Gründer Wie junge Startups an Geld kommen

Jungunternehmer brauchen vor allem Geld. Davon gibt es in Deutschland zwar genug. Doch geizen viele institutionelle Investoren auch nach dem Ende der Wirtschaftskrise noch mit ihrem Kapital. Wie insbesondere Gründer in der ersten Phase trotzdem an Startgeld kommen - sei es vom Staat, von Banken oder Business Angels.

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Moritz Corbelin, Lena Sönnichsen

Als der Kredit platzte, hätten Lena Sönnichsen und Moritz Corbelin fast aufgegeben. Der Traum vom eigenen Unternehmen schien ausgeträumt: Die ganze Arbeit – umsonst.

Lena Sönnichsen stand vor dem Nichts. Sie hatte ihren Job als PR-Beraterin gekündigt und monatelang an ihrer Geschäftsidee gefeilt, mit potenziellen Kunden gesprochen und Investoren ihre Technologie vorgestellt. Die sollte es Internet-Nutzern ermöglichen, beim Einkaufen in kleineren Online-Shops Bonuspunkte zu sammeln – sogenannte Cashbits. Den kleinen und mittelständischen Händlern sollte Cashbits neue Kunden bringen und alte an sie binden. Die Kunden wiederum sollten Geld sparen können. Corbelin und Sönnichsen brannten für die Idee.

Ein gutes Konzept, fand zunächst auch der Vertreter der Bank. Es ging um einen Kredit in sechsstelliger Höhe. Bei einer Zusage wollten private Investoren, sogenannte Business Angels, noch einmal den gleichen Betrag investieren. Diese Kofinanzierung hätten die Gründer gebraucht, um Cashbits an den Start zu bringen. Dann platzten die Kreditverhandlungen: kein Kredit, kein Kapital, kein Start. Alles aus.

So ergeht es derzeit nicht wenigen Menschen in Deutschland, die vorhaben, sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig zu machen. So ein Start ist teuer. Räume müssen gemietet, Mitarbeiter eingestellt und Werbung bezahlt werden. Zwei von drei Gründern brauchen dafür zusätzliches Kapital, wie der KfW-Gründungsmonitor 2010 belegt.

Doch Startkapital im Wortsinn ist hierzulande Mangelware – auch nach dem Ende der Wirtschaftskrise. Zwar pumpten deutsche Wagnisfinanzierer nach Angaben des Venture-Capital-Panels der Unternehmensberatung Fleischhauer, Hoyer & Partner im zweiten Quartal dieses Jahres 147 Millionen Euro in Startups – mehr als doppelt so viel wie im gleichen Quartal des Krisenjahrs 2009. Doch ein großer Teil davon fließt eben in Unternehmen in der Wachstumsphase, wie auch eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Zusammenarbeit mit Microsoft Deutschland belegt. Also in erwachsenere Startups.

Viele geben auf

Gründer, die genau das machen – gründen –, sind von diesem Stadium aber noch weit entfernt. Effekt: 70 Prozent der Unternehmer, die kein Kapital finden, geben ihr Vorhaben vorzeitig auf.

Wer wissen will, warum so viele Wagnisfinanzierer um Gründer in der sogenannten Seed-Phase einen Bogen machen, muss nur mit Hendrik Brandis sprechen. Der Mitgründer und Partner des Wagniskapitalgebers Earlybird räumt offen ein, sein Geld zurzeit lieber in fortgeschrittene Startups zu stecken.

Der Grund ist simpel: Es gibt hierzulande zu wenige Risikokapitalgeber. Folglich können die sich die reiferen Rosinen herauspicken und so ihr Risiko senken. „Wagniskapital ist der Flaschenhals, durch den viele Startups nicht durchkommen“, gibt Brandis zu. Im Vergleich zu den USA, wo über 800 Venture-Fonds um gute Geschäftsideen buhlen und selbst in schlechten Jahren Milliarden in Startups pumpten, sei Deutschland „eine Wüste“.

Wer also gerade mit dem Gründen anfängt, sollte derzeit lieber öffentliche Förderprogramme nutzen. Die stellen Jungunternehmern auch in frühen Phasen Geld zur Verfügung – als Zuschuss oder Stipendium, in Form eines günstigen Kredits. „Das ist das billigste Geld, das man kriegen kann“, sagt Florian Schweitzer, Mitgründer und Partner des Investoren-netzwerks BrainsToVentures.

Lena Sönnichsen etwa hätte ohne das Geld vom Staat den Absprung nie gewagt. Sie kündigte ihren Job nur, weil sie danach neun Monate lang den Gründungszuschuss von ihrer Arbeitsagentur bekam. Und zwar in Höhe ihres Arbeitslosengeld-Anspruchs plus 300 Euro.

Gründer, die an ihrer Hochschule eine Geschäftsidee entwickeln, können sich zudem um ein Exist-Stipendium des Bundeswirtschaftsministeriums bewerben.

Die Zusage ist bares Geld wert: Hochschulabsolventen erhalten zwölf Monate lang 2000 Euro. Außerdem bekommen Gründer 5000 Euro für Coachings sowie bis zu 17 000 Euro für Sachausgaben.

Auch Jungunternehmer, die mehr brauchen, können auf Staatsgeld hoffen – in Form von Gründer-Darlehen, wie sie etwa die NRW.Bank oder die KfW Bankengruppe zu günstigen Konditionen vergeben.

Coffee Circle Quelle: Stephanie Waldstein

Zu den Profiteuren zählen etwa auch Martin Elwert, Robert Rudnick und Moritz Waldstein-Wartenberg. Die drei haben von der KfW 100.000 Euro bekommen. Mehr als genug, um erst einmal fünf Tonnen Kaffee zu bestellen.

Damit handelt das Berliner Trio: Ihr Startup Coffee Circle importiert ökologisch angebauten Kaffee direkt von Kaffeebauern in Äthiopien. Das Besondere: Wer bei Elwert und Co. die Bohnen bestellt, hilft den Kooperativen vor Ort: Ein Euro des Verkaufspreises fließt in Förderprojekte in Äthiopien zurück. Das ist nicht nur sozial, sondern aus Sicht der Gründer auch ein gutes Verkaufsargument: „Viele Menschen überlegen heute genau, wo sie einkaufen und wem sie damit helfen können“, ist Elwert überzeugt.

Hilfe brauchten sie allerdings auch selbst. Zwar hatte das Trio Geld für die Gründung angespart, doch „ohne das Darlehen von der KfW hätten wir unseren Start verschieben müssen“, sagt Rudnick. Für den Kredit zahlen die Gründer 4,33 Prozent Zinsen und brauchen ihn im ersten Jahr nicht zu tilgen. Allerdings mussten sie eine Lebensversicherung als Sicherheit vorlegen und sich Monate gedulden, bis die Zusage kam. Rudnicks Rat daher: „Man sollte sich möglichst früh um einen Gründerkredit kümmern.“

Wer alle Fördergelder ausgeschöpft hat und nach Alternativen zu Krediten sucht, für den wird Wagniskapital interessant. Geld, das Business Angels und Venture-Capital-Gesellschaften investieren und für das sie Unternehmensanteile erhalten.

Wie viel genau hängt zum einen von der Bewertung des Unternehmens ab und ist zum anderen Verhandlungssache.

„Da gibt es extrem unterschiedliche Strukturen“, hat Stephan Uhrenbacher beobachtet, der mit Philipp Gloeckler das Unternehmen Avocado Store gegründet hat (siehe Gründertagebuch Seite 92). Zuvor gründete Uhrenbacher schon das Bewertungsportal Qype. Und lernte so Geldgeber kennen, die seinen vertraulichen Businessplan einfach in ihrem Netzwerk verteilten, und solche, die mit Unterstützung geizten. „Bevor Gründer mit einem Investor verhandeln, sollten sie mit anderen Gründern sprechen, die denjenigen kennen“, empfiehlt er.

Ein solcher Investor, der durchaus transparent arbeitet, ist selbst ein Startup: HackFwd heißt das Unternehmen, das der Xing-Gründer Lars Hinrichs im Sommer gestartet hat. „Viele Wagnisfinanzierer werden sehr jungen Unternehmen nicht gerecht“, hat Hinrichs festgestellt. HackFwd sucht daher gezielt „Geeks“ – Programmierer und Tüftler mit innovativen Ideen. Menschen wie Oliver Krohne.

Krohne ist Informatiker und kennt sich aus mit Programmiersprachen und Datenbanken. Und er hatte eine gute Idee: Loved.by. Die Internet-Seite ermöglicht ihren Nutzern, Freunden in sozialen Netzwerken lieb gewonnene Produkte zu empfehlen. Folgen die Freunde dem Link und kaufen das Produkt, bekommt Loved.by eine Provision, von der 75 Prozent an den Empfehlenden weitergegeben werden. Wer seine Online-Freunde zum Shoppen animiert, kann also mitverdienen.

Hohe Investition

Spendino

Die Idee hatte Hinrichs schon überzeugt, als sie noch nicht mehr war, „als ein vollgeschriebenes Blatt Papier“, sagt Krohne, der das Startup zusammen mit Thorsten Singhofen aufbaute. In diesem Stadium investierte HackFwd 141.000 Euro – Geld, das vor allem als Gehalt für die Gründer gedacht ist, aber von ihnen auch anderweitig verwendet werden kann.

Außerdem übernimmt HackFwd den Verwaltungskram und hilft beim Marketing, damit die Tüftler sich ganz aufs Tüfteln konzentrieren können. Dafür verlangen Hinrichs und seine Partner 30 Prozent der Anteile am Unternehmen. Das ist eine Menge – aber für Geeks in der Frühphase eine hilfreiche Alternative zu Banken und Wagnisfinanzierern.

Gute Business Angels bieten Startups nicht nur Geld, sondern auch Expertise und Kontakte. Doch sollten Gründer genau auswählen, mit wem sie sich einlassen, rät Florian Nöll. Er hat zusammen mit Sascha Schubert und Martin Müller Spendino gegründet, das es Organisationen ermöglicht, Spenden per SMS und übers Internet einzusammeln.

Den Start finanzierten sie mithilfe von „Family, Friends and Fools“ – Familie, Freunden und Verrückten, die einige Tausend Euro zuschossen. Spendino wuchs und lockte Business Angels an. Nöll und Schubert wollten aber nicht irgendwen, sondern vor allem Partner, die „unsere Technologie und den Markt verstehen und Ausdauer haben“.

Also sprachen mit vielen potenziellen Geldgebern. Einige wollten zu viele Mitbestimmungsrechte, anderen eilte ein schlechter Ruf voraus. Trotzdem wurden sie fündig: Rund 20 Angels investierten jeweils um die 15.000 Euro in das Startup.

Inzwischen setzen zwei Drittel der 20 größten Hilfsorganisationen auf dessen Technologie. Jetzt brauchen die Gründer wieder Geld, um zu expandieren: Die Beteiligungsgesellschaft der Investitionsbank Berlin, eine Förderbank des Landes, investiert einen sechsstelligen Betrag.

Das Beispiel zeigt, wie wirkungsvoll Business Angels den Weg zu größeren Wagnisfinanzierern ebnen können. Die gute Nachricht ist zugleich eine schlechte: In Deutschland gibt es zwar immer mehr Engel – es sind aber immer noch zu wenige.

Schätzungen des Business Angel Netzwerks Deutschland (BAND) zufolge investieren hierzulande etwa 5000 Angels pro Jahr bis zu 300 Millionen Euro. In den USA gibt es 40 Mal so viele Angels, die rund 100 Mal so viel investieren. Noch dazu geben sich die deutschen Himmelshelfer zurzeit „so zugeknöpft wie noch nie“, heißt es in einer aktuellen Umfrage des BAND.

Trotzdem sollte man die Hoffnung nicht zu früh aufgeben, wie das Beispiel von Lena Sönnichsen und Moritz Corbelin zeigt: Nachdem ihr Bankkredit geplatzt war, hatten die Business Angels, mit denen sie im Gespräch waren, ein Einsehen und schossen den fehlenden Betrag kurzerhand nach. Für die Gründer war das die Rettung in letzter Sekunde.

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