Die Gründe, warum Menschen sich selbstständig machen, sind weltweit dieselben. Ob in Südafrika, Indien oder Mexiko, wer sich selbstständig macht, tut dies, um seine Ideen Wirklichkeit werden zu lassen, weil der eigene Chef ein Idiot ist und die Kollegen Nervensägen sind, weil sich so persönliche Ziele, Familie und Berufsleben besser vereinbaren lassen - oder weil es schlicht keine andere Alternative gibt. Das belegt der aktuelle Global Entrepreneurship Report 2016 des US-Konsumgüterunternehmens Amway und Isabell M. Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München (TUM).
In deren Auftrag befragte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) 50.861 Männer und Frauen aus 44 Ländern dazu, wie erwünscht es in ihrem Heimatland ist, Unternehmen zu gründen. Außerdem wurde danach gefragt, wie leicht es ist, sich selbstständig zu machen und wie es um den eigenen Gründergeist bestellt ist. Das Resultat: 56 Prozent aller Befragten weltweit halten die Gründung eines Unternehmens als erstrebenswert. 46 Prozent sind der Meinung, sie besäßen die notwendigen Voraussetzungen für ein Dasein als Unternehmer. Außerdem erwarten 39 Prozent aller Befragten, dass die Zahl der Selbständigen künftig zunehmen wird. In Deutschland sind es dagegen nur 31 Prozent.
Fester Arbeitsvertrag statt Unternehmergeist
Allgemein sind die Deutschen im internationalen Vergleich eher Gründungsmuffel. Während sich 80 Prozent der Kolumbianer vorstellen können, ein eigenes Unternehmen zu gründen, sind es deutschlandweit nur 34 Prozent. Und während 99 Prozent der Norweger sagen, dass sie Gründern und jungen Unternehmen gegenüber positiv eingestellt sind, sind es in Deutschland bloß 63 Prozent.
So denkt die Welt über Selbstständigkeit
Für den Amway Entrepreneurial Spirit Index (AESI) 2016 haben das Konsumgüterunternehmen Amway, die Technische Universität München und die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) 50.861 Männer und Frauen aus 44 Ländern dazu befragt, wie erwünscht es in ihrem Heimatland ist, Unternehmen zu gründen, wie leicht es ist, sich selbstständig zu machen und wie es um die Stabilität gegen sozialen Druck bestellt ist. 100 Punkte sind zu erreichen.
Das Resultat: 56 Prozent aller Befragten weltweit erachten die Gründung eines Unternehmens als erstrebenswert. 46 Prozent sind der Meinung, sie besäßen die notwendigen Voraussetzungen dafür. 49 Prozent würden sich nicht davon abhalten lassen, wenn ihnen ihre Familie oder Freunde davon abraten.
47 Prozent der Befragten in der EU erachten eine Unternehmensgründung als erstrebenswert. 40 Prozent sehen sich dazu in der Lage und 48 Prozent würden sich nicht davon abbringen lassen.
35 Prozent der befragten Männer halten eine Selbständigkeit für wünschenswert und 38 Prozent glauben auch, aus der Idee ein erfolgreiches Unternehmen machen zu können. 43 Prozent sind außerdem überzeugt, sich auch gegen Widerspruch aus dem sozialen Umfeld durchsetzen zu können. Bei den Frauen halten 27 Prozent die Selbständigkeit für erstrebenswert. Dass es mit dem eigenen Unternehmen klappen kann, glauben 26 Prozent. 37 Prozent sagen, dass sie im Zweifelsfall auf die Meinung von Freunden und Familie pfeifen und trotzdem gründen würden.
Junge Menschen wollen gründen, ältere wünschen sich einen sicheren Job: Jedenfalls nimmt die Zahl derer, die eine Selbständigkeit als wünschenswert betrachten, mit zunehmendem Alter deutlich ab. In der Altersgruppe jenseits der 50 halten nur noch 21 Prozent eine Unternehmensgründung für eine gute Idee. Bei den Befragten unter 35 Jahren waren es 43 Prozent, in der Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen 37 Prozent. Dafür ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten in der Gruppe der 35 bis 49-Jährigen am stärksten und sie scheinen am stabilsten gegen sozialen Druck zu sein.
Akademiker interessieren sich eher für eine Selbstständigkeit als Menschen ohne Uniabschluss. So halten 34 Prozent der Uniabsolventen die Gründung eines Unternehmens für erstrebenswert, in der Vergleichsgruppe sind es 31 Prozent.
Befragte mit Abschluss verfügen außerdem über ein sehr viel höheres Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als Befragte ohne Abschluss. Hinsichtlich der Stabilität gegenüber sozialem Druck sind Absolventen ebenfalls deutlich positiver als Nicht-Absolventen.
31 Prozent der Befragten halten die Gründung eines Unternehmens für erstrebenswert (2015: 26 Prozent). 32 Prozent der deutschen Befragten glauben, dass sie auf eine Gründung gut vorbereitet wären (2015: 29 Prozent). 40 Prozent sind der Meinung, dass sie sich von einer Unternehmensgründung nicht abhalten ließen, wenn ihre Familie oder Freunde sie davon abbringen wollten (2015: 38 Prozent).
Insgesamt sind 63 Prozent aller befragten Deutschen Unternehmensgründungen gegenüber positiv eingestellt. Im internationalen Vergleich landen die Deutschen damit auf Platz 40 - von 44.
Mehr als jeder zweite befragte Taiwanese (52 Prozent), hält es für erstrebenswert, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Noch deutlich mehr, nämlich 88 Prozent, finden es gut, wenn andere den Mut haben, sich selbstständig zu machen. Was die Offenheit gegenüber Gründern und start-ups angeht, landet Taiwan damit auf Platz zehn im internationalen Vergleich.
88 Prozent der befragten Schweizer finden es gut, wenn sich andere selbstständig machen. 45 Prozent halten es für wünschenswert, sich selbst einmal aufs unternehmerische Parkett zu wagen.
43 Prozent der befragten Kanadier können sich vorstellen, sich selbstständig zu machen. 88 Proozent der Befragten sind Unternehmensgründungen gegenüber positiv eingestellt.
In Kolumbien ist der Gründergeist weltweit am höchsten: 80 Prozent der Befragten können sich gut vorstellen, sich selbstständig zu machen. 89 Prozent sind Unternehmensgründungen gegenüber positiv eingestellt. Im internationalen Vergleich macht das Platz sieben.
Selbst die Esten sind gründerfreundlicher als die Deutschen: 91 Prozent der befragten Einwohner Estlands sind Start-ups gegenüber aufgeschlossen, 48 Prozent können sich vorstellen, selbst zu gründen.
In Mexiko ist die Bereitschaft, sich selbstständig zu machen, weltweit am zweithöchsten: 73 Prozent der befragten Mexikaner können sich vorstellen, zu gründen. 92 Prozent sind Unternehmensgründungen gegenüber positiv eingestellt. Das beschert Mexiko Platz fünf bei der Gründerfreundlichkeit.
Schweden belegt in punkto Aufgeschlossenheit gegenüber Gründern Platz vier im internationalen Vergleich: 93 Prozent der Schweden sind jungen Unternehmen gegenüber positiv eingestellt. 51 Prozent denken darüber nach, sich selbst als Unternehmer zu versuchen.
Auf Platz drei der gründerfreundlichsten Nationen liegt Dänemark: 94 Prozent der Befragten finden es gut, wenn sich andere selbstständig machen. 40 Prozent können sich vorstellen, selbst einmal ein Unternehmen zu gründen.
Auch in Vietnam sind die Menschen Gründern gegenüber aufgeschlossen: 95 Prozent stehen Start-ups positiv gegenüber, 58 Prozent könnten sihc eine Selbstständigkeit vorstellen.
Das gründerfreundlichste Völkchen sind die Norweger. Hier können sich zwar nur 36 Prozent vorstellen, einmal ein eigenes Unternehmen ins Leben zu rufen. Dass sich andere selbstständig machen, finden dafür 99 Prozent der Befragten gut.
Ein unbefristeter Arbeitsvertrag gilt vielen als Nonplus-Ultra. Entsprechend ist die Zahl der Selbständigen in Deutschland seit dem Beginn der Industrialisierung kontinuierlich zurückgegangen.
"Laut einer aktuellen Befragung unter Studierenden ist die am stärksten präferierte Beschäftigungsart nach dem Studium eine Karriere als Beamter", sagt Welpe. Sicherheit geht in Deutschland vor. Auch die Zahl der Unternehmen in Deutschland geht zurück. "Die Bedingungen für innovative Start-ups sind in Deutschland nicht gut genug, um eine Trendwende zu mehr Gründungen einleiten zu können", sagt Andreas Pinkwart, Rektor der HHL Leipzig Graduate School of Management. Ein wichtiger Grund dafür sei das fehlende Risikokapital - aber auch der eher schlechte Gründergeist dürfte eine Rolle spielen.
Den Frauen fehlen die Vorbilder
Besonders bei den deutschen Frauen ist es damit nicht weit her: Haben 66 Prozent der Männer eine positive Einstellung zu Selbständigkeit, gilt dies nur für 61 Prozent der Frauen. Darüber hinaus halten es nur 27 Prozent der deutschen Frauen für erstrebenswert, ihr eigener Boss zu sein (2015: 21 Prozent). Zum Vergleich: Bei den Männern wünschen sich 35 Prozent, einmal ein eigenes Unternehmen zu führen.
"Mädels, traut euch"
Entsprechend gering ist der Anteil der Gründerinnen in Deutschland: 87 Prozent aller Unternehmen werden hierzulande von Männern gegründet. Bei Tech- und Fintechs kann man die Frauen mit der Lupe suchen. "Es besteht eindeutig Handlungsbedarf", sagt Julia Lutter-Müller, Leiterin der Studie bei Amway. Es fehlt also, wie so oft, an positiven weiblichen Vorbildern. "Die zahlreichen Erfolgsgeschichten von Gründer- und Unternehmerinnen erhalten viel zu wenig mediale Aufmerksamkeit. Gründungsinteressierte sollten sich jedoch von genau diesen Erfolgsgeschichten inspirieren lassen."
Sie sagt: "Viele Frauen haben exzellente Ideen und Fähigkeiten. Dieses Potential geht noch viel zu oft verloren." Doch das scheinen die Frauen nicht zu glauben. Auf die Frage, ob sie glauben, das Zeug zur Unternehmerin zu haben, antworteten 74 Prozent mit "Nein". Umgekehrt heißt das: Nur 26 Prozent der Frauen haben Vertrauen in ihre Gründerfähigkeiten – bei den Männern sind es dagegen 38 Prozent. Und von den Frauen, die sich eine Gründung zutrauen, würden sich auch noch 63 Prozent die Idee wieder aus dem Kopf schlagen, wenn Partner, Freunde oder Familie dagegen wären.