Stanford Gründen lernen

Wie die amerikanische Eliteuniversität aus Studenten Unternehmer macht.

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Wie an kaum einer anderen Hochschule werden Studenten in Stanford angehalten, Startups zu gründen. Quelle: Fotolia

Mit zwölf entwickelt er ein Podcast übers Programmieren von Apps fürs iPhone, das bald darauf zur Nummer eins im deutschen App Store wird. Mit 14 gründet er seine erste Firma, mit 15 macht er ein Praktikum im Silicon Valley bei Apple-Pionier Steve Capps und geht mit Steve Jobs Kaffee trinken. Nach dem Abitur in der badischen Heimat – Notenschnitt 1,1 – bekommt Catalin Voss zahlreiche Angebote von amerikanischen Eliteunis, auch das legendäre MIT will ihn haben. Doch der 18-Jährige entscheidet sich bewusst für einen Platz an der Universität Stanford. „Wenn es mich weiterbringt, kann ich hier auch schon im ersten Jahr Doktoranden-Kurse belegen“, sagt Voss, der inzwischen seit gut 15 Monaten in Stanford studiert. „Hier kann ich das Studium so strukturieren, dass es zu meinem Projekt passt.“

Die besten Hochschulen für Gründer
Platz 3Beratung und Budget, Netzwerke und Nestwärme: Diese Kriterien legte der Gründungsradar des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft an. In der Kategorie "Kleine Hochschulen" (bis 5.000 Studierende) kam die Universität Witten/Herdecke auf den dritten Rang. Quelle: Presse
Platz 2Kategorie: Kleine Hochschulen (bis 5.000 Studierende)PFH Private Hochschule Göttingen Quelle: Presse
Platz 1Kategorie: Kleine Hochschulen (bis 5.000 Studierende)HHL Leipzig Graduate School of Management Quelle: Presse
Platz 3Kategorie: Mittelgroße Hochschulen (5.000 bis 15.000 Studierende)Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Quelle: dpa-dpaweb
Platz 2Kategorie: Mittelgroße Hochschulen (5.000 bis 15.000 Studierende)Brandenburgische Technische Universität Cottbus Quelle: dpa-dpaweb
Platz 1Kategorie: Mittelgroße Hochschulen (5.000 bis 15.000 Studierende)Leuphana Universität Lüneburg Quelle: dpa
Platz 3Kategorie: Große Hochschulen (über 15.000 Studierende)Universität Potsdam Quelle: dpa

Sein Projekt heißt Sension – ein Startup, das Voss parallel zum Studium vorantreibt. Mit einer Software für die Datenbrille Google Glass will er Autisten helfen, menschliche Stimmungen zu erkennen. Insider schätzen den Wert des Unternehmens bereits heute auf mehrere Millionen Dollar.

Studentische Spielwiese

Ein Erfolg mit Ansage: Denn an der Eliteuniversität Stanford geht es nicht nur darum, talentierten Studenten nach starren Lehrplänen akademisches Wissen einzutrichtern, um ihnen den Weg zu bereiten für Karrieren als angestellte Wissenschaftler oder Manager. Der Campus mitten im Silicon Valley ist auch Trainingslager und Spielwiese für angehende Entrepreneure. Wie an kaum einer anderen Hochschule werden Studenten hier angehalten, Startups zu gründen. Die Universität vermittelt das dafür nötige Wissen nicht nur in Vorlesungen und Seminaren, die Verwaltung stellt auch Büros und Infrastruktur zur Verfügung, gibt Kredite, investiert mitunter gar in ausgewählte Unternehmen – wenn sie denn zum Zug kommt: Einer Studie des Marktforschungsinstituts CB Insights zufolge haben Startups aus Stanford von 2007 bis 2011 mit rund 4,1 Milliarden Dollar fast viermal so viel Risikokapital eingesammelt wie die Absolventen der Konkurrenten MIT und Berkeley.

„Wir bringen Studenten unternehmerischen Geist bei und helfen ihnen, ihre Ideen in die Realität umzusetzen“, sagt Tina Seelig. Mit ihrem 16-köpfigen Team namens Stanford Technology Ventures Program bietet sie 20 Kurse, die das Unternehmergen der Studenten befeuern sollen. Ob Kreativitätstechnik, Personalsuche oder Patentrecht: Jedes Jahr besuchen 3.000 der insgesamt 16.000 Studenten das Programm – eines von mehr als 30 ähnlichen Angeboten, in die die Universität einen erklecklichen Teil ihres derzeitigen Jahresbudgets von 4,8 Milliarden Dollar steckt.

Kampf um die besten Professoren und Studenten

Hier studieren die Unternehmer von morgen
Universität Magdeburg Quelle: dpa
Signavio GmbH
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Platz 7: FU Berlin Seit 2006 sind aus der Gründungsförderung der Freien Universität Berlin, die sich „Profund“ nennt, über 70 Kapitalgesellschaften hervorgegangen. Jährlich führt sie zwischen 150 und 200 Beratungsgespräche und bietet in fünf sogenannten Gründerhäusern auf dem Campus 120 Arbeitsplätze für studentische Start-Ups. Außerdem veranstaltet die FU etwa ihren „Entrepreneurship Summit“, der rund 1.500 Teilnehmer pro Jahr anlockt. Auf den mehrmals jährlichen „Business & Beer“-Abenden können Gründer ihre Konzepte vorstellen und den Vorträgen etablierter Unternehmer oder Experten lauschen. ePortrait soll den Gang zur Fotokabine für Passbilder überflüssig machen. Die im März 2012 gestartete Ausgründung der FU Berlin bietet die Möglichkeit, per Webcam biometrische Passbilder am PC zu machen und sie zu bestellen. Das Unternehmen setzt auch auf Geschäftskunden. So ist das Programm seit Mai in der Website einer Krankenkasse integriert und kann für die Fotos auf elektronischen Gesundheitskarten genutzt werden.
Platz 6: Universität Rostock Mit Wettbewerben will die Universität Rostock den Unternehmergeist ihrer Studenten wecken. 2009 organisierte das Gründerbüro erstmals „Idee sucht Mentor“. Dabei stellen die Teilnehmer bei einer Art Speed-Dating verschiedenen Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft ihre Geschäftsidee vor. Haben Studenten und Mentoren zusammengefunden, erarbeiten sie ein Geschäftskonzept und messen sich dabei mit anderen Gruppen. In der zweiten Jahreshälfte organisiert das Gründerbüro außerdem den Jungunternehmerpreis der Universität Rostock. Seit 2006 wurden laut Uni dort 130 Firmen gegründet. Berührungslose Messtechnik für die Industrie verkauft die Astech Angewandte Sensortechnik GmbH in Warnemünde. Zum Portofolio der Ausgründung der Uni Rostock gehören Sensoren, um Geschwindigkeit, Länge, Abstand, Position, Breite und Farbe zu bestimmen. Quelle: ZB
Platz 5: RWTH Aachen Im Jahr 2000 hat die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen gemeinsam mit der örtlichen IHK und den Sparkassen ihr Gründerzentrum ins Leben gerufen. 2003 folgte der Entrepreneurship-Lehrstuhl „Wirtschaftswissenschaften für Ingenieure und Naturwissenschaftler“ (WIN). Die Uni begleitet ihre Jungunternehmer nicht nur während der Gründung, sondern auch in den ersten fünf Jahren danach. Auf Pursenal.de können sich Nutzer ihre eigene Handtasche gestalten. Dabei lassen sich   unter anderem  Größe, Lederfarbe, Fadenfarbe, Futter, Innenausstattung, Verschluss und Riemenlänge variieren. Quelle: dpa
Platz 4: Universität Lüneburg Auch die Leuphana Universität Lüneburg setzt auf Beratung, Gründungslehre, Wettbewerbe und Netzwerke. Zusätzlich bietet sie jedem Gründer ein sogenanntes Starter-Set an, genauer gesagt einen 50-Euro-Gutschein, der unter anderem für kostenpflichtige Gründungsveranstaltungen gilt.  Mit der Ticcats GmbH hat der ehemalige Leuphana-Student 2010 Deutschlands erstes Online-Preisvergleichs-Portal für Live-Unterhaltungs-Tickets gegründet.

Wer bei Seelig Rat sucht, kommt auch an den „Technikhelden von Stanford“ vorbei – einer Art Ahnengalerie erfolgreicher Absolventen, die vom Computerpionier William Hewlett über Sun-Gründer Andreas von Bechtolsheim bis zu Google-Mitgründer Sergey Brin reicht. Woche für Woche lädt Seelig solche Promi-Gründer zu Vorträgen ein – darunter auch Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg oder Yahoo-Chefin Marissa Mayer. „Die Studenten treffen hier so viele Vorbilder“, sagt Seelig, „da kommt der Gedanke an ein eigenes Unternehmen fast von selbst.“

In einem ihrer Kurse lernten sich vor einigen Jahren auch Kevin Systrom und Mike Krieger kennen – kurz darauf gründeten sie die Foto-App Instagram, die drei Monate nach dem Start schon mehr als eine Million Nutzer hatte und die sie gut anderthalb Jahre nach dem Start für eine Milliarde Dollar an Facebook verkauften.

Millionen von der Uni

Nicht auszuschließen, dass John Melas-Kyriazi das nächste große Ding schon vor Augen hat: 15 Minuten vom Campus entfernt, in einem Bürokomplex in Mountain View, hilft der 24-Jährige den Studenten, ihre Ideen geschäftstüchtig zu machen. „In Stanford wird es fast erwartet, dass man ein Unternehmen gründet“, sagt er.

Melas-Kyriazi leitet StartX, eine gemeinnützige Organisation, die von ehemaligen Studenten gegründet wurde und von der Uni derzeit mit einer Million Dollar jährlich unterstützt wird. Das Gründerprogramm hilft Unternehmern durch die schwierige Anfangsphase, etwa mit kostenlosen Büroräumen, günstiger Technik und Investorenkontakten. Derzeit unterstützt Melas-Kyriazi 20 studentische Startups. Die Gründer, meist Technik-Studenten, sitzen in einem großen Raum zusammen. Wer ein Problem hat, fragt am Nebentisch um Hilfe.

Gefördert wird ausschließlich, wer auch in Stanford studiert hat. Ist ein Startup erfolgreich, bietet das Programm auch Kapital an: Sobald professionelle Anleger einsteigen, beteiligt sich auch StartX. Allein in den vergangenen zwei Monaten pumpte es so zehn Millionen Dollar in Unternehmen von Stanford-Studenten. Nicht nur uneigennützig: „Im Kampf um die besten Professoren und Studenten“, sagt John Melas-Kyriazi, „hat die Uni durch uns einen Vorteil.“

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