Vierunddreißig Tage Urlaub im Jahr, garantiert per Tarifvertrag: Ausreichend Zeit, um sich übers Jahr von der Mühsal des Jobs zu erholen, möchte man meinen. Nicht für Sandra Hasterok – die 24-jährige Kassiererin aus Voerde in Nordrhein-Westfalen fühlte sich diskriminiert. Denn diejenigen unter ihren Kollegen, die den 30. Geburtstag schon hinter sich haben, hatten laut Tarifvertrag Anspruch auf 36 Tage. Ungerecht, dachte Hasterok – und zog vors Landesarbeitsgericht Düsseldorf.
Das gab ihr nun recht: Auch den Richtern reichte das Argument der Arbeitgeber, Ältere hätten ein höheres Erholungsbedürfnis, nicht aus.
Ein Urteil mit Sprengkraft: Gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi ließ der Handelsverband Nordrhein-Westfalen den Richterspruch in den Tarifvertrag einfließen. Seit 29. Juni gilt: Alle Beschäftigten im nordrhein-westfälischen Einzelhandel erhalten ab 2012 sechs Wochen Urlaub.
Nur Leistung zählt
Das Urteil zeigt, wohin die Reise geht: Leistung wird großgeschrieben, die Altersstaffel ist passé.
Denn auch wenn viele Unternehmen nur hinter vorgehaltener Hand darüber sprechen wollen – klar ist: Arbeitgeber verabschieden sich vom Senioritätsprinzip. Denn das verstößt gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG), in dem Deutschland die Vorgaben der Europäische Union verwirklicht: Niemand soll wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft, seines Glaubens benachteiligt werden. Und auch nicht wegen seines Alters.
Zwar passiert in Deutschland genau das noch regelmäßig:Ob bei Gebäudereinigern, Angestellten von Bahn oder Post, Molkereimitarbeitern oder Floristinnen, Arzthelferinnen oder Konditoren – bisher wimmelte es nur so vor Altersstaffeln in Mantel- und Gehaltstarifverträgen.
Erfahrung wird überschätzt
Auch Unternehmensberatungen, diese selbst ernannten Hohepriester des Leistungsprinzips, predigen in dieser Hinsicht Wasser und trinken Wein: Während sie gegenüber ihren Kunden das Primat des Schneller-höher-weiter-Denkens wie eine Monstranz vor sich hertragen, lassen sie sich von eben diesen die eigene Seniorität kostbar bezahlen. Das heißt: Je mehr Jahre ein Consultant auf dem Buckel hat, desto höher sein Tagessatz. Einzige Begründung: die Erfahrung.
Denn die Bedeutung der Erfahrung wird überschätzt: Ältere machen zwar weniger Fehler und kennen viele Tricks bei der Umsetzung von Projekten. Doch Berufseinsteiger sind schneller und haben frischere Ideen. Das belegen Untersuchungen von Christian Stamov-Roßnagel, Professor für Organisationstheorie an der Bremer Jacobs University, und dem finnischen Demografieforschers Juhani Ilmarinen.
Warum also sollten Mitarbeiter mehr Gehalt bekommen, nur weil sie älter sind? Schließlich, so eine Untersuchung des ‧dänischen Arbeitsökonomen Niels Westergård-Nielsen, erleben wir den Höhepunkt unserer Schaffenskraft im Schnitt mit 37 Jahren. Danach nimmt unsere Leistungs‧fähigkeit ab – die Bezahlung steigt trotzdem. Bis jetzt.
Denn die offensichtliche Diskrepanz zwischen Lohn und Leistung wird zunehmend hinterfragt: Gehaltsstaffeln nach Altersstufen oder Sozialpläne, die Älteren bei drohenden Entlassungen einen höheren Schutz allein aufgrund ihres Geburtsjahres bieten, stehen auf dem Prüfstand – vor Gericht, aber auch in immer mehr Unternehmen, auch weit unterhalb der Managementebene.
„Die Sitzprämie hat ausgedient“, bestätigt Sascha Armutat von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung.
Schnelle Karrieren
Das bedeutet: Vergütung und Alter werden zunehmend voneinander entkoppelt. Das Gehalt steigt nicht mehr automatisch mit der Zahl der Berufsjahre. Mehr aufs Konto gibt es nur noch für Mitarbeiter, die mehr Verantwortung übernehmen oder ihre Arbeit besser als erwartet erledigen.
Wer sich auf Job nach Vorschrift beschränkt, dessen Gehalt stagniert – oder kann in Einzelfällen auch mal sinken.
Umgekehrt eröffnet sich jungen, leistungsfähigen Nachwuchskräften die Möglichkeit, schneller als bisher Karriere zu machen. Dabei Kollegen hinter sich zu lassen, die schon wesentlich mehr Dienstjahre vorweisen können. Und an denen sie früher schwer vorbeigekommen wären – zumindest in puncto Gehalt.
Umgekehrt eröffnet sich jungen, leistungsfähigen Nachwuchskräften die Möglichkeit, schneller als bisher Karriere zu machen. Dabei Kollegen hinter sich zu lassen, die schon wesentlich mehr Dienstjahre vorweisen können. Und an denen sie früher schwer vorbeigekommen wären – zumindest in puncto Gehalt.
Neue Tarifverträge
Vorreiter: Die Chemie-Industrie mit ihrem Lebenszeit- und Demografie-Tarifvertrag, der es etwa Unternehmen wie BASF ermöglicht, Teile der Vergütung leistungs- und erfolgsabhängig zu gestalten. Eine direkte Verbindung zwischen Lebensalter oder Berufserfahrung und Gehalt besteht nicht. Gehälter steigen je nach Leistung unterschiedlich schnell und lang. „Es ist wichtig, einen automatischen Anstieg der Vergütung mit zunehmendem Lebensalter zu verhindern“, sagt BASF-Vergütungsexperte Lars Reichmann. „Wir belohnen gute Leistung mithilfe variabler Vergütungskomponenten – und zwar in allen Lebensphasen.“
Ähnlich sieht es in der Metallindustrie aus: Das Entgeltrahmenabkommen beendete nicht nur die Trennung von Kopf- und Handarbeit, von Angestellten und Arbeitern. Es schaffte auch das Senioritätsprinzip ab. Denn für die Eingruppierung der Mitarbeiter in die jeweilige Gehaltsstufe ist nun die Funktion entscheidend, das Alter spielt keine Rolle. Und selbst im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst wurde die Kopplung von Vergütung und Altersstufen zurückgeschraubt.
Hauptgrund für diesen Trend: die demografische Entwicklung. Die Bevölkerung‧ altert – und mit ihr die Belegschaften in den Unternehmen.
Laut Statistischem Bundesamt sinkt der Anteil der 20- bis 65-Jährigen unter den Deutschen bis 2060 von 61 auf 50 Prozent. Während gleichzeitig der Anteil der Unter-20-Jährigen von 19 auf 16 Prozent zurückgeht, verdreifacht sich der Anteil der Über-80-Jährigen im gleichen Zeitraum auf 14 Prozent. Bei gleichzeitig schrumpfender Bevölkerung bedeutet das, dass dann in diesem Land nur noch eine Million mehr Menschen unter 20 als über 80 leben.
Wer bekommt die dicken Schecks?
Die Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind gewaltig: Lebten zwischen Flensburg und Passau 2009 noch 50 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter, werden es 2060 noch nur 33 Millionen sein. Und die werden älter und älter: Die Gruppe der Arbeitnehmer, die zwischen 50 und 65 Jahre alt sind, wird von derzeit rund 31 Prozent Schritt für Schritt auf 40 Prozent steigen – spätestens 2024 soll es so weit sein.
„Höchste Zeit zum Umdenken“, sagt Hans-Carl von Huelsen von der Personalberatung Kienbaum. „Die traditionellen Vergütungssysteme werden durch die demografische Entwicklung infrage gestellt.“
Kein Wunder, dass Deutschlands Personalchefs laut Kienbaum-Umfrage Demografie und strategische Personalplanung derzeit zu den wichtigsten Herausforderung für die kommenden Jahre sehen.
Denn diese demografische Entwicklung belastet Unternehmen mittelfristig doppelt: Zum einen müssen sie den immer rarer werdenden jungen Talenten mehr bieten als die Perspektive, auf Jahre hinaus mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die allein aufgrund ihres Alters am Monatsende stets den dickeren Scheck nach Hause tragen.
Paradigmenwechsel der Branche
Zum anderen drohen beim Festhalten am Senioritätsprinzip die Personalkosten zu einer ernsthaften Bedrohung der finanziellen Solidität eines jeden Unternehmens zu werden.
Um dieser Entwicklung baldmöglichst einen Riegel vorzuschieben, ringt der Einzelhandel seit geraumer Zeit um ähnliche Lösungen, wie sie Chemie- und Metallindustrie schon gefunden haben. Das Ziel von Arbeitgebern und Gewerkschaft: ein Reformpaket, das die Berufsjahrestaffel beseitigt. Und die Gehälter weder nach Alter oder Berufsjahren im Unternehmen oder der Branche bemisst, sondern in erster Linie nach Leistung.
Ein Paradigmenwechsel für eine Branche, deren Tarifbild noch von den Fünfzigerjahren geprägt ist und Gehälter für längst ausgestorbene Berufsbilder wie Fahrstuhlführer oder Telefonistin regelt. Und ein Kampf gegen festgeschriebene Besitzstände, der mutmaßlich aber nicht vor Ende 2012 ausgefochten sein wird.
So lange wollte die Metro nicht warten. Der Handelskonzern vereinbarte mit der Gewerkschaft Verdi schon Anfang 2010 einen Haustarifvertrag für seine Immobilientochter Properties. Der stellte das Besitzstandsprinzip für die rund 750 Mitarbeiter auf den Kopf, entlohnt diese ausschließlich nach Leistung. Was auf dem Gehaltszettel steht, folgt einer detaillierten Bewertung der jeweiligen Tätigkeit und verzichtet auf das Anrechnen von Berufsjahren. „Die Gehälter wurden passgenauer“, sagt Metro-Properties-Personalchef Joachim Dehn.
Mit drastischen Folgen für die Mitarbeiter: Fast jeder hatte über Nacht ein anderes Gehalt – manche mehr, manche weniger. „Für einzelne Mitarbeiter, die ihre Leistung subjektiv höher einschätzten“, sagt Dehn, „war die Einstufung schwierig.“
Doch auch die Vorgesetzten taten sich mitunter schwer – kaum einer wagte, seinen Mitarbeiter besonders gute oder gar besonders schlechte Noten zu geben.
Die Schlechten bestrafen
Ein Problem auch für den Mittelständler Walzen Irle: Zwar sind bei dem Siegerländer Metallunternehmen immer öfter fleißige und talentierte Mitarbeiter schon mit Mitte 20 für millionenteure Maschinen verantwortlich, an die die Geschäftsleitung früher allenfalls Kollegen ab 50 mit jahrzehntelanger Berufserfahrung ranließ.
Doch wenn die Vorgesetzten die Leistung ihrer mehr als 200 Mitarbeiter auf einer Punkteskala zwischen 0 und 20 einstufen sollen, wird die Unsicherheit im Umgang mit dem Leistungsdenken deutlich: Die Beurteilungen kreisen meist um die Mitte der Skala, ein realistisches Leistungsbild entsteht so nicht. Gerade das Herabstufen der Mitarbeiter ihrer eigenen Abteilung fällt den meisten Führungskräften schwer.
Doch Milde ist hier fehl am Platz: „Wer die Schlechten schont“, sagt Geschäftsführer Rainer Schneider, „bestraft die Guten.“
Vom Praktikanten zum Ingenieur
Genau das möchte man bei Dorma vermeiden: Für die rund 450 außertariflichen Mitarbeiter des Mittelständlers aus Ennepetal, der Türschließer, Bewegungsmelder, Glasbeschläge und Glasschiebetüren produziert, sind bis zu 30 Prozent des Gehaltes flexibel, gemessen nach Wirtschaftslage des Unternehmens und dem Erfolg individuell verantworteter Projekte. Die rund 3000 nach Tarif bezahlten Beschäftigten können sich mit guter Leistung rund zehn Prozent dazuverdienen. „Wir wollten ein Signal setzen“, sagt Dorma-Personalchef Michael Ecker. „Du wirst für deine Leistung bezahlt, nicht für dein Alter.“
Das nutzt gut ausgebildeten jungen ‧Leuten wie Kantharuban Srikanthan: Der 28-Jährige hat sich innerhalb von zehn ‧Jahren vom Hauptschulpraktikanten zum Prozessingenieur hochgearbeitet. Derzeit untersucht er Arbeitsabläufe an den Maschinen. Und ist bereits in der zweithöchsten von insgesamt 15 Tarifgehaltsklassen eingruppiert – das gabs früher nur mit jahrzehntelanger Berufserfahrung.
„Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein“, sagt Personaler Ecker, „da müssen wir jungen Talenten leistungsorientierte Aufstiegsmöglichkeiten bieten.“
Derzeit denkt die Geschäftsführung darüber nach, die Wartezeiten bis zum Erreichen der nächsten Tarifstufe zu verkürzen: Anders als bisher sollen schon Berufsneulinge nicht nach dem Alter eingestuft werden – sondern bezogen auf die Verantwortung, die sie in ihren Projekten tragen. Und die Ergebnisse, die sie erzielen.
Bei der B.A.D. GmbH ist das längst gang und gäbe: Das Unternehmen, das Firmenkunden Dienstleistungen im Bereich der Gesundheitsvorsorge und des Arbeitsschutzes anbietet, hat bewusst mit den Tarifstrukturen des öffentlichen Dienstes gebrochen. Und bezahlt seine rund 2150 Mitarbeiter, die es beispielsweise als Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu seinen Kunden schickt, nach einem leistungsorientierten Haustarifvertrag.
Das Leistungsprinzip
Das Prinzip: Leistung und Erfolg schlagen sich deutlich auf dem Lohnzettel nieder – sowohl beim Festgehalt als auch beim Jahresbonus.
Die starre Altersautomatik wurde ersetzt durch flexible Entgeltbänder mit insgesamt sieben Entgeltgruppen, denen die Mitarbeiter jeweils aufgrund ihrer Tätigkeit zugeordnet wurden.
Wer noch wenig verdient, aber besonders gute Arbeit geleistet hat, dessen Gehalt steigt überdurchschnittlich stark an. Wer im oberen Bereich des Bandes liegt, aber mangelhafte Leistungen abliefert, bekommt nur eine geringe Erhöhung oder wird in seinem Gehalt sogar ganz eingefroren. Und zwar ganz unabhängig davon, wie hoch die vereinbarte Tariferhöhung ausfällt oder welche Gewinnsumme das Unternehmen in einem Jahr an seine Mitarbeiter ausschüttet.
Sparpotential suchen
„Wir signalisieren unseren Mitarbeitern so, dass sie sich bei uns unabhängig vom Alter weiterentwickeln können“, sagt B.A.D.-Personalchefin Sabine Stadie. „Die neue Vergütungswelt unterstützt bei unseren Mitarbeitern die Wandlung zu quasi-unternehmerischen Verhaltensweisen.“
Das würde auch jeder Berater seinen Kunden empfehlen – an die eigenen Ratschläge hält sich dagegen kaum einer. Denn Consulting-Unternehmen haben erst vor Kurzem damit begonnen, Leistung und Vergütung ihrer Mitarbeiter konsequent gegeneinander abzugleichen.
Der Grund: Im Zuge der weltweiten Finanzkrise schrumpfte 2009 der Umsatz der Branche um 3,1 Prozent auf 17,6 Milliarden Euro, das Geschäft der im Bund Deutscher Unternehmensberatungen organisierten Consulting-Firmen im Vergleich zu 2008 gar um mehr als 25 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. Weshalb sich die Berater flugs auf die Suche nach Sparpotenzial machten.
Laut einer Untersuchung der Personalberatung Kienbaum steigen Junioren im Branchenschnitt bei rund 70 000 Euro Jahresgehalt ein, Senioren verdienen in Top-Beratungen bis zu 320 000 Euro jährlich – je nach Alter und monatlichem Umsatz.
„Zu kurz gesprungen“, sagt Matthias Wehling. Der 53-Jährige, in der Geschäftsführung des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungs-unternehmens Ernst & Young Deutschland zuständig fürs operative Geschäft, will weg von dieser kurzatmigen Bemessungsgrundlage. Und das Gehalt eines Consulting-Angestellten abhängig machen vom Beitrag, den er zum Unternehmen leistet. Und das, so Wehling, „ist mehr als der Umsatz“.
Bei Ernst & Young heißt das: Die Entwicklung zukunftweisender Konzepte etwa zur Rekrutierung talentierter Nachwuchskräfte oder der Kommunikation wird genauso belohnt wie das Beackern neuer Märkte. Denn auch was nicht sofort Umsatz bringt, kann strategisch relevant sein – und soll entsprechend honoriert werden.
Leistung vor Alter
Zwar weiß auch Wehling: „Kontakte zu Vorständen wachsen auf Augenhöhe“. Dennoch soll Alter per se nicht honoriert werden.
Wehlings Wunsch: „Zu jedem Zeitpunkt muss der Unternehmensbeitrag eines Partners zur Vergütung im Gleichgewicht stehen.“ Sonst müsse man nachjustieren – beim Beitrag oder der Vergütung.
So wie bei BMW. „Leistung und Gegenleistung“ lautet das Prinzip, nach dem der bayrische Autobauer seine Mitarbeiter bezahlt. Für tarifgebundene Angestellte heißt das: Einmal im Jahr wird ihre Arbeit beurteilt. Und daraus eine leistungsbezogene Prämie fürs kommende Jahr berechnet, die jeden Monat zum Basislohn hinzukommt. Die kann bis zu 28 Prozent des Tariflohns ausmachen – je nachdem, wie zuverlässig einer Termine und Absprachen einhält, eigene Ideen einbringt, kostenbewusst handelt oder wie gut er mit seinen Kollegen zusammenarbeitet. Das Alter spielt keine Rolle – nur Leistung und Verantwortung zählen.
Nach unten stockt der Fahrstuhl
Erst recht im Management. War der seit jeher übliche Bonus für übertariflich eingruppierte Mitarbeiter bis 2009 von einem individuellen Zielwert abhängig, der auch an Lebensalter und Zugehörigkeitsdauer zum Unternehmen gekoppelt war, heißt es heute: Bei gleicher Leistung gibt es gleiche Bezahlung, egal, wie alt einer ist oder wie lange er schon auf der BMW-Gehaltsliste steht. Das ermöglicht dem Unternehmen, talentierten Nachwuchs schneller nach oben zu bringen.
Voraussetzung: Die Person bewährt sich auf der neuen Stelle mindestens ein Jahr.
Der Grund für diese Vorsichtsmaßnahme: So durchlässig die Fahrt nach oben geworden ist, nach unten stockt der Fahrstuhl schon mal – zumindest wenn der Betriebsrat nicht mitspielt.
Das gilt auch in anderen Branchen. Was offiziell keiner zugeben will, wird hinter vorgehaltener Hand ganz deutlich ausgesprochen: „Was wir brauchen“, so der Personaler eines großen deutschen Konzerns, „ist mehr Volatilität nach unten.“
Soll heißen: die Möglichkeit, Minderleister radikal abzustrafen – durch Versetzung auf weniger verantwortungsvolle Posten. Und deutlich weniger Geld.
Bei Ernst & Young ist man dem Ziel schon ein Stück näher gekommen: Up or out – einen Schritt auf der Karriereleiter nach oben oder du bist raus aus dem Unternehmen – diese über Jahre als ehern geltende Adaption des Darwin’schen Prinzips auf die Personalpolitik der Beratungen hat für die rund 400 Partner weitgehend ausgedient.
„Statt hoch oder raus geht es auch mal eine Nummer kleiner“, sagt Personaler Wehling. Etwa weil ein Partner aus Altersgründen sein Pensum reduzieren möchte. Oder – auch das soll in der Branche vorkommen – wenn die Performance ganz generell nicht stimmt. Da werden Anteile schon mal ausbezahlt.
Und ein langgedienter Berater schrumpft vom ehrwürdigen Partner zum einfachen Direktor.
Was einfach und konsequent scheint, bleibt in der Praxis aber oft tabu. Nicht jeder habe die Größe, sich klar einzuschätzen oder das Ergebnis offen zu machen, heißt es aus der Vorstandsetage eines namhaften deutschen Unternehmens. „So ein Abstieg wird lieber totgeschwiegen."