Unternehmer belohnen sich mit Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit und Zufriedenheit und zahlen mit einem Verzicht auf Freizeit, Geld und Ruhm. Ja, richtig gehört, bekannt zu werden wie Jil Sander oder reich wie Mark Zuckerberg sind Ausnahmeerscheinungen, die die unbestechliche Einkommensstatistik mit Zahlen widerlegt, nach denen Angestellte in Ländern wie Deutschland oder der Schweiz durchschnittlich besser verdienen als Unternehmer. Dafür gehören Entrepreneure zu den glücklichsten Menschen weltweit.
Homo entrepreneurialis
Nach der Glücksforschung hängt unser Glück nicht vom Materiellen ab, und es ist keine lineare Beziehung zwischen Einkommen und Glück zu beobachten. Zwar braucht es Wohlstand zum Glück, aber viel weniger, als wir meinen. Der Weg zum Glück führt über Erfahrungen und gelebtes Engagement. Die Balance zwischen Wohlstand, der mir das Sammeln von Erfahrungen erleichtert, und dem Abwurf von Wohlstandsballast, der einen Gewinn an Zeit und Selbstbestimmung verspricht, ebnet den Weg zu einem selbstbestimmten, unternehmerischen Leben. In einem nationalen Glücksindex findet dies über die unternehmerische Freiheit und Selbstbestimmung mindestens genauso seinen Niederschlag wie im nationalen Wohlfahrtsindex.
Warum die Deutschen gründen
43 Prozent der 5.508 Unternehmen, die in der Zeit von 2005 bis 2007 gegründet wurden, entstanden, weil die Gründer selbstbestimmt arbeiten wollten.
Eine konkrete Geschäftsidee umsetzen wollten 22,5 Prozent der von KfW und ZEW befragten Neugründer.
Die Gründung als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit liegt mit 12,8 Prozent auf Platz drei.
Für gut zehn Prozent gab es keine alternative Beschäftigung in einem Unternehmen.
8,5 Prozent sahen ihre Chance, eine Marktlücke auszunutzen.
Rund zwei Prozent sagten, ihr ehemaliger Arbeitgeber habe eine Gründung forciert.
Steuerliche Anreize waren für 1,5 Prozent ausschlaggebend.
Der unternehmerische Mensch lebt sein Leben mit Unternehmertum. Der Homo entrepreneurialis unternimmt etwas, um zu gestalten, statt zu gewinnen. Im Unterschied zum Homo oeconomicus prägt er damit einen positiven Kapitalismus in einer unternehmerischen Gesellschaft, die keine des Geizes ist. Er lebt ohne den Staat, der ein Menschenbild des „Antragsartisten“ für Grundeinkommen, Stipendien, Förderungen prägt, wie es Günter Faltin, Gründer der Teekampagne, so treffend formulierte.
Der unternehmerische Mensch löst Probleme, im Idealfall nicht nur die eigenen, sondern auch die vieler anderer Menschen, indem er sein Stärkeninventar mit dem Dreiklang seiner bereits vorhandenen Mittel – Wer bin ich? Was kann ich? Wen kenne ich? – einsetzt. Seine Unzufriedenheit mit bestehenden Lösungen wandelt er in positive Energie um, die durch seine Unterforderung im bisherigen Leben kurz vor der Explosion steht.
Gelebtes Unternehmertum
Auch wenn er schon viel probiert hat, nicht immer erfolgreich war und auch keine klare Zielvorstellung hat, nutzt er seine Vorstellungskraft für ein ganzes Zielportfolio. In der Problemlösung mit den Betroffenen entwickeln sich die Geschäftsidee und das Geschäftsmodell. Erst mit der Präsentation des Businessplans in seiner letzten Version als Plan X, Y oder Z erzählt er seine Erfolgsgeschichte, aber auch die Misserfolge, die zu diesem Erfolg durch die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells geführt haben.
Der Unternehmer wird zum modernen Geschichtenerzähler, der andere im Sinne von Aristoteles mit Ethos (Glaubwürdigkeit), Logos (Beweisführung) und Pathos (emotionalem Appell) mitreißt und zum unternehmerischen Tun bewegt. Gemeinsam oder auf unterschiedlichen Pfaden co-kreieren sie eine unternehmerische Gesellschaft, die die Zukunft gestaltet. Ist das der Kern von gelebtem Unternehmertum?
Lassen wir uns auf eine kleine literarische Reise entführen, die zum Nachdenken anregt. Der Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll veröffentlichte vor gut einem halben Jahrhundert in Deutschland eine Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral. In Ausschnitten erzählt sich die Geschichte wie folgt: An der westlichsten Küste Europas wird ein amerikanischer Tourist auf einen einheimischen Fischer aufmerksam, der in seinem Boot liegt und zufrieden vor sich hin döst.
Verwundert fragt der Tourist den Einheimischen, ob er denn nicht zum Fischen hinausfahre, das Wetter sei doch günstig. Der Fischer erzählt dem Fremden, dass er schon am frühen Morgen auf dem Meer gewesen sei und einen derart großen Fang gemacht habe, dass ihm die Fische sogar noch für morgen und übermorgen reichen würden. Doch der Tourist lässt nicht locker. Wenn er ein zweites, ein drittes, vielleicht sogar ein viertes Mal ausfahre, könne er die Fangmenge doch erheblich steigern.