Drohnenabwehr Ex-Cisco-Chef Chambers investiert in deutsches Start-up

Der Wechsel ins Silicon Valley hat sich für deutsche Gründer ausgezahlt. Jetzt steigt mit John Chambers einer der bestvernetzten Manager des Hightech-Tals als Investor in ihr Start-up ein.

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Zum Schutz gegen Drohnen setzte das Weltwirtschaftstreffen in Davos auf Anti-Drohnen-Technologie

Die Investitionszusage für seine neueste Finanzrunde bekam Jörg Lamprecht, Chef und Mitgründer von Dedrone aus San Francisco, schon nach dem ersten Termin im Januar, innerhalb von 48 Stunden. Nun sind die Verträge unterschrieben.

John Chambers, der den Netzwerkausrüster Cisco zu einem milliardenschweren Konzern und zum zeitweise wertvollsten Unternehmen der Welt aufbaute, steigt höchstpersönlich als Investor in den von drei deutschen Unternehmern gegründeten Spezialisten für Drohnen-Warnsysteme ein. Der ehemalige Cisco-CEO, der im Juli 2015 an die Spitze des Verwaltungsrats des Konzerns aufrückte, führt die 15-Millionen-Dollar-Runde an.

Mit dabei ist auch Felicis Ventures (Fitbit und Cruise) sowie der Uber-Investor Menlo Park Ventures aus der ersten Runde. Damals, im Mai vergangenen Jahres, hatte Dedrone zehn Millionen Dollar eingesammelt. Insgesamt hat das Start-up bislang 28 Millionen Dollar Wagniskapital erhalten. „Ich freue mich, Teil vom Dedrone-Team zu werden“, freut sich Chambers (67), dessen Vermögen auf bis zu einer Milliarde Dollar geschätzt wird.

Damit setzt Lamprecht seine Strategie fort, beim Gewinnen von Investoren besonders auf erfolgreiche und gut vernetzte Gründer und Unternehmenschefs zu setzen. Im Dezember hatte er bereits fünf Silicon-Valley-Gründer gewonnen, die milliardenschwere Unternehmen aufgebaut haben.

„Hier ist alles so schnell und direkt“, schwärmt der Mathematiker an einem Montagmorgen in seinem Büro, einem Dachgeschoss-Loft mit Backsteinziegeln, das wahrscheinlich am besten gegen Drohnenanflüge gesicherte Gebäude in San Francisco.

Genau wegen dieser Dynamik des Hightech-Tals entschieden sich Lamprecht und seine Mitgründer Rene Seeber und Ingo Seebach, ihr 2014 in Kassel gegründetes Unternehmen ins Silicon Valley zu verlegen. Lamprecht kannte sich aus früheren Arbeitsaufenthalten bereits aus.

Die Gründer des Kasseler Start-ups Dedrone: Ingo Seebach, Jörg Lamprecht und Rene Seeber.

Hohe Lebenshaltungskosten sind eben die Eintrittskarte

Trotzdem musste er schlucken, als der Gründer Anfang 2016 mit seiner Frau Annelies und den beiden kleinen Töchtern nach San Francisco zog. Für ein bescheidenes Häuschen muss die junge Familie über 6000 Dollar Miete im Monat berappen. „Das ist eben die Eintrittskarte hier“, zuckt Lamprecht mit den Schultern. „Dafür hat man exzellenten Zugang zu Investoren, den man in Deutschland nicht hat.“ Den neuen Unternehmenssitz wählte Lamprecht nicht nur aus Imagegründen. „Hier ist auch unser derzeit wichtigster Markt“, sagt er. Gefängnisse, Flughäfen, Militär, Polizei, Autohersteller, Raffinerien und Privatleute setzen auf Dedrone, das mittels des Überwachens von Funkwellen und Wifi-Signalen sowie Ultraschall und Infrarotsensoren nahende Flugkörper aufspürt, identifiziert und vor ihnen warnt. Kameras dokumentieren den unbefugten Anflug. Die New York Mets, das Gefängnis von Suffolk County und den Emir von Katar darf das Start-up als Kunden nennen.  Die Telekom schützt in Deutschland zwei ihrer Rechenzentren mit Dedrone und ist mittlerweile der größte Vertriebspartner des Start-ups. Ein prominenter US-Milliardär aus dem Silicon Valley sichert mit Dedrone sein Anwesen vor Spähern ab. Der Umsatz ist laut Lamprecht siebenstellig. Für dieses Jahr hat das Start-up bereits Angebote im Umfang von 20 Millionen Dollar geschrieben.

Den Markt selbst geschaffen

Der Markt steht noch am Anfang. Das US-Marktforschungsunternehmen BIS Research aus Bloomington, Minnesota, schätzt, dass 2016 rund 210 Millionen Dollar mit Drohnen-Abwehrtechnologien umgesetzt wurden. Im Jahr 2022 sollen es rund 1,1 Milliarden Dollar sein. Eine eher konservative Schätzung. Lamprecht glaubt, dass sich künftig jede Institution vor umbenannten Flugkörpern schützen muss. Nicht nur vorm Ausschnüffeln von Daten, sondern auch Attentaten. ISIS-Terroristen nutzen handelsübliche Drohnen, um an ihnen Bomben zu befestigen und sie in Stellungen des Gegners zu fliegen. Die Preise für robuste Fluggeräte sind wegen heftigem Wettbewerbs mittlerweile auf 500 Dollar gepurzelt.

Fakten zu Drohnen

Traditionelle Rüstungskonzerne Boeing, Northrop Grumman und Rheinmetall arbeiten an Systemen. Aber auch Start-ups wie Dedrone bekommen mehr Konkurrenz. So wie das australische Start-up Droneshield, das mit Hilfe von Mikrofonen Drohnen an ihren Fluggeräuschen identifizieren will. Oder Airspace System aus San Francisco, das nicht nur vor Flugkörpern warnt, sondern auch eine Abfangdrohne entwickelt hat, die mit Hilfe eines Netzes Angreifer oder Späher vom Himmel holt. In den Niederlanden gibt es sogar einen Falkner, der seine Greifvögel auf Drohnen abgerichtet hat. In den Markt des Abfangens will Lamprecht derzeit noch nicht einsteigen. Denn das Abfangen von Drohnen ist ein Eingriff in den Flugverkehr und derzeit nur Sicherheitsbehörden vorbehalten. „Das ist uns rechtlich zu riskant“, sagt er. Stattdessen kooperiert er mit Abfangjägern, die mit Hilfe von Netzen, Störsendern oder gar Laserkanonen zurückschlagen. „Den Knopf muss dann der Kunde drücken.“

Den Markt selber geschaffen

15 Leute arbeiten mittlerweile in San Francisco. 45 in Kassel, die meisten in der Entwicklung. Dort befindet sich auch die Drohnen-Sammlung des Start-ups, wahrscheinlich die größte der Welt. Immer wenn es ein neues Modell gibt, kaufen es die Dedrone Ingenieure so schnell wie möglich ein und analysieren es.

Die wichtigsten Drohnen-Regeln im Überblick

Ihr Chef ist ein Drohnen-Veteran. Im Januar 2011 hob er Aibotix aus der Taufe, einen Hersteller von Drohnen, die senkrecht starten und landen konnten und zum Erkunden und Vermessen von Gelände genutzt wurde.

Drei Jahre später verkaufte er das Unternehmen an den Stockholmer Messtechnik-Konzern Hexagon. Nachdem der Verkauf an die Schweden abgeschlossen war, gründete Lamprecht am nächsten Tag seine Drohnen-Abwehrfirma, quasi das Gegenmittel. „Wir haben unseren eigenen Markt geschaffen“, witzelt er. Die vergangenen Monate hat er damit verbracht, gut vernetzte Gründer und Unternehmenschefs als Mitstreiter zu gewinnen. Fünf sagten zu. Ihnen ist gemein, dass sie ihre Start-ups für Milliarden-Beträge veräußerten. So wie Aruba Networks Gründer Dominic Orr, für dessen Netzwerk-Start-up Hewlett Packard 2,7 Milliarden Dollar locker machte. Oder Selina Lo, deren Wlan-Spezialist Ruckus Wireless im vergangenen Jahr für 1,5 Milliarden Dollar an Brocade Communications ging. Die könne er jederzeit anrufen, sie hätten schon ungemein mit ihren Kontakten und Erfahrung geholfen. Auch ein Vorteil gegenüber Deutschland, wo solch aktive Business Angel eher rar sind. „Wer in Deutschland sein Unternehmen ganz groß verkauft hat, zieht sich doch oft in die Schweiz zurück und geht dann segeln“, frotzelt Lamprecht.

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