Mit zwölf entwickelt er ein Podcast übers Programmieren von Apps fürs iPhone, das bald darauf zur Nummer eins im deutschen App Store wird. Mit 14 gründet er seine erste Firma, mit 15 macht er ein Praktikum im Silicon Valley bei Apple-Pionier Steve Capps und geht mit Steve Jobs Kaffee trinken. Nach dem Abitur in der badischen Heimat – Notenschnitt 1,1 – bekommt Catalin Voss zahlreiche Angebote von amerikanischen Eliteunis, auch das legendäre MIT will ihn haben. Doch der 18-Jährige entscheidet sich bewusst für einen Platz an der Universität Stanford. „Wenn es mich weiterbringt, kann ich hier auch schon im ersten Jahr Doktoranden-Kurse belegen“, sagt Voss, der inzwischen seit gut 15 Monaten in Stanford studiert. „Hier kann ich das Studium so strukturieren, dass es zu meinem Projekt passt.“
Sein Projekt heißt Sension – ein Startup, das Voss parallel zum Studium vorantreibt. Mit einer Software für die Datenbrille Google Glass will er Autisten helfen, menschliche Stimmungen zu erkennen. Insider schätzen den Wert des Unternehmens bereits heute auf mehrere Millionen Dollar.
Studentische Spielwiese
Ein Erfolg mit Ansage: Denn an der Eliteuniversität Stanford geht es nicht nur darum, talentierten Studenten nach starren Lehrplänen akademisches Wissen einzutrichtern, um ihnen den Weg zu bereiten für Karrieren als angestellte Wissenschaftler oder Manager. Der Campus mitten im Silicon Valley ist auch Trainingslager und Spielwiese für angehende Entrepreneure. Wie an kaum einer anderen Hochschule werden Studenten hier angehalten, Startups zu gründen. Die Universität vermittelt das dafür nötige Wissen nicht nur in Vorlesungen und Seminaren, die Verwaltung stellt auch Büros und Infrastruktur zur Verfügung, gibt Kredite, investiert mitunter gar in ausgewählte Unternehmen – wenn sie denn zum Zug kommt: Einer Studie des Marktforschungsinstituts CB Insights zufolge haben Startups aus Stanford von 2007 bis 2011 mit rund 4,1 Milliarden Dollar fast viermal so viel Risikokapital eingesammelt wie die Absolventen der Konkurrenten MIT und Berkeley.
„Wir bringen Studenten unternehmerischen Geist bei und helfen ihnen, ihre Ideen in die Realität umzusetzen“, sagt Tina Seelig. Mit ihrem 16-köpfigen Team namens Stanford Technology Ventures Program bietet sie 20 Kurse, die das Unternehmergen der Studenten befeuern sollen. Ob Kreativitätstechnik, Personalsuche oder Patentrecht: Jedes Jahr besuchen 3.000 der insgesamt 16.000 Studenten das Programm – eines von mehr als 30 ähnlichen Angeboten, in die die Universität einen erklecklichen Teil ihres derzeitigen Jahresbudgets von 4,8 Milliarden Dollar steckt.
Kampf um die besten Professoren und Studenten
Wer bei Seelig Rat sucht, kommt auch an den „Technikhelden von Stanford“ vorbei – einer Art Ahnengalerie erfolgreicher Absolventen, die vom Computerpionier William Hewlett über Sun-Gründer Andreas von Bechtolsheim bis zu Google-Mitgründer Sergey Brin reicht. Woche für Woche lädt Seelig solche Promi-Gründer zu Vorträgen ein – darunter auch Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg oder Yahoo-Chefin Marissa Mayer. „Die Studenten treffen hier so viele Vorbilder“, sagt Seelig, „da kommt der Gedanke an ein eigenes Unternehmen fast von selbst.“
In einem ihrer Kurse lernten sich vor einigen Jahren auch Kevin Systrom und Mike Krieger kennen – kurz darauf gründeten sie die Foto-App Instagram, die drei Monate nach dem Start schon mehr als eine Million Nutzer hatte und die sie gut anderthalb Jahre nach dem Start für eine Milliarde Dollar an Facebook verkauften.
Millionen von der Uni
Nicht auszuschließen, dass John Melas-Kyriazi das nächste große Ding schon vor Augen hat: 15 Minuten vom Campus entfernt, in einem Bürokomplex in Mountain View, hilft der 24-Jährige den Studenten, ihre Ideen geschäftstüchtig zu machen. „In Stanford wird es fast erwartet, dass man ein Unternehmen gründet“, sagt er.
Melas-Kyriazi leitet StartX, eine gemeinnützige Organisation, die von ehemaligen Studenten gegründet wurde und von der Uni derzeit mit einer Million Dollar jährlich unterstützt wird. Das Gründerprogramm hilft Unternehmern durch die schwierige Anfangsphase, etwa mit kostenlosen Büroräumen, günstiger Technik und Investorenkontakten. Derzeit unterstützt Melas-Kyriazi 20 studentische Startups. Die Gründer, meist Technik-Studenten, sitzen in einem großen Raum zusammen. Wer ein Problem hat, fragt am Nebentisch um Hilfe.
Gefördert wird ausschließlich, wer auch in Stanford studiert hat. Ist ein Startup erfolgreich, bietet das Programm auch Kapital an: Sobald professionelle Anleger einsteigen, beteiligt sich auch StartX. Allein in den vergangenen zwei Monaten pumpte es so zehn Millionen Dollar in Unternehmen von Stanford-Studenten. Nicht nur uneigennützig: „Im Kampf um die besten Professoren und Studenten“, sagt John Melas-Kyriazi, „hat die Uni durch uns einen Vorteil.“