Karrieren Die älteste Designerin der Welt

Die Amerikanerin Barbara Beskind berät die Designschmiede Ideo bei Entwürfen für die ältere Generation – mit 91 Jahren.

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Die älteste Designerin der Welt, Barbara Beskind arbeitet für Ideo. Quelle: Ideo / Nicolas Zurcher

Die internationale Karriere von Barbara Beskind begann mit einer Fernsehreportage über das Unternehmen Ideo. Darin verriet Gründer David Kelley das Geheimnis erfolgreichen Designs. Es gehe darum, die wahren Bedürfnisse der Nutzer zu ergründen und in Produkte umzusetzen, die sie auch tatsächlich nutzen. „Dazu brauchen wir Kreative mit möglichst viel Lebenserfahrung aus allen Bereichen der Gesellschaft“, sagte Kelley, der mit seinem Unternehmen Kunden wie Ikea und Lufthansa berät.

Beskind sah die Sendung in ihrem Heim für betreutes Wohnen im Silicon Valley. Oder sagen wir besser: hörte sie. Denn ihre Augen sind nicht mehr allzu gut. „Ich fühlte mich sofort von Kelleys Worten angesprochen“, erinnert sie sich. Deshalb wollte sie ihre Erfahrung einbringen. „Ich bin zwar fast 90 Jahre alt“, schrieb sie mühsam in ihrer Bewerbung. „Aber ich bin bei guter Gesundheit, konstruktiv und habe Erfahrung im Design. Vor allem habe ich viele Ideen und möchte gern mit anderen zusammenarbeiten, die kreativ sind und sich als Problemlöser verstehen.“ Ihre Freunde im Altenheim waren skeptisch, als Beskind den Brief in einen Umschlag steckte und an Ideo schickte. „Das wird Wochen dauern, bis du etwas hörst – wenn überhaupt.“

Wenige Tage später rief Ideo-Managerin Gretchen Addi zurück und lud Beskind zum Vorstellungsgespräch.

Zwei Jahre später sitzt Beskind in einem hellen Konferenzraum in San Francisco. Die Ideo-Büros liegen direkt am Wasser, im Schatten der Bay Bridge, die die Stadt mit Oakland verbindet. Beskind ist charmant, sorgsam frisiert, mit auffälligem Schmuck. Vor allem aber mit hellwachem Geist und trockenem Humor. „Es hat sich anscheinend noch niemand getraut, mich eine alte Frau zu nennen“, scherzt sie zu Gesprächsbeginn. Nicht nur aus Respekt, sondern auch wegen der Energie, die in ihrer Stimme steckt. Beskind weiß, was sie will – und auch, was sie nicht will: schlechtes Design für Senioren, das an deren Bedürfnissen vorbeigeht. Und das will sie ändern.

Die häufigsten Todesursachen in Deutschland
Im Jahr 2013 verstarben in Deutschland insgesamt 893.825 Menschen, davon 429.645 Männer und 464.180 Frauen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ist damit die Zahl der Todesfälle gegenüber dem Vorjahr um 2,8 Prozent angestiegen. Durch einen Suizid beendeten 10.076 Menschen ihr Leben, wobei der Anteil der Männer mit 73,9 Prozent fast dreimal so hoch war wie der Anteil der Frauen mit 26,1 Prozent. Quelle: dpa
In 10.842 Fällen (4 972 Männer und 5 870 Frauen) war ein Sturz die Ursache für den Tod. Quelle: dpa
Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten waren für 18.475 Sterbefälle verantwortlich. Quelle: dpa
3,8 Prozent aller Todesfälle waren auf eine nicht natürliche Todesursache wie zum Beispiel eine Verletzung, einen Unfall oder eine Vergiftung zurückzuführen (34.133 Sterbefälle). Quelle: dpa
Eine deutliche Zunahme um 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist bei den Psychischen und Verhaltensstörungen festzustellen. Hieran verstarben 2013 insgesamt 36.117 Menschen, davon 14.241 Männer und 21.876 Frauen. In 80 Prozent dieser Sterbefälle war eine Demenzerkrankung die Todesursache. Quelle: dpa
Die Zahl der Sterbefälle infolge von Krankheiten des Verdauungssystems betrug im vergangenen Jahr 40.112. Das entspricht einer Rate von 4,5 Prozent. Quelle: dpa
Mann packt scih an die Brust Quelle: dpa

Die 91-Jährige ist wahrscheinlich die älteste aktive Produktdesignerin der Welt, zumindest bei einem Branchenstar. Ideo versteht sich als globale Design- und Innovationsberatung und profitiert enorm von seiner freien Mitarbeiterin. Nicht nur, weil diese inzwischen ein internationaler Medienstar ist, interviewt von NBC und BBC, „Wall Street Journal“ und „New York Times“.

Star im Seniorenheim

Seit zwei Jahren kommt Beskind meist donnerstags in die Firmenzentrale, um beispielsweise an Mode für die ältere Generation zu arbeiten. „Wir werden ja alle im Alter meist kleiner, Rücken und Schultern beugen sich“, sagt sie, „traditionelle Kleidung berücksichtigt das leider nicht.“

Außerdem tüftelt sie an Gehstöcken, die den Nutzer durch bessere Balance vor Stürzen bewahren sollen.

„Hinzufallen ist die größte Gesundheitsgefahr für Senioren“, warnt Beskind. „Ich will älteren Leuten helfen, die nicht so gesund sind wie ich“, beschreibt sie ihre Mission. Viele Produkte für ihresgleichen seien falsch konzipiert. Vor allem, weil ihre Schöpfer sich nicht in deren Nutzer hineinversetzen könnten.

Den innovativen Unternehmen gehört die Zukunft. Wie Unternehmen Boden für Neues bereiten und was sie von Start-Ups lernen können, erforscht der Innovations-Experte Jerome Engel von der Berkeley Universität Kalifornien.

Rückspiegel für die Gehhilfe

Erfahrung mit gut gemeinten, aber schlecht gemachten Produkten hat sie genug. 44 Jahre lang arbeitete sie als Ergotherapeutin, unter anderem am Walter Reed Hospital. An der ehemals renommiertesten Klinik des Militärs half sie verwundeten US-Soldaten, mit Prothesen umzugehen und Besteck zu halten. „In den Fünfziger- und Sechzigerjahren gab es eine Menge ausgeklügelte Hilfsvorrichtungen, mit Gummibändern und Greifern“, erinnert sie sich. „Aber wir wussten alle, dass der Veteran die zu Hause nie benutzen wird, weil schon ihr Anlegen viel zu umständlich war.“

Unter den 150 Mitbewohnern im Seniorenheim ist Beskind ein Star. Ein befreundeter Herr beklagte sich, dass ihm oft andere beim Gehen freundschaftlich auf den Rücken klopfen würden. Jedes Mal erschrak er, weil er sie wegen seiner schlechten Ohren nicht kommen hörte. Für seine Gehhilfe bastelte Beskind ganz pragmatisch ein Gestell mit einem kleinen Rückspiegel. Nun sieht er, wenn sich von hinten jemand nähert. Auch bei Ideo ist sie als Kreative geschätzt. „Barbara zeigt uns, dass hohes Alter innovativem Denken nicht im Weg steht“, lobt Ideo-Gründer Kelley.

Fast eine Stunde hat Beskind erzählt, über ihren Eintritt ins Militär 1946, den Koreakrieg, das Nachkriegsdeutschland. Noch immer sprudelt sie vor Ideen für bessere Schuhe, Telefone und Brillen. „Ich sollte vielleicht nicht so viel preisgeben“, sagt sie. Durch ihre Erfahrung mit Journalisten geschult, schärft sie zum Abschied noch mal ein: „Ich habe nur ein Patent, nicht mehrere. Und war auch nur 20 Jahre bei der Armee. Ist das klar?“ Keine Frage, die Frau weiß, was sie will.

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