Querdenker Die Erfolgsrezepte von zehn Regelbrechern

Kreative Querdenker sind gefragt Quelle: imago, Montage

Nicht jede Disruption erfordert eine Revolution. Manchmal reicht es schon, eine Kleinigkeit zu verändern – wie diese zehn Kreativen zeigen.

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Es gibt eine schöne Anekdote über den Künstler Damien Hirst. Der hatte mal die Idee, Tierkadaver in Formaldehyd einzulegen und in Museen auszustellen. Eines Tages murrte ein Besucher, auf die Idee hätte ja jeder kommen können. Darauf Hirst: „But I did.“ Drei Wörter, die den Geist des Erfindertums perfekt versinnbildlichen. Denn dazu gehört nicht nur die Kreativität, eine Idee zu haben – sondern auch der Mut, sie umzusetzen. Zehn Menschen, die es anders machten.

1. Der Verkäufer

Christopher Bailey pfeift auf Regeln. Als Chef des Modehauses Burberry gelang es dem 46-jährigen Designer nicht nur, die angestaubte britische Marke zu modernisieren, sondern gleichzeitig mit vermeintlichen Dogmen der Branche zu brechen. Bailey entschied, Männer- und Frauenmode in einer gemeinsamen Modeshow zu zeigen und via Livestream zu übertragen – und die dort präsentierten Kollektionen nicht erst Monate später, sondern sofort zu verkaufen. Andere Labels wie Tommy Hilfiger und Tom Ford machten es ihm nach. Nach 17 Jahren wird Bailey das Unternehmen im März verlassen.

Manager verraten ihr Erfolgsgeheimnis
James Dyson, Designer, Erfinder und Gründer des Unternehmens Dyson"Ich liebe Fehlschläge. Aufgegeben habe ich nie. In den 1980er Jahren habe ich in meiner Werkstatt an 5126 Staubsauger-Prototypen getüftelt, die alle nicht funktionierten. Aber Nummer 5127 tat, was er sollte. Der Erfolg von Dyson geht zurück auf den einzigartigen Pioniergeist und außergewöhnlichen Einsatz aller meiner Ingenieure."
Simone Frömming, Deutschland-Chefin von VMware, einem der Top-Ten-Softwareproduzenten"Über Nacht zur Führungskraft? Bei mir war das genau der Fall! Bei einem Vortrag zum Thema "Go-To-Market im Softwarevertrieb" konnte ich meinen damaligen Geschäftsführer derart überzeugen, dass er mich von heute auf morgen befördert hat. Alle meine Ideen waren recht unpolitisch und leidenschaftlich - aber dafür stets zielorientiert. Als Account Managerin hätte ich damals nie gedacht, dass ein einzelner Vortrag der Wendepunkt meiner ganzen Karriere sein kann. Nach einem ersten sprachlosen Moment hat mich dieses Angebot aber darin bestätigt, Dinge auch entgegen der gängigen Meinung anzusprechen und verändern zu wollen. Eine wichtige Eigenschaft in der IT-Branche, in der jeden Tag aufs Neue ein Wettrennen um aufregende Ideen ausgetragen wird. Und letztlich auch eine Eigenschaft, die mich dahin gebracht hat, wo ich heute stehe."
Eckart von Hirschhausen, Moderator und Kabarettist, gelernter Mediziner"1997 wurde ich von einem Radiosender engagiert für eine Tour durch Kinderkrankenhäuser. In der Kinderpsychiatrie in München machte ich eine Zaubershow. Alle Kinder wurden involviert, mussten laut zählen, pusten und mitmachen. Nach der Show kam ein Arzt auf mich zu und erzählte von einem kleinen „Wunder“. Ein Junge war seit Wochen schon in Behandlung wegen „Mutismus“, einer seelischen Störung bei der Kinder aufhören zu sprechen. Der Junge „vergaß“ während der Show seine Störung und machte munter mit. Seitdem nehme ich die Rolle von positiven Gemeinschaftserlebnissen, von Humor, Musik, Kunst und anderen Wegen uns zu „verzaubern“ viel ernster, seit 2006 auch mit meiner Stiftung Humor hilft heilen."
Richard Quest, Chef der Wirtschaftsredaktion und Anchorman bei CNN Gibt es einen Moment, an den ich zurückdenke und sagen kann „Heureka!“, das war der Moment, an dem ich es geschafft hatte? Nein. Es gab viele Momente, an denen eine Geschichte Aufmerksamkeit für mein Schaffen erzeugt hat. Jeden dieser Momente habe ich dann genutzt, um mich auf meiner rutschigen Karriereleiter eine Sprosse weiter nach oben zu hangeln. Dazu gehören mein erster Hurricane-Bericht über Hurricane Gilbert im Jahr 1988, meine erste Berichterstattung zu einer US-Präsidentschaftswahl, mein Bericht von Queen Mums Beerdigung, die Berichterstattung zu Queen Elizabeths Kronjubiläum und meine Arbeit zur Einführung des Euro. Wenn ich wählen müsste, was DIE Story gewesen ist, dann wäre das der Schwarze Montag, der 19. Oktober 1987. Ich war ganz neu als Finanzreporter in London. Der Abwärtstrend an der New Yorker Börse hatte begonnen. Und bevor der Tag vorbei war, hatte der Dow Jones mehr als 500 Punkte (= 25 Prozent) verloren. Dies gilt nach wie vor als der anteilsmäßig stärkste Tagesverlust in der Geschichte des Dow Jones. Ich war im Dienst. Ich habe dabei zugesehen, wie der Markt sich in den Sekunden nach Börsenschluss um 100 Punkte verschlechtert hat und berichtete während der nächsten paar Tage morgens, mittags und abends – auf allen Programmen. Ich wurde dann eilig weggeschickt, um die Berichterstattung in New York aufzunehmen. Die Arbeit, der ich damals nachging, brachte mir die Aufmerksamkeit des Chefredakteurs ein, ich hatte mich als Finanzreporter etabliert. Ich werde den Schwarzen Montag nie vergessen. Als der Vorsitzende der New Yorker Börse sagte, dieser Tag sei am nächsten an einen Zusammenbruch der Finanzmärkte herangekommen, als alles, was wir uns hätten vorstellen können. Dies galt natürlich nur bis zum nächsten Finanzcrash. Zum letzteren Zeitpunkt war ich älter und weiser – aber interessanterweise war ich genauso erschrocken.
Karsten Eichmann, CEO des Gothaer-Konzerns"Aha- da gibt es ja noch so viel Spannendes" – für die entscheidenden Karriereschritte war meine Neugierde ein wesentliches Momentum. So auch als ich mit 43 Jahren meine berufliche Komfortzone aus Erfolg und Sicherheit verlassen und von München nach Hamburg gegangen bin, um als Vorstandschef der Advocard eine neue, spannende Herausforderung anzupacken. Nur durch das "Loslassen" von Gewohntem war der Weg bis zum CEO des Gothaer-Konzerns möglich - und diese Neugierde auf die Zukunft werde ich mir bewahren."
Uwe Schuricht, Geschäftsführer der Personalberatung Change Group"Mein Lebensweg hat entscheidende Weichenstellungen auf dem Tennisplatz bekommen: Mit Tennisunterricht habe ich mein Jura-Studium finanziert und schon damals davon geträumt, Headhunter zu werden. Dank Tennis habe ich einen Förderer gefunden, der mich bei der Promotion unterstützt hat. Die Promotion hat mich zu einer amerikanischen Kanzlei nach Paris geführt. Dort wurde ich als Manager entdeckt und danach war es nur noch ein kleiner Schritt zu meinem Traumberuf."
Sven Eggert, Eggert Group Werbeagentur"Nach einem Studium im Ausland (Oxford und Paris) nahm ich eine Stellung als Vorstandsassistent an. Mein Chef öffnete mir schnell die Augen, dass ich mit dem Europa-Hintergrund nicht so international aufgestellt war, wie uns im Studium suggeriert wurde. Die Entscheidung, daraufhin noch für vier Jahre in den USA zu arbeiten, war goldrichtig."

2. Die Herzforscherin

Svenja Hinderer will Organe im Labor züchten. Die Chemikerin entwickelte am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik eine künstliche Herzklappe, die im Körper der Patienten mitwächst. Diese Innovation würde vor allem Kindern helfen, deren Herzklappen bisher regelmäßig ausgetauscht werden müssen. Die Redaktion des Magazins „Technology Review“ vom Massachusetts Institute of Technology zählt Hinderer zu den 35 wichtigsten Nachwuchs-Erfindern (unter 35 Jahre alt).

3. Der Süße

René Frank war es leid. Sechs Jahre lang war er als Chef-Pâtissier im Osnabrücker Drei-Sterne-Restaurant La Vie zuständig für die Süßigkeiten. Aber warum serviert man die Desserts immer zum Abschluss eines Menüs, wenn die Mägen schon voll sind? Und wer sagt eigentlich, dass es immer Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch geben muss? Franks Berliner Restaurant Coda ist seit Spätsommer 2016 Deutschlands erste Dessert-Bar. Die Gäste können zwischen vier oder sechs Gängen wählen – und auf den Teller kommt ausschließlich Süßes.

4. Der Exzentriker

Teodor Currentzis macht seit einigen Jahren als Enfant terrible des Klassikbetriebs Furore. Der exzentrische griechische Dirigent hat mit seinem MusicAeterna Ensemble aus dem sibirischen Nowosibirsk fulminant flotte Deutungen von Mozarts Da-Ponte-Opern (Don Giovanni, Hochzeit des Figaro, Così fan tutte) vorgelegt. Mit seinem Neuen Sibirischen Sänger-Kammerchor verwandelt er Konzertsäle in sakrale Gebäude, taucht sie in Kerzenschein und feuert das Ensemble mit höchster Emotionalität zu spirituellen Sternstunden an – ein Priester im Dienst des überzeitlich Schönen in der Musik. In einigen Monaten wird Currentzis Chefdirigent des SWR Symphonieorchesters.

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