Haben Frauen heutzutage größere Chancen auf Erfolg?
Ja, auf jeden Fall. Verglichen mit meiner Generation, haben es junge Frauen heute kinderleicht. Kein Gesetz diskriminiert sie, sie dürfen ein Bankkonto eröffnen und studieren, was sie möchten. Das ist ganz selbstverständlich, und so muss es auch sein. Ich möchte natürlich nicht bestreiten, dass es die gläserne Decke noch gibt – sie ist weiterhin sehr dick. Und unsere Kultur macht es Frauen immer noch schwer. Doch ich glaube auch, dass viele Frauen nicht wirklich Lust haben, für einen angemessenen Job zu kämpfen. Es enttäuscht mich, dass sie nur darüber reden, etwas zu tun, was ich schon vor 50 Jahren gemacht habe.
Woran machen Sie das fest?
Daran, dass viele Frauen sich davor scheuen, den Preis des Erfolgs zu bezahlen. Und der ist hoch, sowohl für die Familie als auch für die Gesundheit. Das will ich nicht verheimlichen. Ich hatte keine Zeit, um ins Theater zu gehen oder auf einer Yacht im Meer herumzuschippern. Doch entweder man glaubt an Gleichberechtigung – oder man lässt es.
Adas Erbinnen
Die britische Mathematikerin Ada Lovelace entwickelte Mitte des 19. Jahrhunderts das Programm für eine Rechenmaschine. Diese war ein früher Vorläufer moderner Computer. Daher gilt sie als Softwarepionierin – und ist Namenspatin des ersten Ada Lovelace Festivals, das am 27. und 28. Oktober in Berlin stattfindet. Expertinnen aus der IT-Branche diskutieren dort Branchentrends, Forschungsergebnisse und Erfolgsgeschichten von Frauen. Anmeldungen unter wiwo.konferenz.de/ada
Ihr Einsatz hat sich gelohnt, durch Ihre Softwarefirma wurden Sie zu einer der reichsten Frauen Englands. Haben die Männer Sie dadurch mehr respektiert?
Lassen Sie mich am besten mit einer Anekdote antworten. Als mein Unternehmen startete, meinten Männer zu mir: „Ganz interessant, aber es funktioniert doch nur, weil es so klein ist.“ Als die Firma wuchs, sagten sie: „Ganz nett, aber ohne strategische Bedeutung.“ Und später, als sie drei Milliarden Dollar wert war: „Gut gemacht, Steve.“ Wissen Sie, man erkennt ambitionierte Frauen an der Form ihres Kopfes: Der ist oben ganz platt vom gönnerhaften Tätscheln.
Hat sich das Ansehen der Frauen in der IT-Branche in den vergangenen 50 Jahren denn überhaupt nicht verändert?
Während des Zweiten Weltkriegs war das Programmieren Frauensache. Die Männer kämpften ja an der Front. Da mussten Frauen die Rolle der Programmiererin übernehmen. Dann kamen die Männer zurück, die Frauen verfielen wieder in ihre häusliche Rolle. Und heute habe ich das Gefühl, ist es gesellschaftlich zwar akzeptiert, dass Frauen diese Arbeit theoretisch tun könnten – aber nicht, dass sie es tatsächlich auch tun wollen.
Weil ihnen die Vorbilder fehlen?
Ja, natürlich. Es ist wichtig, dass junge Frauen, die künftig in der IT-Branche eine relevante Rolle spielen sollen, auch geeignete Vorbilder haben. Es gibt einige, aber nicht genug. Und viele von denen leben und arbeiten sehr extrem, sodass sie nur bedingt zum Vorbild taugen. Nehmen Sie die Yahoo-Chefin Marissa Mayer. Nur wenige Menschen schaffen es, einen Konzern zu lenken und mit Zwillingen schwanger zu sein. Das kann und will nicht jede.
Sie flüchteten einst aus Deutschland nach Großbritannien, heute bezeichnen Sie sich als englische Patriotin. Wie können Menschen, die heute nach Europa flüchten, eine ähnlich starke Bindung zu einem fremden Land aufbauen?
Ich wurde damals warmherzig von Fremden aufgenommen. Erst durch diese Unterstützung konnte ich mich entwickeln. Ich bin sehr dankbar, diese Chance bekommen zu haben. So konnte ich zu dem Menschen werden, der ich heute bin. Ich hoffe, dass die Menschen, die jetzt in Europa Schutz suchen, diese Chance auch bekommen.