetränkte Schlachtfelder hinterließ, Armut, Not und Verzweiflung. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung klingt eine Nachricht aus Großbritannien erfreulich, friedlich und zivil. Sie handelt vom Ehrgeiz eines Staatsführers, seine Nation zur Schlacht gegen die Schlachtplatte einzustimmen.

„Es ist unser Ehrgeiz“, sagt Premierminister Gordon Brown, „das erste Land von Bedeutung zu sein, dem es gelingt, den bislang stetig wachsenden Trend zur Fettleibigkeit umzukehren.“

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