Das wiederum liege auch daran, dass die Eintrittsbarrieren in diesen Markt vergleichsweise gering sind. „Für die Umsetzung einer originären Idee ist zunächst nur wenig Kapital notwendig“, sagt Wink. „Sie brauchen vor allem helle Köpfe, keine Maschinenparks oder teure Prototypen. Firmen wie Amazon, Facebook und Google, aber auch Autodesk und Activision Blizzard zeigen, dass Erfolgsgeschichten noch immer im Wohnzimmer starten können.“ Etwas ganz ähnliches berichtete vor Kurzem auch Tijen Onaran, Gründerin und Initiatorin des Netzwerks Women in Digital, im Interview mit der WirtschaftsWoche.
"Tatsächlich mache ich die Erfahrung, dass der Beginn in der Onlinewelt etwas leichter ist, als in der sonstigen Welt, weil man mit relativ geringem Aufwand starten kann. Wer eine gute Idee für ein Produkt oder eine Dienstleistung hat, die man online vertreiben kann, kann sich selbst schnell eine Website zusammen basteln. Dafür braucht man auch nicht wahnsinnig viele IT-Kenntnisse und kann auch mit wenig Man- oder Womanpower relativ schnell etwas hochziehen", sagte sie. "Gerade am Anfang ist es sehr einfach, mit geringen Mitteln von Zuhause aus den Laptop aufzumachen und zu sagen: „Ich hab ne coole Idee und ich stell das jetzt einfach mal ins Netz und probiere es aus.“ Fehler zu machen und dann aufzustehen und weiterzumachen ist in der digitalen Welt viel einfacher als woanders."
"Mädels, traut euch"
Doch genau das ist es, was den jungen Tech-Gründer in seinem Ein-Zimmer-Appartement im Silicon Valley für das deutsche Traditionsunternehmen mit seinem fleißigen Juristen oder Betriebswirt an der Spitze so gefährlich machen kann. Mit ganz wenig Aufwand und noch weniger Kosten weckt er Wünsche bei den Kunden, die diese letztlich auch vom Dax-Konzern oder dem Mittelstand erfüllt haben wollen. Dass der Global Player etwas nicht kann - immer überall auf dem Smartphone für den Kunden da sein - was ein Harvard-Student im dritten Semester IT mit links macht, ist aus Kundensicht nur schwer nachzuvollziehen. Deshalb würde auch Deutschland mehr Mut zum Risiko gut tun, also mehr Gründer und weniger Fokussierung auf schnurgerade Lebensläufe.
So ist es weltweit um den Gründergeist bestellt
Für den Amway Entrepreneurial Spirit Index (AESI) 2015 haben das Konsumgüterunternehmen Amway und die Technische Universität München 49.775 Menschen aus 44 Ländern dazu befragt, wie erwünscht es in ihrem Heimatland ist, Unternehmen zu gründen, wie leicht es ist, sich selbstständig zu machen und wie es um die Stabilität gegen sozialen Druck bestellt ist. 100 Punkte sind zu erreichen.
Im weltweiten Durchschnitt wird ein Wert von 51 erreicht, in Schulnoten entspräche das einer vier, was die Gründerfreundlichkeit auf unserem Planeten angeht.
Nur in wenigen Ländern ist der Gründergeist noch schwächer ausgeprägt als in Deutschland. Mit einem Indexwert von 31 (von 100 möglichen Punkten) liegt Deutschland nur noch vor Polen, Kroatien und Japan.
In Deutschland ist eine Unternehmensgründung für nur 26 Prozent der Befragten eine erwünschte Karriereoption. Lediglich 29 Prozent halten eine Gründung mit ihren eigenen Fähigkeiten für durchführbar. Immerhin 38 Prozent würden sich von ihrem sozialen Umfeld nicht von der Idee eines eigenen Unternehmens abbringen lassen. Auch die Generation Y in Deutschland steht kaum besser da. Zwar halten 37 Prozent der 14- bis 34-Jährigen eine Gründung für erstrebenswert, allerdings vertraut nur ein Viertel auf seine eigenen Fähigkeiten (26 Prozent).
Türkei
Die Türkei rutscht mit 62 Punkten noch in die Top 10 der AESI 2015 und ist damit eines der freundlichsten Länder für Gründer weltweit.
Brasilien
Knapp hinter der Türkei befindet sich Brasilien mit 69 Punkten. Die persönlichen und sozialen Faktoren, welche die Absichten einer Person beeinflussen, ein Unternehmen zu gründen scheinen hier deutlich über dem weltweiten Durchschnitt zu liegen.
Slowenien
Slowenien ist mit 70 Punkten auf Platz 8 der 44 befragten Länder - ein befriedigendes Ergebnis.
Malaysia
Der Staat in Südostasien belegt mit 73 Punkten Platz 7 des weltweiten Gründergeist-Rankings.
Mexiko
Der Gründergeist Mexikos hat sich mit 74 erreichten Punkten bis auf Platz 6 gekämpft.
Südafrika
74 Punkte erhielt Südafrika als Indexwert, der aus dem Durchschnitt der drei gleich gewichteten Dimensionen "Erwünschtheit", "Durchführbarkeit" und "Stabilität gegen sozialen Druck" gebildet wird.
Vietnam
Mit mehr als drei Viertel (77 Punkte) der erreichbaren Punkte landet Vietnam auf Rang 4 von 44.
Thailand
Ein nahezu ähnlicher Gründergeist besteht in Thailand. Der Staat in Südostasien bekam bei der Umfrage durchschnittlich 79 Punkte.
China
Kurz hinter Indien auf Platz 2 befindet sich China mit ebenfalls 79 Punkten.
Bei Gleichheit des Wertes entscheidet die ungerundete Zahl über den Rang.
Indien
Mit 79 Punkten ist Indien der Spitzenreiter des AESI 2015 und hat somit den weltweit besten Gründergeist.
Douglas ist überzeugt, dass es in 20 Jahren einen signifikanten Anteil an ehemaligen Gründern in Vorständen großer Konzerne geben wird. „Und damit eine Generation an Chefs, die über eine immens hohe Lernagilität verfügt und am eigenen Leib erfahren hat, was es heißt, Risiken einzugehen und mit ihnen umzugehen.“ Aber 20 Jahre lang darauf zu warten, dass die junge Generation die Chefreife erreicht hat und ein Wandel stattfinden kann, dauert einfach zu lange. Es muss schon heute etwas passieren. "Gerade in einer Zeit, in der viele Firmen sich den ‚Unternehmer im Unternehmen‘ wünschen, ist es geboten, sich von den geraden Lebensläufen der Vergangenheit abzuwenden. Und auf diejenigen zu schauen, die das größte Potenzial haben. Um die Probleme von morgen zu lösen", sagt Douglas. Das kann auch jemand sein, der schon einmal mit einem Unternehmen gescheitert ist. Denn auch aus einer Pleite – in Deutschland immer noch ein Tabu - kann man lernen.
Und diese Erfahrung bringen im Unternehmensalltag viel, wie Wink glaubt. „Chefs mit unternehmerischer Erfahrung würden auch heute schon vielen Konzern gut tun“, sagt er. "Nicht umsonst schauen viele Unternehmen auf die Digitalwirtschaft in Berlin und gründen dort eigene Einheiten, die überwiegend von Persönlichkeiten geführt werden, die keine Konzernkarriere gemacht haben."