Gaby Lingath ist eine von ihnen. Als die Berlinerin vor gut 15 Jahren ins Online-Marketing einstieg, entschied sie sich bewusst gegen die Selbstständigkeit, weil sie als junge Mutter die Sicherheit einer Festanstellung schätzte. Mehrmals wechselte sie Job und Arbeitgeber. Und merkte, dass die Kompromisse beim Gehalt und ihrer Entscheidungsfreiheit immer größer wurden.
Also wechselte die Berlinerin 2009 auf eine Teilzeitstelle und gründete parallel und nach langem Zögern ihr eigenes Unternehmen: Link SEO, eine Agentur für Online-Marketing und Suchmaschinenoptimierung. „Der Teilzeitjob hat mir geholfen, Miete und Strom zu bezahlen“, erzählt Lingath, „denn am Anfang habe ich mit dem eigenen Unternehmen wenig verdient.“
Warum Gründer im Nebenerwerb starten
Um eine Basis für Selbstständigkeit im Vollerwerb zu schaffen.
Quelle: KfW, Inmit/Uni Trier
Um Geschäftsideen erproben zu können.
Um durch Sozialversicherungen geschützt zu sein.
Um das finanzielle Risiko zu verringern.
Um eine Erwerbsalternative zu haben.
Um finanziell abgesichert zu sein.
Um Fähigkeiten zu nutzen.
Mit der Zeit lief das Geschäft mit der Agentur immer besser, und so trennte sich Lingath nach gut einem Jahr einvernehmlich von ihrem Arbeitgeber und konnte sich fortan komplett auf ihr eigenes Unternehmen konzentrieren. Dabei halfen ihr der Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit und die Berliner Gründerinnenzentrale. Inzwischen läuft Lingaths Agentur gut, und sie hat mehrere Angebote, sich wieder fest anstellen zu lassen, dankend abgelehnt. „Ich konnte mir zwar noch keinen Karibikurlaub leisten“, sagt die Unternehmerin, „aber ich habe inzwischen viele Mittelständler und Kleinunternehmer als Kunden und verdiene heute mehr als in der Festanstellung.“
Das Modell, die Selbstständigkeit erst neben dem Job auszuprobieren, empfiehlt sie auch anderen Gründerinnen und Gründern. „Wichtig ist, den besten Zeitpunkt für den Absprung nicht zu verpassen“, sagt Lingath, „denn wenn es gut läuft, erfordert das eigene Unternehmen irgendwann die volle Konzentration.“
Den Absprung wagen
Laut Inmit-Studie kann sich auch gut die Hälfte der Teilzeitunternehmer vorstellen, den Job irgendwann aufzugeben, um sich voll aufs eigene Unternehmen zu konzentrieren. Und immerhin jeder vierte ist bereits dabei, den Schritt ins Risiko zu wagen, oder bereitet ihn gerade vor.
Bei Matthias Ebecke und Tobias Rottwinkel reifte der Wunsch langsam, aber stetig: Die beiden haben im rheinischen Leichlingen Verleih-ER gegründet – ein Unternehmen, das Mobiliar für Feste im Freien vermietet. Auf die Idee kamen sie, weil sie in ihrer Zeit als Studenten und Lokalpolitiker immer wieder selbst Hüpfburgen für Feste ausgeliehen, dann selbst eine angeschafft und sie übers Internet probehalber zur Vermietung angeboten hatten. Weil das Interesse riesig war, kauften sie weitere Hüpfburgen nach. Und können heute gut vom Verleih leben: Neben den Hüpfburgen haben sie Zelte, Sonnenschirme und Stehtische im Angebot, die sich in ihrer Lagerhalle in hohen Regalen stapeln.
Aber selbst wenn es so rundläuft, muss man seinen Job nicht unbedingt aufgeben. Man kann es auch so machen wie Kilian Jay von Seldeneck. Zwar hat er in seinem Job als Auktionator und Leiter der Berliner Filiale des Kunsthauses Lempertz genug zu tun: Bilder und Skulpturen einwerben, Informationen über die Künstler sammeln, Kataloge zusammenstellen und Bietern die Auktionen vor Ort schmackhaft machen. „Ich schwinge nicht einfach nur den Hammer“, sagt Seldeneck, „der Auktionstag selbst ist nur der Höhepunkt, dem eine lange Planung vorausgeht.“