Start-ups in China Goldrausch im Haifischbecken

Start-up-Fieber im Reich der Mitte: Vor allem die 700 Millionen Smartphone-Besitzer wecken die Fantasie von chinesischen Jungunternehmern. Wer von der Goldgräber-Stimmung profitieren will, braucht aber eine bestimmte Taktik.

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Chinesische Models Quelle: REUTERS

Seit einigen Wochen haben die für ihre Griesgrämigkeit berüchtigten Taxifahrer von Peking und Shanghai bessere Laune. Viele fahren bis zu 20-Stunden-Schichten, quälen sich durch nervige Staus und erhalten dafür knapp 5000 Yuan im Monat, rund 600 Euro. Doch dank zweier Smartphone-Apps hat sich ihr Verdienst deutlich erhöht: Wer als Kunde mit Kuaidi Dache (zu deutsch „schnelles Taxi“) oder Didi Dache („hup, hup – nimm ein Taxi“) eine Fahrt ordert, bekommt fünf Yuan gutgeschrieben, rund 60 Cent. Der gleiche Betrag geht an den Taxifahrer.

Im Vergleich zu ihren amerikanischen Altersgenossen gelten junge Chinesen bisher als risikoscheu. Doch das ändert sich gerade. Exakte Zahlen gibt es nicht, aber „die Zahl der Start-ups in China wächst“, sagt Jianbing Gao, Start-up-Experte bei der Beratung PricewaterhouseCoopers (PwC) in Shanghai. Mit einem eigenen Unternehmen erfolgreich zu sein, statt als Angestellter bei einem Staatskonzern zu arbeiten, wird immer attraktiver. Denn viele Uni-Absolventen verdienen mit 5000 Yuan im Monat, also rund 600 Euro, kaum mehr als erfahrene Wanderarbeiter oder eben Taxifahrer.

Die weltweit meisten Smartphone-Nutzer

Die meisten Start-ups im Reich der Mitte tummeln sich im Internet und E-Commerce, wo die technischen und finanziellen Schwellen, um ein gutes Produkt zu entwickeln, am niedrigsten sind. Mehr als die Hälfte der 2012 gegründeten Unternehmen kamen aus den Mobil- und E-Commerce-Bereich. Und rund 70 Prozent der Wagnisfinanzierer investieren in Gründungen aus der Internet-Branche.

„Aufgrund des gigantischen Markts haben vor allem Unternehmen Chancen, die sich direkt an Konsumenten richten“, sagt Chuan Thor, Geschäftsführer des Shanghaier Investors Highland Partners. In China gibt es mit 700 Millionen die weltweit meisten Smartphone-Nutzer. Um deren Kaufverhalten und Konsummuster drehen sich die meisten Start-up-Aktivitäten. Wie das Gründer-Geschäft läuft, zeigt die Geschichte der Taxi-Apps. Sie beginnt wie so oft in China mit einer Kopie: 2010 geht eine abgekupferte Version des US-Taxirufdienstes Uber an den Start. Schnell folgen Kopien der Kopie, bis sich 2012 fast ein Dutzend Taxi-Apps auf dem Markt tummeln.

Elf Millionen Taxis pro Tag

Im April 2013 kommt Kuaidi Dache aus Shanghai auf 300.000 User, die pro Tag 20.000 Taxifahrten via Smartphone ordern. Wenig später gelingt Kuaidi Dache der Durchbruch: E-Commerce-Gigant Alibaba, der demnächst in New York an die Börse gehen wird, steigt mit mehreren Millionen Yuan ein.

Ähnlich läuft es beim Konkurrenten Didi Dache, der den Pekinger Markt kontrolliert. Gründer Wei Cheng konnte im Januar 100 Millionen Dollar Kapital vom chinesischen Internet-Riesen Tencent auftreiben. Beide Apps sind binnen eines Jahres rasant gewachsen und haben zusammen mehr als 100 Millionen Nutzer, die Ende März 2014 pro Tag rund elf Millionen Taxis orderten. Die kleineren Wettbewerber waren vom Markt gefegt. Seitdem liefern sich Alibaba und Tencent einen knallharten Verdrängungskrieg.

Mit der App bestellte Taxifahrten pro Tag

Goldgräberstimmung

„Man muss sehr lange unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bleiben“, sagt Jonathan Lin, ein Gründer aus Shanghai, „und dann ganz schnell sehr groß werden.“ Wer im Mittelfeld bleibe, werde hemmungslos kopiert und dann von den Großen aus dem Markt gedrängt.

Der 31-Jährige steht mit seiner App Discoverwish noch am Anfang. Erste Investoren sind schon gefunden, demnächst soll die nächste Finanzierungsrunde folgen. Lin bezeichnet sein Produkt als eine Art „Pinterest für Events“: Ein personalisierter Kalender für Partys, Sportereignisse oder Bar-Besuche hilft dabei, Freunde kennenzulernen. Trotz des harten Wettbewerbs herrsche Goldgräberstimmung. „Jeder will eine App programmieren und damit reich werden“, sagt Lin.

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