Start-Ups Copycats sind besser als ihr Ruf

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Lange Tradition

Tamyca Gründer Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Copycats haben also eine lange Tradition. Allerdings wird heute schneller imitiert als in der Vergangenheit, hat Forscher Shenkar beobachtet: Globalisierung und Internet erleichtern den Transfer von Ideen. Der Wissenschaftler hat sich in seinem Buch „Copycats“ mit dem Phänomen beschäftigt. „Es ist falsch, Unternehmertum mit Innovation gleichzusetzen“, sagt er, „die Mehrzahl der Startups imitiert, adaptiert oder importiert funktionierende Geschäftsideen.“

Und das ist nicht einmal schlecht. Imitatoren sorgen ebenso für Wachstum, Wohlstand und Jobs wie Innovatoren, sagen Forscher wie Shenkar und Nicolai. Die Nachahmer sparen Studien zufolge etwa ein Drittel der Kosten ein, die der Innovator hat. Außerdem fällt es ihnen leichter, wie Casacanda an Geld von Risikokapitalgebern zu kommen, weil sich das Konzept bereits bewährt hat. „Die profitabelsten Unternehmen sind oft diejenigen, die eine kräftige Prise Nachahmung enthalten“, so Shenkar.

Es ist einerseits verständlich, dass sich die Innovatoren darüber aufregen: Sie haben Arbeit, Energie und Geld in ihr Geschäftsmodell gesteckt, das nun von anderen kopiert wird. Sie haben sich in Sackgassen verirrt, die andere umgehen. Sie haben bei Geldgebern an verschlossene Türen geklopft, die ihren Nachahmern weit offen stehen. Nur eines vergessen die Pioniere dabei oft: Sie selbst können davon profitieren, wenn sie imitiert werden.

Raus aus der Komfortzone

Michael Minis und seine Mitgründer verzichteten im Juni 2010 auf viel Schlaf. Bis tief in die Nacht diskutierten sie ihre Geschäftsidee. Minis erzählte den anderen von Car2Go, einem Angebot des Autoherstellers Daimler, das es ermöglicht, Kleinwagen spontan und minutenweise anzumieten. Ein Mitgründer berichtete von der US-Firma Rent-A-Wreck, die alte Autos günstig verleiht.

Berühmte deutsche Gründer
Andreas von Bechtolsheim Quelle: Presse
Ibrahim Evsan Quelle: dpa
Stephan Uhrenbacher Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche
Lukasz Gadowski Quelle: Presse
Lars Hinrichs Quelle: Presse
Gerrit Schumann Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Oliver, Marc und Alexander SamwerDie drei Brüder (im Bild: Oliver Samwer) gelten als Bad Boys der Gründerszene. Dabei halten sie sich nur an eine simple Erfolgsregel, die viele Serienunternehmer zu ihrem Motto erklärt haben: Lieber gut kopiert als schlecht selbst gemacht. Der Erfolg gibt ihnen Recht. So gründeten sie die deutsche Kopie des US-Auktionshauses Ebay, riefen danach den Klingeltonriesen Jamba ins Leben und hatten auch beim Facebook-Klon StudiVZ ihre Finger mit im Spiel. Quelle: Armin Brosch für WirtschaftsWoche

Wie wäre es, wenn man die Konzepte kombinieren und erweitern würde, fragten sich Minis und seine Partner. Die Antwort heißt Tamyca: eine Internet-Plattform, auf der Privatpersonen ihre Autos aneinander vermieten, stunden- oder tageweise. Mit Versicherung und ohne zusätzliche Technik. Anders als Car2Go braucht das Startup dafür nicht mal einen Fuhrpark, es verdient an jeder Vermietung über seine Internet-Plattform mit. Eine bestechende Idee – mit einem Haken: „Wir waren die Ersten“, sagt Minis, „aber das hieß auch, dass wir die Menschen erst von unserer Idee überzeugen mussten.“

Dabei bekamen sie unverhoffte Schützenhilfe. Denn kaum war Tamyca gestartet, entdeckten Wettbewerber den Markt. Was den Gründern zunächst die Sprache verschlug: Die Konkurrenten entschieden sich für ein ähnliches Preismodell, selbst ihre Internet-Seiten ähnelten Tamyca. Ein Anbieter habe sogar versucht, Kunden gezielt abzuwerben, erzählt Minis. „Über all das waren wir nicht glücklich“, sagt der Gründer, „aber die Nachahmer haben uns auch sehr geholfen.“ Sie trugen dazu bei, die Idee unter den Menschen zu verbreiten. Und signalisierten Geldgebern, dass der Markt attraktiv sein muss.

Nachdem sich Tamyca auf der Suche nach Kapitalgebern anfangs die Zähne ausgebissen hatte, beteiligte sich nun ein Frühphasenfinanzierer. Dadurch gelang es dem Startup sogar, seinen Vorsprung auszubauen: Nach Angaben der Gründer sind auf der Plattform inzwischen 2500 Autos verfügbar und rund 15 000 Nutzer registriert – ein Marktanteil von 70 Prozent. „Viele Ziele haben wir schneller erreicht als gedacht“, sagt Minis, „die unverhoffte Konkurrenz hat uns einfach Beine gemacht.“

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