Startups Wie Gründer junge Fachkräfte gewinnen

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Ausländische Entwickler beobachten den deutschen Startup-Markt

TOM KIRSCHBAUM UND MARCELO LEITE Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Eine dieser Blauen Karten hat die Ausländerbehörde kürzlich Marcelo Leite ausgestellt. Seine Geschichte zeigt, was Gründer unternehmen, damit ihr Start-up nicht wegen fehlender Mitarbeiter eingeht. Der 34-Jährige kommt aus Brasilien, hat dort Informatik studiert und bereits für vier verschiedene Softwarefirmen gearbeitet. Bis er anfing, sich nach Jobs in Deutschland umzusehen.

„Vor fünf Jahren wollten wir noch in die USA ins Silicon Valley“, sagt Leite, „inzwischen wollen alle nach Berlin, weil es eine tolle Stadt mit vielen guten Jobs in interessanten Start-ups gibt.“

Also bewarb sich Leite Ende 2013 beim Berliner Start-up Door2Door. Es entwickelt Apps für Smartphones, mit denen sich schnell Reisen planen und buchen lassen – per Bus, Bahn und Flugzeug genauso wie mit Mietwagen oder Carsharing-Angeboten.

Aktuell tüftelt das 25-köpfige Team an einer neuen App namens Allryder: Wer sie in größeren Städten benutzt, kann sehen, wie und womit er bei der aktuellen Verkehrslage am schnellsten ans Ziel kommt. Kein einfaches Unterfangen, denn um die Verkehrsunternehmen an das System anzubinden, braucht es viele Zeilen Quellcode. „Wir bohren ein dickes Brett“, sagt Gründer Tom Kirschbaum, „und dafür brauchen wir qualifizierte Leute.“

Die sucht und findet er vor allem hinter den Grenzen der Republik: Von zehn Bewerbungen seien nur ein bis zwei aus Deutschland, die Deutschen im Team könne man an einer Hand abzählen. „Es ist erstaunlich, wie genau Entwickler in Sibirien oder Südamerika die Berliner Start-up-Szene beobachten“, sagt Kirschbaum. „Wenn wir sie unter Vertrag nehmen, stehen sie ihren Kollegen in nichts nach.“

So wie Marcelo Leite. Der Entwickler aus Brasilien stellte sich Ende 2013 via Skype bei Kirschbaum vor. Der Gründer war angetan von dem vielseitigen Profil des Brasilianers, der für verschiedene Betriebssysteme programmieren kann. Ohne sich jemals begegnet zu sein, waren sich Kirschbaum und Leite einig.

Kurz darauf saß der mit seiner Frau im Flieger nach Deutschland, wo ihn die Team-Managerin von Door2Door empfing und zur Ausländerbehörde begleitete. „Marcelo stellt sicher, dass jede Version unserer Software einwandfrei funktioniert, wenn sie auf den Markt kommt“, preist Kirschbaum den neuen Mitarbeiter, „er ist extrem wichtig.“

Und das lässt er sich einiges kosten: Door2Door finanziert Experten wie Leite etwa die Reise und einen Willkommensbonus, außerdem übernimmt der Steuerberater des Start-ups die Steuererklärung. Darüber hinaus tut Kirschbaum alles, um in seinem Unternehmen für eine Willkommenskultur zu sorgen: Zweimal in der Woche kommt eine Mitarbeiterin vorbei, die Kirschbaum „unsere Start-up-Oma“ nennt und sorgt für Frühstück oder Mittagessen. Anders als die Entwickler war die 68-Jährige nicht allzu schwer zu finden: Auf die Stelle als Start-up-Oma bewarben sich 40 Berlinerinnen bei Kirschbaum.

Kostenlose Snacks, flexible Arbeitszeiten, Heimarbeit: In der Start-up-Welt ist das gang und gäbe. Viele Unternehmen geben außerdem virtuelle Firmenanteile an die Mitarbeiter – so wie Trivago. Doch weil auch das nicht gereicht hat, eröffnete das Unternehmen ein Büro auf Mallorca. Jeder Mitarbeiter kann heute bis zu einen Monat pro Jahr von dort aus mitarbeiten.

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