Roland Berger Experte "Sparsame Motoren statt dem nächsten Facebook"

Torsten Henzelmann, Partner der Strategieberatung Roland Berger über Technologien der Zukunft und die Stärken deutscher Greentech-Startups.

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Torsten Henzelmann, Partner bei Roland Berger. Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Henzelmann, wer die Zeitung liest, könnte vermuten, dass es schlecht steht um die deutsche Umwelttechnikbranche: Solarunternehmen machen pleite, die Windradhersteller werden von der chinesischen Konkurrenz überholt. Was spricht dennoch dafür, jetzt in Deutschland ein grünes Startup gründen?
Henzelmann: Grüne Technologien boomen, daran wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern. Die Märkte für Energieeffizienz, Wassertechnologien, neue Formen der Energieerzeugung und CO2-arme Mobilität wachsen im hohen einstelligen Bereich. Gründer, die hier neue Ideen entwickeln und auf den Markt bringen, haben große Erfolgschancen. Deutsche Unternehmen haben Erfahrung mit diesen Märkten und darum eine besonders gute Startposition.

Was macht Deutschland so stark bei grünen Technologien?
Deutschland hat, wie nur wenige andere Länder, eine Kultur der Effizienz. Wir hatten seit jeher keine nennenswerten Vorkommen an Öl, Gas, Kupfer oder Seltenen Erden – und kompensieren das, indem wir mit Ressourcen produktiver umgehen. Im Vergleich zu großen Nationen wie den USA oder Russland brauchen wir zwei bis drei Mal weniger Energie, um das gleiche BIP zu produzieren. Schon in der technischen Ausbildung und im BWL-Studium lernt der Nachwuchs in Deutschland, wie wichtig Effizienz ist, auch für den wirtschaftlichen Erfolg.

Der deutsche grüne Gründer ist also ein Schwabe: Sparsam und technikverliebt?
So pauschal kann man das nicht sagen. Deutsche Gründer sind zwar häufig Ingenieure – anders als etwa im Silicon Valley, wo vor allem neue Internet-Techniken entwickelt werden. Hiesige Startups entwickeln eher sparsame Elektromotoren und neue Recyclingprozesse als das nächste Facebook. Das liegt nicht daran, dass wir Deutschen besonders sparsam sind, sondern dass wir im Energie- und Rohstoffbereich immer abhängig vom Ausland sind und effiziente Produkte und Dienstleistungen entwickeln müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Energie aus neuen Quellen
US-Rapper 50 Cent Quelle: dapd
Ergiebiges Schütteln Quelle: Pressebild
Spiel mit Hintersinn Quelle: Screenshot
Straßen-Kraftwerk: Quelle: Screenshot
Baum-Power Quelle: Screenshot
Ewige Tauchfahrt: Quelle: Pressebild
Wind-Tanke Quelle: Screenshot

Von welchen grundlegend neuen Technologien werden wir bald mehr hören?
Aus meiner Sicht werden es Innovationen aus dem Bereich Automatisierung sein: Lösungen, die klassische Energieerzeugungs und -effizienztechnologien intelligent kombinieren und dadurch den Kunden Mehrwert bieten. Dazu gehören alle sogenannten smarten Technologien für Ladestationen, Wasseraufbereitung, Recycling, Speicherung und Netze.

Ist Deutschlands Vorreiterrolle in der Solar- und Windenergie schon wieder Vergangenheit?
Bislang haben es deutsche Unternehmen geschafft, durch die Effizienz und die Langlebigkeit ihrer Produkte zu überzeugen. Sollte es uns nicht mehr gelingen, diesen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, könnten wir in Deutschland aufgrund unserer Kostenstruktur einen Wettbewerbsnachteil haben. Allerdings zeichnen sich auch neue Innovationen im Solar- und Windenergiebereich ab. Gelingt es uns diese Innovationen schnell und mit einem Wettbewerbsvorteil an den Markt zu bringen, so haben wir auch weiterhin gute Chancen, uns gegen Standorte mit niedrigeren Herstellungskosten zu behaupten.

Zukünftiges Energieszenario

Trotz der derzeitigen Flaute im Solarsektor ist Henzelmann überzeugt, dass grüne Startups große Erfolgschancen haben. Quelle: dapd

Biodiesel, Biogas, Holzvergasung - welche Biomasse-Technologien haben Zukunft?
Aus meiner Sicht sind diese Technologien nicht direkt vergleichbar. Biodiesel wird seinen Einsatz in der Mobilität finden. Biogas- und Holzvergasungstechnologien werden hingegen vor allem bei der regelbaren Stromerzeugung wie z.B. bei der Kraft-Wärme-Kopplung zum Einsatz kommen. Ich persönlich sehe das Thema Biogas mit zentraler und dezentraler Verstromung als wesentliche Technologie in einem zukünftigen erneuerbaren Energienszenario.

Grüne Technologien haben ein gutes Image – aber sind Idealisten nicht die schlechtesten Unternehmer?
Gründer müssen einerseits ambitioniert sein und ihre Kunden immer wieder mit neuen Ideen überraschen; andererseits muss sich das Produkt am Ende rechnen. Darum können sich Jungunternehmer keine Mondscheinplanung erlauben. Die grünen Startups, die wir ausgewählt haben, kalkulieren eher konservativ.

Es gründet also vor allem der BWLer?
Wir beobachten eine sehr diverse Gründerkultur: Von Hochschulabsolventen, die mit viel Elan eine spannende Idee umsetzen wollen, bis zu gestandenen Managern, die mehr als 20 Jahre Karriere in einem Konzern hinter sich haben und nun mit viel Erfahrung ihr eigenes Unternehmen aufbauen möchten. In vielen Startups arbeiten sogar beide zusammen – und das ist eine erfolgreiche Mischung.

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Warum das?
Wo IT-Fachleute, Energietechniker und BWLer aufeinanderstoßen, entstehen Gegengewichte, Reibungspunkte, Perspektivwechsel. Und das ist erheblich erfolgsversprechender, als wenn sich drei Vollblutingenieure zum Tüfteln treffen. Die meisten Greentech-Startups erfinden ja auch nichts völlig Neues, sondern bringen vorhandene Technologien in andere Anwendungen. Sie bauen zum Beispiel solarthermische Kraftwerke so um, dass sie keinen Strom, sondern Wärme für Fabriken erzeugen.

Solche Technologien sind sehr kapitalintensiv. Wie steht es um die Finanzierung deutscher Startups?
Viele Gründer loben einerseits die Förderkultur in Deutschland; denn hier sind Förderbanken, die KfW, Business Angels, Wagniskapitalfirmen und private Investoren vorhanden. Andererseits erleben wir bei Investitionen ab drei bis fünf Millionen Euro eine imaginäre Schallmauer. Spätestens ab diesem Punkt müssen Gründer sich auf die Suche nach starken Partnern machen.

Welche Partner kommen da in Frage?
Die meisten suchen sich einen Industriepartner, der ihre Produktentwicklung weiterfinanziert und am Ende das Produkt herstellt. Großunternehmen können eine hervorragende Infrastruktur bereitstellen, sowohl für die Forschung als auch für die Produktion. Und sie sind grünen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen.

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