Gründergeist Die Frauen trauen sich nicht

87 Prozent aller Unternehmen werden in Deutschland von Männern gegründet. In der Tech- und Fintech-Szene sind Gründerinnen noch seltener. Einer Studie zufolge zweifeln besonders deutsche Frauen an ihren Fähigkeiten.

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Um den Gründergeist deutscher Frauen steht es nicht gut. Quelle: Fotolia

Die Gründe, warum Menschen sich selbstständig machen, sind weltweit dieselben. Ob in Südafrika, Indien oder Mexiko, wer sich selbstständig macht, tut dies, um seine Ideen Wirklichkeit werden zu lassen, weil der eigene Chef ein Idiot ist und die Kollegen Nervensägen sind, weil sich so persönliche Ziele, Familie und Berufsleben besser vereinbaren lassen - oder weil es schlicht keine andere Alternative gibt. Das belegt der aktuelle Global Entrepreneurship Report 2016 des US-Konsumgüterunternehmens Amway und Isabell M. Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München (TUM).

In deren Auftrag befragte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) 50.861 Männer und Frauen aus 44 Ländern dazu, wie erwünscht es in ihrem Heimatland ist, Unternehmen zu gründen. Außerdem wurde danach gefragt, wie leicht es ist, sich selbstständig zu machen und wie es um den eigenen Gründergeist bestellt ist. Das Resultat: 56 Prozent aller Befragten weltweit halten die Gründung eines Unternehmens als erstrebenswert. 46 Prozent sind der Meinung, sie besäßen die notwendigen Voraussetzungen für ein Dasein als Unternehmer. Außerdem erwarten 39 Prozent aller Befragten, dass die Zahl der Selbständigen künftig zunehmen wird. In Deutschland sind es dagegen nur 31 Prozent.

Fester Arbeitsvertrag statt Unternehmergeist

Allgemein sind die Deutschen im internationalen Vergleich eher Gründungsmuffel. Während sich 80 Prozent der Kolumbianer vorstellen können, ein eigenes Unternehmen zu gründen, sind es deutschlandweit nur 34 Prozent. Und während 99 Prozent der Norweger sagen, dass sie Gründern und jungen Unternehmen gegenüber positiv eingestellt sind, sind es in Deutschland bloß 63 Prozent.

So denkt die Welt über Selbstständigkeit

Ein unbefristeter Arbeitsvertrag gilt vielen als Nonplus-Ultra. Entsprechend ist die Zahl der Selbständigen in Deutschland seit dem Beginn der Industrialisierung kontinuierlich zurückgegangen.

"Laut einer aktuellen Befragung unter Studierenden ist die am stärksten präferierte Beschäftigungsart nach dem Studium eine Karriere als Beamter", sagt Welpe. Sicherheit geht in Deutschland vor. Auch die Zahl der Unternehmen in Deutschland geht zurück. "Die Bedingungen für innovative Start-ups sind in Deutschland nicht gut genug, um eine Trendwende zu mehr Gründungen einleiten zu können", sagt Andreas Pinkwart, Rektor der HHL Leipzig Graduate School of Management. Ein wichtiger Grund dafür sei das fehlende Risikokapital - aber auch der eher schlechte Gründergeist dürfte eine Rolle spielen.

Den Frauen fehlen die Vorbilder

Besonders bei den deutschen Frauen ist es damit nicht weit her: Haben 66 Prozent der Männer eine positive Einstellung zu Selbständigkeit, gilt dies nur für 61 Prozent der Frauen. Darüber hinaus halten es nur 27 Prozent der deutschen Frauen für erstrebenswert, ihr eigener Boss zu sein (2015: 21 Prozent). Zum Vergleich: Bei den Männern wünschen sich 35 Prozent, einmal ein eigenes Unternehmen zu führen.

"Mädels, traut euch"

Entsprechend gering ist der Anteil der Gründerinnen in Deutschland: 87 Prozent aller Unternehmen werden hierzulande von Männern gegründet. Bei Tech- und Fintechs kann man die Frauen mit der Lupe suchen. "Es besteht eindeutig Handlungsbedarf", sagt Julia Lutter-Müller, Leiterin der Studie bei Amway. Es fehlt also, wie so oft, an positiven weiblichen Vorbildern. "Die zahlreichen Erfolgsgeschichten von Gründer- und Unternehmerinnen erhalten viel zu wenig mediale Aufmerksamkeit. Gründungsinteressierte sollten sich jedoch von genau diesen Erfolgsgeschichten inspirieren lassen."

Sie sagt: "Viele Frauen haben exzellente Ideen und Fähigkeiten. Dieses Potential geht noch viel zu oft verloren." Doch das scheinen die Frauen nicht zu glauben. Auf die Frage, ob sie glauben, das Zeug zur Unternehmerin zu haben, antworteten 74 Prozent mit "Nein". Umgekehrt heißt das: Nur 26 Prozent der Frauen haben Vertrauen in ihre Gründerfähigkeiten – bei den Männern sind es dagegen 38 Prozent. Und von den Frauen, die sich eine Gründung zutrauen, würden sich auch noch 63 Prozent die Idee wieder aus dem Kopf schlagen, wenn Partner, Freunde oder Familie dagegen wären.

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